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Full Text: Globus, 72.1897

A. Lorenzen: Die Verschiebungen der Strandlinie an der Westküste Finnlands. 
Bücherschau. 161 
Die Verschiebungen der Strandlinie an der Westküste 
Finnlands. 
Von A. Lorenzen. 
Einen interessanten Beitrag zur Frage der Kunde von 
der Verschiebung der Strandlinie an der westlichen Küste 
Finnlands liefert Hofrat Walilroos in Fennia, Bd. 12 (Hel- 
singfors, 1896). Er vergleicht nämlich die bei der grofsen 
Aufteilung (Storskifte) in der letzten Hälfte des 18. Jahr 
hunderts aufgenommenen. Aufteilungskarten mit den gegen 
wärtigen und zeigt auf der beigefügten Karte die recht 
erheblichen Abweichungen, welche die Konturen der Strand 
linien nördlich von Björneborg aufzuweisen haben. — Bei 
der Storskifte wurde eine Zusammenlegung von zerstreuten 
kleineren Losen der Eigentümer zu gröfseren Parzellen be 
zweckt. Da hiermit ein Austausch verbunden war, so er 
heischte dieses Verfahren eine Kartierung der Besitzungen. 
Als aber das Meer stetig, wenn auch in geringem Mafse, 
zurücktrat, entstanden überall Landbildungen, Anlandungen 
genannt, die jedoch nicht überall den gleichen Wert hatten; 
denn während eine trocken gelegte flache Einbuchtung viel 
leicht eine gute Wiese von bedeutendem Areal lieferte, erhielt 
der Nachbar vielleicht einen steinichten Acker von geringem 
Wert, oder infolge des steil abfallenden Ufers war dessen 
Landgewinn unbedeutend. So veranlafste die Verschiebung 
der Strandlinie neue Aufteilungen der Anlandungen, durch 
welche die Anlandungen unter die Dorfgenossen nach ihrem 
Besitz Verhältnis aufgeteilt wurden. Diese Verteilungen der 
Anlandungen sind zur Hauptsache in den letzten Jahrzehnten 
vorgenommen worden. Bei ihrer Ausführung wurden zu 
nächst die Strandlandschaften und die Inseln in ihrem gegen 
wärtigen Zustande kartiert und in die so erhaltenen Karten 
die alten Strandlinien eingetragen, so dafs der Zwischenraum 
zwischen beiden Strandlinien die neuen Landbildungen während 
der Zeit zwischen der grofsen Aufteilung und der Aufteilung 
der Anlandungen zeigte. — Dabei ergab sich, dafs die Land 
bildungen nur zu einem gewissen Teile auf die 'eigentliche 
Hebung des Landes zurückzuführen sind , wie z. B. bei der 
im offenen Meere liegenden Inselgruppe Ouran oder bei 
Köörtila im Kirchspiel Merikarvia. In Köörtila umfafste die. 
Zeit zwischen den beiden Aufteilungen genau ein Jahrhundert 
(1784 bis 1883); hier ist das Areal der Insel Hevoskari auf 
das dreifache gewachsen, und diese Vergröfserung wird noch 
weiter anhalten; denn schon jetzt stöfst jedes Boot in dem 
schmalen Gewässer nach dem Strande zu auf den Grund, und 
selbst in der breiten Bucht zwischen Hewoskari und Salto 
beträgt die Tiefe kaum irgendwo 2 m; auch in den inneren 
Scheren sind viele flache Buchten und Sunde verschwunden, 
so dafs viele Inseln teils mit dem Festlande, teils unter sich 
verbunden sind, so Salto mit Pooskäri, und der Sund nördlich 
von Hewoskari zwischen Pooskäri und dem festen Lande ist 
bei niedrigem Wasserstande fast ganz trocken.. Einige der 
gröfseren Buchten stehen nur noch durch schmale flache 
Sunde mit dem Meere in Verbindung, so dafs sie fast in 
Binnenseen verwandelt sind, von denen aus die Fischer, 
welche ihre früheren Landungsplätze beibehalten haben, diese 
fast nur durch gegrabene Kanäle, wie im Sunde zwischen Sout- 
skäri und Munkholm, erreichen können. Bei Ouran ist eine 
Menge kleinerer Inseln zum Vorschein gekommen. 
Die gröfsten Veränderungen werden jedoch da hervor 
gerufen , wo Flüsse oder Bäche in das Meer münden und 
durch Ablagerung des mitgeführten Schlammes die Erhöhung 
des Meeresbodens auch von oben beschleunigen. Die Menge 
des herabgeführten Schlammes ist jedoch nicht so sehr von 
der abfliefsenden Wassermenge oder von der Länge des 
Wasserlaufes, als vielmehr von der Beschaffenheit der Um 
gebungen des Wasserlaufes und der relativen Erhebung der 
Umgebung über denselben abhängig. Diese Verhältnisse 
schildert Wahlroos eingehend an den drei Auen Merikar- 
vianjoki, Lampinjoki und Noormarkunjoki, welche nördlich 
von Björneborg münden und mehrfach durch Bifurkationen 
miteinander in Verbindung stehen. Von diesen bildet Merikar- 
vianjoki kein nennenswertes Delta, weil die Zusammensetzung 
seines Strandgebietes der Bildung von Erosionsprodukten 
nicht günstig ist und die wenigen mitgeführten öfters Zeit 
und Gelegenheit zur Ablagerung in den durchflossenen Seen 
haben. Lampinjoki überschwemmt infolge seiner geringen 
Wassermenge nur selten seine Ufer, obwohl diese nicht hoch 
sind, so dafs die ihm zugefübrten Schlammprodukte keine 
Gelegenheit haben, sich unterwegs niederzuschlagen. Trotz 
dem findet sich auch hier kein nennenswertes Delta; aber 
der Keikvesi, in den der Lampinjoki mündet, ist schon durch 
den mitgeführten Schlamm auf weite Strecken derart abge 
flacht, dafs die Strandverschiebung in nächster Zeit auch 
hier bedeutend werden dürfte, wofür auch die starke Be 
wachsung mit Rohr und anderen Wasserpflanzen Zeugnis ab 
legt. — Weitaus die beträchtlichsten Strandverschiebungen 
infolge von Ablagerung mitgeführten Schlammes ruft der 
Noormarkunjoki hervor (innerhalb der Gemeinde Ahlais Ala- 
kyla oder Hvittisbofjärd allein 667 065 ha von 1784 bis 1894). 
Diese gewaltigen Ablagerungen finden darin ihre Erklärung, 
dafs das Bett des Noormarkunjoki auf weite Strecken von 
hohen Ufern, aus Ackerland bestehend, begrenzt wird, so 
dafs dem Flusse bedeutende Mengen von Erosionsprodukten 
zugeführt werden. Da aber dem Laufe des Flusses keine 
wesentliche Hemmnisse bereitet werden (selbst in dem kleinen 
See Nättäläjävi ist die Strömung so stark, dafs fast kein Ab 
satz stattfinden kann), werden alle Erosionsprodukte der 
Mündung zugeführt. Dieselbe ist jedoch durch eine Menge 
kleinerer Inseln vom Meere abgesperrt, mit dem sie nur 
durch einige schmale Sunde in Vex-bindung steht, und alle 
diese günstigen Umstände haben bewirkt, dafs hier ein Delta 
sich bildete, welches zu der Wassermasse des Flusses in gar 
keinem Verhältnis steht. Ist aber erst der ganze Einschnitt 
zugeschüttet, so werden die Anlandungen hier bei weitem 
nicht den Umfang erreichen, wie im gegenwärtigen Jahr 
hundert; denn das Meer erreicht vor den Inseln Sandö, Fiskö 
und Gislö eine beträchtliche Tiefe. 
Die Strandverschiebungen am offenen Meere werden 
endlich zum Teil auf die Einwirkung des Wellenschlages 
zurückgeführt. Zur Begründung dieser Auffassung zieht Ver- 
fasser die Wirkung des Stux'mes hex’an, welcher am 23. Ok 
tober 1873 die Gegend von Bjöx-nebox-g heimsuchte. Die Wind- 
i’ichtung war wie bei allen heftigeren Stürmen aus Südwesten. 
Die Insel Rafsö ist dem Wellenschläge aus dieser Richtung 
ohne jeden Schutz ausgesetzt, so dafs die Kraft der Wellen 
hier nicht gebrochen wird. Während des Sturmes stieg das 
Wasser schnell etwa 2 m über gewöhxxlichen Wasserstand; 
aber die Welleix schlugen weit höher hinauf und bildeten, 
indem sie das abgerundete Geröll, welches im südlichen Teile 
der Insel frei von Sand und Kies ist, auf dieser Strecke einen 
neuen konkox'danten Absatz, der noch vor etwa 10 Jahren deut 
lich wahrgenommen wex-den konnte, weil die hinaufgeworfenen 
Steine frisch hellgelb waren, während diejenigen, die von den 
Wogen unbei’ühi't geblieben waren, von den ihnen anhaf 
tenden Flechten grau gefärbt wax-en. Vei-allgemeinernd führt 
Wahlroos die im Innern des Landes an den Abhängen der 
Aaser auftretenden, konkordant verlaufenden Stufenabsätze 
auf die Einwix-kung des Wellenschlages wäln-end der orkan 
artigen Stürme zurück. Derselben Ursache schreibt er auch 
die beträchtlichen Strandvex-schiebungen zu, welche nach einer 
von Olaf Möx-t im Jahx-e 1689 entwoi-fenen Kai-te am süd 
westlichen Ufer von Ytterö stattgefunden haben müssen. 
Büchersclxau. 
Dr. Emil Wisotzki: Zeitströmungexx in der Geogra 
phie. Leipzig, Verlag von Duncker und Humblot, 1897. 
Das vorliegende Buch enthält, was nach dem Titel viel 
leicht nicht jeder sofort vermuten wird, Beiträge zur Ge 
schichte der geographischen Lehren und Meinungen, voi'züg- 
lich für die Neuzeit bis zu den Tagen Kax-1 Ritters. Und 
zwar handelt es sich dabei überall um Dinge, die über das 
Gebiet der Fachwissenschaft hinaus ein allgemeines kultur 
geschichtliches Interesse besitzen, weil sich in ihnen das 
ganze geistige Leben der Zeit widerspiegelt. So läfst das erste 
Kapitel, das die Anschauungen über die Quellen behandelt, 
die allmähliche Verdrängung des Autoritätsglaubens, der 
blindlings den kirchlichen und klassischen Schriftstellern 
vertraut, dux-ch den Geist der Kx-itik, der Beobachtung und 
Berechnung erkennen. Die folgenden Abhandlungen geben 
ein Bild von dem inneren Wesen und Gehalt der Geographie 
während der letzten Jahx-hunderte: die Aufklärung erblickt 
in ihr nur teils ein dienendes Hülfsmittel für die Befriedigung 
geschichtlicher und politischer Interessen, teils ein Untex-- 
haltungsmittel für die müfsige Neugiex-. Die Lehrbücher der 
Geographie waren demgemäfs vorwiegend Kuriositätensamm 
lungen und politisch - statistische Tabellen. Wenn die phy 
sische Seite der Geographie fast gar nicht zur Geltung kam, 
so lag das freilich zum Teil mit an den herrschenden An
	        
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