Dr. A. Baefsler: Tahitische Legenden.
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angefertigt, und zwar nach einer Überlieferung, deren
Anschauung der ausdrücklichen Angabe des Verfassers
zufolge 50 Jahre zurückliegt und mithin nicht anders
als verblafst und abgestumpft sein kann. Aber auch
wenn sie nach der genauesten Beschreibung gefertigt
wären, ist es kaum möglich, ohne den Anhalt einer
Zeichnung eine brauchbare Grundlage für eine derartige
Nachbildung zu gewinnen. Wie viel mithin bei diesen
Figuren der Wirklichkeit, wie viel der nachhelfenden
Phantasie des Bildners angehört, mufs dahingestellt
bleiben.
Dafs dem Ganzen jedoch eine sichere Überlieferung
zu Grunde liegt, ist nicht zu bezweifeln. Besonders die
Bemerkung, dafs die Hausgötter genau die Gewandung
des bezüglichen Stammes trugen, ist hierfür bedeut
sam 3 ).
Von den alten Tschechen bezeugt Kosmas, dafs sie
Hausgötter (penates) verehrten, die ihr Vorfahr „Tschech“
3 ) Die Namen ded, did, dziad, deduska für den Schutzgott
des Hauses sind so ziemlich über alle slavischen Stämme
verbreitet, mit Ausnahme der Südslaven. Am bekanntesten
ist der russische deduska domovoj, auch schlechthin domovoj,
der auch wohl den Namen chozjain („Hausherr, Hauswirt“)
auf seinen Schultern nach ihrer neuen Heimat hinüber
trug. (Font. rer. boh. I, 5.) Dasselbe bezeugt Dalimil,
wobei er des Kosmas „penates“ mit dem Worte „dedky“
verdolmetscht; er sagt wörtlich: „Er hub sich (Tschech)
mit allem aus dem Lande, dessen Name Kroatien (Weifs
kroatien , d. V.) war, und schlug sich von Wald zu
Wald, indem er seine Ahndein auf der Schulter trug.“
Mit der russischen Benennung „chozjain“ hängt der
tschechische hospodäricek zusammen, der Geld, Efswaren
bringt, Schaden anzeigt, der dem Hauswirt eben zustöfst
und dergleichen. Einen hospodäricek kann man sich
aus der Zaunrübe (Bryonia dioica) anfertigen, aber auf
welche Weise, ist nicht bekannt. Bis zu sieben Jahren
kann sich jeder von ihm befreien, hernach gar nicht
mehr; nach dem Tode nimmt sich der hospodäricek die
Seele seines Herrn. (Sobotka, Rostlinstvo o nar. podani
slovansk., Prag 1878.) Die Anfertigung aus der Zaun
rübe zeigt Zusammenhang des hospodäricek mit den
deutschen Abraunen.
führt, gleich dem hospodäricek. Die Erinnerung an den
tschechischen Hausgeist ist schon sehr verblafst, wie aus den
dürftigen Nachrichten bei Machal (S. 98), die ich Anmerkung 2
wiedergab, hervorgeht.
Tahitische Legenden.
Gesammelt von Dr. A. Baefsler. (Papeete, Juni 1897.)
Teva.
Den ersten Rang unter den Arii, den Edlen von
Tahiti, beanspruchen die von Vaiari, als ältestes Ge
schlecht der Insel. Ihnen zunächst standen die Arii
von Punaauia, nachdem Te manutunuu sich mit
Hototu, einer Arii von Vaiari, verheiratet und eine
Reise nach den Paumotuinseln unternommen hatte,
um für seinen Sohn Terii te moanarau die wertvolle
rote Feder zu holen, die als Gürtel getragen dem Be
sitzer das höchste Ansehen verliehen. Während seiner
Abwesenheit erhielt sein Ehegemahl einen eigentüm
lichen Besuch. Ein Wesen, halb Mensch halb Fisch,
kam vom Ocean her, schwamm über das Riff in den
Vaihiriaflufs, stieg an Land und führte sich als
Vari mataauhoe ein. Tahitische Sitte verlangte, dafs
jeder angesehene Gast in Abwesenheit des Arii von
der Frau desselben empfangen wurde. Hototu nahm
deshalb den Halbgott auf das freundlichste auf und
Beide lebten eine Zeitlang glücklich zusammen. Eines
Tages kam Hototus Hund ins Haus, sprang freudig an
seiner Herrin empor und leckte ihr das Gesicht. Als
Vari mataauhoe dies sah, ging er mit sich zu Rate, und
nachdem er die Sache lange hin und her erwogen, kam
er zu dem Schlufs, dafs das Vergehen ein so schweres
sei, dafs er Hototu verlassen müsse. „Du bist deinem
Manne untreu gewesen mit mir, du könntest mir untreu
werden mit dem Hunde“, sagte er zu ihr, schritt zum
Flufs, nahm seine Fischgestalt wieder an und schwamm
von dannen. Unterwegs traf er den zurückkehrenden
Te manutunuu; als dieser von seinem Besuch hörte, bat
er ihn, wieder mit zurück zu kommen. Der Fischgott
lehnte aber die Einladung mit der Bemerkung ab, dafs
Hototu die Hunde zu sehr liebe. Nach Vari mataauhoes
Weggang gebar ihm Hototu einen Sohn Teva, der
der Stammvater eines der mächtigsten Geschlechter auf
Tahiti wurde.
Oro.
Schöne Mädchen haben auf den Gesellschaftsinseln
stets grofses Interesse erregt; bei Festlichkeiten schwam
men sie in der Brandung, um sich bewundern zu lassen;
vor ihren Häusern erbauten ihnen ihre Väter Paepae,
Steinterrassen, damit sie darauf sitzend von den Vorüber
gehenden gesehen werden konnten, die stehen bleibend
laut ihre Vorzüge priesen. Eine solche Schönheit war
die Tochter von Panee, eines Freundes von Tiaau,
des Vaters von Oro, Arii der Teva von Papara. Ihr
Ruf drang bis zu den Ohren des Nachbarhäuptlings
Hurimaavehi, Arii von Mataeia und Vaiari, der
für schöne Mädchen schwärmte und nicht zögerte, Panees
Tochter aus ihrem väterlichen Hause zu entführen. Da
der Vater trotz eifrigen Suchens sein Kind nicht finden
konnte, so setzte er sich an die Landstrafse, um die
Vorübergehenden auszufragen.
Eines Tages kamen zwei Leute von Vaiari, an die
er im Laufe des Gespräches die Frage richtete: „Was
für neue Schönheiten habt ihr in Vaiari?“
„Sprich du von Schönheiten“, antworteten sie ihm,
„die Schönste der Schönen ist kürzlich dorthin ge
kommen und gehört Hurimaavehi.“
„Wird sie gut behandelt?“
„Nein, er hat sie jetzt seinen Dienern überwiesen
und den Hunden und Schweinen und den Fischen im
Meer.“
Wutentbrannt eilte Panee, der in Hurimaavehis
Schönen seine Tochter erkannt hatte, nach Mataeia,
stürzte sich auf jeden, dem er begegnete, tötete fünf
Männer und sandte die beiden Leute von Vaiari mit
einer Botschaft an ihren Häuptling, die einer Kriegs
erklärung gleichkam. Dann eilte er zu seinem Freund
Tiaau und setzte ihn von dem Geschehenen in Kenntnis.
Beide suchten sogleich Oro auf, um ihn auf Hurimaa
vehis Ankunft vorzubereiten. Oro hatte sich gerade
schlafen gelegt, nachdem er vorher viel Kawa getrunken.
Nur ein bedeutender Kriegshäuptling hatte soviel Ge
walt über sich, dafs er mit eins den Kawarausch ab
schütteln und in den Kampf ziehen konnte. Was für
ein grofser Krieger Oro war, zeigen die Befehle, die er
sofort, nachdem man ihn geweckt, erteilte. „Erklettere
den höchsten Kokosnufsbaum und halte Wache“, rief