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Full Text: Globus, 72.1897

L. Henning: Die Kongoausstellung in Brüssel-Tervueren 1897. 
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ihrer Sitten und Gebräuche einander nähern. Wir 
erwähnen die Bayanzi oder Babangi, welche nach 
der Tradition vor etwa einem Jahrhundert ihre heutigen 
Wohnplätze am Kassai bezogen haben sollen. Sie sind 
von wenig einnehmendem Äufsern, mittlerer Gröfse und 
kräftigem Körperbau. Die Tättowierung besteht in einer 
von der einen Schläfe zur anderen führenden Doppel 
linie , ein Palmblatt nachahmend. Auf der Stirnmittel 
linie tragen sie eine Reihe wulstförmiger paralleler 
Linien. Die Brüste der Weiber sind ebenfalls tättowiert. 
Die Bayanzi sind ein kriegerischer Stamm, dabei tüchtige 
Handelsleute. Die Bateke dehnen ihre Wohnsitze bis 
zum Alima, einem rechten Nebenflüsse des Kongo aus 
und scheinen von Norden her eingewandert zu sein. 
Die Tättowierung ist bei ihnen ähnlich der der Bayanzi. 
Die Wambundi gelten als die wahren Urbewohner 
der Region östlich von Leopoldville. Die Babuma 
wohnen an den Ufern des unteren Kassai; diese sind 
geschickte Töpfer und Handelsleute; noch sei der 
Batende, Babali, Banfumu und Bizi-Batondu 
gedacht, deren Gebiet sich östlich von Bolobo bis Luko- 
lela und zum Inkisi erstreckt. Sitten und Gebräuche 
decken sich im wesentlichen mit jenen der bereits ge 
schilderten Stämme. 
Das dritte Völkergebiet der Region der sogen. 
Krystallberge umfafst jene Stämme, welche das Quell 
gebiet des Kwango bewohnen: die Kioko, Hollo und 
Mayakka. Das Gebiet der letzteren, sowie fast die 
ganze östlich vom Kwango gelegene Region wurde be 
kanntlich vor etwa 40 Jahren von Lundakriegern 
unter der Führung eines Bruders des mächtigen Muata- 
Yamvo erobert und dessen Nachfolger üben noch heute 
dort ihre Macht aus. Der Häuptling Muene-Putu-Kas- 
songo hielt das Land lange unter Schreckensherrschaft, 
so dafs heute das Volk der Mayakka auf dem Aussterbe 
etat steht. 
3. Die Region des grofsen Waldes. Von 
dem Punkte, wo der Kongo zum zweitenmale den 
Äquator im Osten schneidet, bis zu der Kette der Höhen 
züge, welche das Kongobassin von der westlichen Nil 
scheide trennt, ist das Land ununterbrochen von Wald 
bedeckt, begrenzt im Norden von den Flüssen Bomo- 
kandi, Uelle und Ubangi-Dua, im Süden von dem Lu- 
kenye-Kassai bis jenseits des Lualaba; dieses ungeheure 
Waldgebiet wird von Bantuvölkern bewohnt. Obwohl 
den fremden Einflüssen unterworfen, haben alle diese 
Stämme doch ihren primitiven Charakter bewahrt, sind 
Anthropophagen und am ganzen Körper tättowiert. Die 
einzelnen Völkerschaften des genannten Gebietes sind 
nun folgende: die Mongo oder Balolo bewohnen das 
Innere vom oberen Lulongo bis zum oberen Busera; die 
G o m b e („Gombe“ bedeutet in der Eingeborenensprache: 
die Leute des Innern !) wohnen vom Ubangi bis Itimbiri. 
Die Tättowierung dieser letztgenannten erstreckt sich in 
linienförmigen Wülsten von den Schläfen aus über das 
ganze Gesicht, so dafs der Gesichtsausdruck ein echt 
„wilder“ wird. Die Bokote und Wangata wohnen 
längs der genannten Flufsläufe. 
Wie schon bemerkt, sind alle diese V ölker Kannibalen; 
ihr Kannibalismus geht bis zur völligen Aufzehrung 
ihrer Opfer. Nach Lemaire soll am Ruki das Lieb 
lingsgericht bestehen aus: Maniokblättern, Menschenblut 
und -haaren! Natürlich wird auch Fleisch vom Wild 
und Fisch — in Palmöl gekocht — nicht verschmäht. 
Vor dem Essen, von den Weibern zubereitet, wäscht 
man sich die Hände. Getrunken wird erst nach dem 
Essen und zwar ein aus Zuckerrohr bereitetes bierartiges 
Getränk (masanga); Weiber und Kinder trinken Wasser. 
Nach Coquilhat sollen sich die Eingeborenen des 
Äquatordistriktes nie baden, nur Säuglinge machen 
hiervon eine Ausnahme und werden dreimal des Tages 
im Kongo gebadet, und zwar fafst die liebevolle Mama 
ihren Spröfsling an einem Arm und taucht ihn 10- bis 
20 mal unter. Einmal im Monat wird der Körper des 
Eingeborenen unter grofsen Proceduren reichlich mit 
Palmöl und rotem Pulver eingerieben. Die Kleidung 
besteht bei den Männern aus einem selbstgewebten Stoff, 
der zwischen den Beinen durchgeht und hinten und vorn 
von einem engen Gürtel gehalten wird; an Festtagen 
wird ein bis zu den Knieen reichender Rock darüber 
getragen. Die Weiber gehen bei den inneren Wald 
stämmen bis auf einen einfachen Lendenfaden, an dem 
eine Kaurimuschel oder eine Perle befestigt ist, nackt. 
Jagd und Fischfang bilden die Hauptbeschäftigung 
der Männer, während der Ackerbau Sache der Weiber ist. 
Bezüglich der religiösen Vorstellungen giebt Fiévez 
an, dafs die Mongo an ein höheres Wesen als Schöpfer 
aller Dinge glauben. Dieses Wesen „Djakomba“ war 
von Anfang an da, schuf sich selbst aus einem Baum 
ein Weib, dann schuf er die Erde und alles was da 
fleucht und kreucht. Diese Schöpfungsarbeit dauerte 
mehr als 10000 Mondumläufe. Sein Weib brachte täglich 
über 1000 Kinder zur Welt und als damit die Erde ge 
nügend bevölkert war, verliefs sie die Gottheit und schuf 
Sonne, Mond und Sterne. Nach Fiévez ist in dieser 
Sage entschieden kulturelle Beeinflussung durch die 
Europäer zu sehen. 
Die Begräbnisceremonieen dauern lange; handelt es 
sich um einen Freien, so wird der Leichnam vom Kopf 
bis zu den Füfsen gewaschen und in seiner Hütte auf 
einem erhöhten Platze bis zur Verwesung ausgestellt. 
Einen oder zwei Mondumläufe später wird der verweste 
Leichnam in einen geschnitzten und reich verzierten 
Sarg gelegt. Für einen Häuptling bedeutet der Sarg 
die Person selbst und waren auf der Ausstellung zwei 
diesbezügliche Särge zu sehen ; das merkwürdigste an 
der Sache ist, dafs der Leichnam der Häuptlinge nicht 
im Sarge Platz findet; diese letzteren werden über den 
Leichnam gestellt, wodurch auch die äufserst schmale 
Form verständlich wird. Die Eingeborenen treiben 
Seelenkult; selten kommt Grabschändung vor. 
Echte „Gombe“-Völker sind nun weiter die Bangala 
und Bapoto an den Ufern des Kongo; die Baloi und 
Bondjo längs des Ubangi auf der zwischen dem Kongo 
und dem Ubangi gebildeten Halbinsel. Ich kann indessen 
die nähere Beschreibung dieser Völker, unter denen die 
Bangala durch ihre Stirntättowierungen besonders auf 
fallen, hier übergehen, da nähere Details als allgemein 
bekannt vorausgesetzt werden können. 
Die Völker des Aruwimigebietes umfassen die kriege 
rischen Bazokos, welche die Westgrenze jenes Völker 
gemisches bilden, welches im Osten durch die durch 
unseren Schweinfurth näher bekannt gewordenen Mon- 
buttu oder Mangbattu bezeichnet wird. Auch deren 
Beschreibung kann ich hier übergehen. 
4. Die Nordregion. Diese Region ist sehr be 
völkert und hat ihre Westgrenze beim Zusammenflufs 
des Uelle und Mbomu, ihre Ostgrenze bei den Fällen 
des Uelle bei Zongo. Nach G. Marinel ist das ganze 
Gebiet des Hochubangi von der sogen. Bongorasse 
bevölkert. Diese , sowie die B u b u des französischen 
Kongoterritoriums, kennen den Gebrauch des Lippen- 
Pelele, welches bekanntlich auch bei den Bongo des Nil, 
den Mittu, den Nuba und anderen nördlich wohnenden 
Stämmen in Gebrauch ist. Die an den Ufern des Flusses 
wohnenden Eingeborenen werden Wate (Wasserleute),
	        
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