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zehnte lang die Urlaube, in denen die Zeit bis zum letzten genützt werden
mußte, weil unter den politischen Vorbehalten der faschistischen Regie-
rung und den Rücksichten von nazistischer Seite der Zugang zu den Quel
len sich jederzeit plötzlich wieder schließen konnte. Als es endlich doch
gelungen war, das Material für einen stattlichen Band, im besonderen zu
den südtiroler Fronleichnamsumgängen und -spielen, zusammenzubringeD
- ein umfänglicher Aufsatz war 1938 im Literarwissenschaftlichen Jahr
buch der Görres-Gesellschaft bereits vorausgegangen -, da standen der
Veröffentlichung zunächst die Vorurteile gegen den Komplex Südtirol wie
gegen das Thema Fronleichnam hindernd im Wege. Dank der zähen
Energie des Autors und dem Verständnis des Präsidenten der damaligen
Deutschen Akademie kam der Band dann unter dem Titel „Bozner Bürger
spiele“ zuletzt doch noch zum Druck, aber infolge der Kriegszeit nur mehr
zu einer teilweisen Auslieferung an einen sehr kleinen Kreis von Inter
essenten.
Erst 1946 ließ sich, was unter den Kulturpolitikern des Dritten Reiches, auch
durch den Wehrdienst Dörrers im zweiten Weltkrieg unmöglich gewesen
war, ein längst wünschenswertes Ziel erreichen: die Verbindung von For
schung und Lehre durch die Übernahme einer volkskundlichen Dozentur
an der Universität Innsbruck.
In Dörrers reger Publikationstätigkeit, die auch in den schwierigsten Zeiten
nicht völlig aussetzte, haben über die literar- und geistesgeschichtlichen,
auch schöngeistigen Arbeiten stets die volkskundlichen dominiert; zu den
Hauptgebieten Volksschauspiel und Brauchtum kamen auch Untersuchun
gen über Volksglauben, Volkskunst, Kalenderwesen und noch manche
andere Themen. Sie haben Tirol zu einer der besterforschten Volkskultur
landschaften werden lassen, haben aber zugleich mit der Fülle des erarbei
teten Materials und der daraus gewonnenen Erkenntnisse auch der über
regionalen Volkskunde außerordentlich genützt. Sie mußten zu vergleichen
der Forschung anregen, zumal in den oberdeutschen Nachbargebieten, die
ja, mehr als Dörrers leidenschaftlicher tirolischer Patriotismus zuweilen
wahrhaben will, an gleichen volkskulturellen Überlieferungen Anteil
haben.
Daß Dörrer selbst sich in seiner Arbeit ausschließlich auf den tirolischen
Raum beschränkt hat, bedeutet ein unbedingtes Positivum. Denn wirklich
zuverlässige, nicht auf Hypothesen und gedankliche Konstruktionen an
gewiesene Grundlagen für alle Struktur- und Entwicklungsfragen der
Volkskunde können nur von zäher, unverdrossener Kärrnerarbeit, sei es
als Quellenforschung oder als Feldforschung, in regionaler Begrenzung
gegeben werden. Ob gebührend gewürdigt oder nicht, liefert diese Arbeits
weise die unentbehrlichen Stützen für jene, die um die Klärung von Zu
sammenhängen und Eisprüngen über Räume und Zeiten hinweg bemüht
sind.
Für seinen vorbildhaften Beitrag zur gemeinsamen Aufgabe gebührt dem
Tiroler Anton Dörrer der Dank der gesamten wissenschaftlichen Volks
kunde.
München
Hans Moser