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Full Text: Globus, 36.1879

A . Glitsch : Bilder aus den südlichen Wolga - Steppen . 205 
manchem andern , der sich durch bescheidenere Leistungen in Bewegung gesetzt wurde , welche sich seit seinem Amts - hervorgethan hat . Unter die letzteren darf sich vielleicht der antritt auf dem arg veruachlässigteu Gebiet des Schulwesens Verfasser rechnen , durch dessen Thätigkeit zuerst die Reform geltend machte . 
Bilder aus den südlichen Wolga - Steppen . 
Von A . Glitsch , Archivar der Brüder - Unität in Herrtthut . 
IV . 
Der S t e p P e n h e r b st . 
Die brillanteste Jahreszeit . Klimatische und medicinische Kuren . Das Schaffleisch der Tschigan und die Steppenluft . Senf - uud Tabakernte . Obstzucht . Weiubau . Die Arbufe und Melone . Vielfache Benutzung der erstern . Steppenwild - pret . Trappenjagd . Antilopenjagd . Wolfsjagd . Ausflüge an die Wolga und in die Schluchten des Steppeuplateans . 
Steppenfutter . 
Den Herbst möchte ich , wenigstens in Bezug auf die klimatischen Verhältnisse , die brillanteste Jahreszeit der Steppe nennen . Fehlt ihm freilich die frische und bunte Frühlingsdekoration , welche die köstlichen Steppenblumen dem Lande gaben , so ist man doch jetzt mit dem braunen uud dürren Kleide der Erde mehr einverstanden , als wich - rend des Sommers , der die Farben des Herbstes , der Zeit des Abblühens , bereits anticipirt hatte uud außerdem durch seine Hitze äußerst beschwerlich fiel . Jetzt ist die Zeit , in der neben der noch energisch wärmenden Sonne ein kühler , erfrischender Wind auch während des Tages die Herrschaft hat . Ein Theil des lästigen Ungeziefers , die Moskiten , sind verschwunden ; die Mücken haben ein längeres und zä - heres Bestehen . Die Abende sind frisch , aber nicht feucht , die Nächte kühl . Alles athmet auf und erwacht aus der Lethargie , in welche es der Sommer versetzt hat . Es ist die Zeit der Ausflüge zu Pferd und zu Wagen , denn der Steppenbewohner verschmäht es , bei der leichten Möglich - keit , sich Fuhrwerk zu halten , zu Fuße zu gehen . Wer nicht allzu anspruchsvoll war , konnte noch vor einem Jahrzehnt für den civilen Preis von 15 bis 20 Rubeln ein Reitpferd kalmückischer Race anschaffen , und die Unterhaltung desselben kostete ihm auch während des ganzen Jahres nicht viel mehr , da die Steppe fast unentgeltlich die Fütterung bietet . 
Der Herbst ist auch die Zeit der klimatischen und medi - cinischen Kuren . Er ist die gesundeste , erfrischendste und krästigendste Jahreszeit . Leidende begeben sich entweder in eine der Steppenheilanstalten , oder in Ermangelung dessen in einen Kalmückenchotton oder Weiler und leben dort einige Wochen unter der Kibitke , dem Filzzelt . Hier finden sie die Nahruugs - und Arzneimittel , die besonders gegen Lungen - leiden wirksam sind . Nahrungsmittel ist vor Allem das ausgezeichnete kalmückische Schaffleisch . Das kalmückische Schaf unterscheidet sich vom spanischen oder gewöhnlichen Hausschaf sowohl durch seine Größe als auch durch die ihm eigentümlichen Hängeohren und den Fettschwanz , den aber das russische Steppenschaf geduldig trägt , und nicht aus einer kleinen Equipage hinter sich herfährt , wie früher ge - fabelt wurde . Mir wenigstens ist nie ein solches Fuhrwerk begegnet . Die Wolle des Thieres ist hart und grob und wird hauptsächlich zur Filzbereitung benutzt ; das Fleisch dagegen übertrifft durch seine Zartheit und seinen Wohlgeschmack dasjenige des Wollschafes bedeutend . 
Das medicinische Mittel , das die Steppenkur bietet , ist der Tschigan oder Knmyß , die gesäuerte Pserdemilch . Sie unterscheidet sich von einer gewöhnlichen Buttermilch sowohl durch den Mangel an Fett als auch an Käsestoff . Letzterer wird zwischen den Haaren der Schläuche , in welchen das Getränk bereitet wird , zurückgehalten . Der Tschigan hat einen weinig - sänerlichen , etwas fettigen Geschmack , der an saure Milch erinnert , aber doch sich von ihr unterscheidet . Jedenfalls ist dies Mittel bei der Kur nicht das allein wirkende , sondern wird wesentlich durch die Steppenluft und den ausschließlichen Fleischgenuß unterstützt , der dem Ernährnngsprocesse des Körpers eine andere Richtung giebt . Aus diesem Grunde werden die imitirten Kumyßaustalten anderer Länder auch nie die Erfolge aufweisen , wie die originalen der Steppe . 
Während die Getreideernten bereits im Sommer statt - gefunden haben , wird jetzt im Anfang des August der Seuf und Tabak eingeheimst . Ersterer von Feldern , letzterer aus den Gärten . Der Senf giebt , sowohl durch Boden als durch Klima begünstigt , eine vorzüglich aromatische und scharfe Frucht , die aus den rapsähnlichen Schoten auf Tüchern mit Stöcken ausgeschlagen und in Wagen , Säcken und Fell - schläuchen zum Verkauf gebracht wird . — Der Tabak ist eine geringe , äußerst starke , kleinblättrige Sorte , deren An - bau viel Arbeit in Anspruch nimmt , die das Land stark aus - saugt und hauptsächlich von den Kalmücken gekauft und ge - rancht wird . 
So lucrativ für einzelne diese Ernten sind , so erfreuen sich doch andere einer größern Popularität , ich meine die Obsternten . Die Obstbäume zeichnen sich zwar in der Steppe weder durch großen Ertrag noch auch durch feine Sorten aus . Die strengen Winter machen alle Versuche , feinere Obstarten zu cultivireu , zu Schanden , und auch die Bäume ordinärerer Art erreichen keine bedeutende Größe und Um - sang , da die Erfahrung als Lebensalter eines Obstbaumes in der Steppe 20 Jahre festgestellt hat . Durch stetes Nachpflanzen muß der Bestand erhalten werden . Dagegen hat Gott das Steppenland mit and eren Früchten gesegnet , die in besonderer Vollkommenheit gedeihen . Da ist vor Allem die edelste der Früchte , der Wein , der , freilich nicht , wie auf der Südseite des Kaukasus , wild vorkommt , sondern in Plan - tagen und Gärten gepflegt , gewässert und im Winter gegen den Frost in der Erde geborgen werden muß . Die ver - schiedensten , meist persischen Sorten werden gezüchtet , der
	        
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