188
Die Reise des Prinzen Heinrich von Orléans von Tonking nach Vorderindien.
des Nierba stiefs bei dieser anarchistischen Bevölkerung
auf die gröfsten Schwierigkeiten; er brauchte oft einen
ganzen Tag und mehr, um fünf oder sechs der weit ver-
durchsetzen konnten. Nur der Nierba, der um die
Freundschaft der Franzosen mit seinem Fürsten wufste,
liefs sich endlich herbei, ihren Forderungen einigermafsen
Eig. 19. Ein Haus der westlichen Kiutse.
streuten Gehöfte zu bereisen. Nicht minder Zeitverlust
und Mühe hatten aber die Fremden, da hier kein Häupt
ling, keine Person von Einflufs oder Verantwortlichkeit
aufzutreiben war, mit deren Hülfe sie ihre Wünsche
Gehör und Gewähr zu verschaffen. So konnte die Ex
pedition am 13. Oktober die Passage über denKiu-Kiang
ins Werk setzen. Der Flufs hatte als echter Sohn der
Gletscherberge ein grünlichblaues, kühles Wasser, das
bei kaum 1300 m Seehöhe nicht mehr
als 12 bis 13 Wärmegrade nach der
Celsiusskala zeigte. Bei gleicher geo
graphischer Breite, aber bei 1550 m
Seehöhe, hatte der Saluin schon 15
bis 16 Centigrade gehabt, und die
Temperatur des Mekong zählte in der
Regel noch 2 bis 3° darüber. Zudem
war der Kiu-Kiang an der Passage
nur 60 m breit und 2 bis 3 m tief.
Aus diesen augenfälligen Unterschie
den ging zur Genüge hervor, dafs
sich die Quelle dieses Flusses ziemlich
in der Nähe befinden müsse, nach
Aussage der Eingeborenen etwa 100
bis 110 km nach Norden auf einem
Berge südwestlich der Lamaserie
Menkong.
Für die Weiterreise stand der
Expedition vorläufig kein anderer Weg
frei, als am rechten Ufer des Turong,
allerdings mehr ein Kletterpfad für
Affen als für Menschen. Auf Schritt
und Tritt sah man sich bald durch
riesige Felsblöcke, bald durch gäh-
Eig. 17. Ein Haus in Kampti.