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Full Text: Globus, 72.1897

Gottlob Adolf Krause: Beiträge zum Märchen schätz der Afrikaner. 
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sie, er solle im Hause bleiben. Die Hausbewohner 
hatten vier entwöhnte Kinder daheim gelassen, welche 
spielten. 
„Wir wollen Mörserstampfen spielen“, sagte nach 
einiger Zeit Auta zu diesen Kindern. 
„Wie ist das“? fragten sie. 
„Ich steige in den Mörser hinein und ihr, ihr nehmt 
die Stampfen, um zu stampfen. Wenn ich sage, stampft 
nicht! dann unterlafst ihr es.“ 
„Es ist gut“, sagten sie. 
Und so thaten sie es. Er kam dann wieder aus dem 
Mörser heraus und sagte zu ihnen, dafs nun sie in den 
Mörser hineinsteigen sollten. Alle vier gingen hinein 
und er nahm einen Stampfen. Als sie aber sagten, 
stampfe nicht, hörte er nicht darauf, sondern zerstampfte 
sie. Dann nahm er jeden heraus und brachte ihn vor 
die Thür der Hütte seiner 1S ) Mutter und legte ihn 
da hin. 
Als die Zeit des Azuhurgebetes iy ) herangekommen 
war, wurde die Schwester auf dem Felde unruhig, sie 
dachte an das Haus und sagte zu den Leuten, dafs sie 
im Hause nachsehen wolle, wie es stehe. Sie kam und sah, 
was Auta gethan hatte. 
„Auta“, sagte sie zu ihm, „das hast du gethan!“ 
„Ja“, antwortete er. 
„Wohlan“, sagte sie, „fliehen wir!“ 
Sie verliefsen die Stadt und marschierten weiter. 
Die Leute vom Hause blieben auf dem Felde, bis die 
Sonne sich tief geneigt hatte. Als sie endlich nach 
Hause kamen, sahen sie, was geschehen war. Sie machten 
dem Könige Anzeige und sofort wurde das Horn ge 
blasen: „Macht euch fertig, Reiter! macht euch fertig, 
Reiter! “ 
Der König stieg selbst zu Pferde und die Verfolgung 
der Flüchtigen wurde aufgenommen. Als diese von der 
Nacht überfallen wurden, sahen sie einen grofsen Tama 
rindenbaum. „Steigen wir hinauf!“ sagte sie. Sie 
stiegen hinauf. 
Etwas später kam auch der König mit seinen Leuten 
zu diesem Baume. „Es wird Nacht“, sagte er, „schlafen 
wir hier!“ Schnell wurde der Platz am Fufse des 
Baumes gereinigt, das Königsbett hingestellt und die 
Sachen 2ü ) ausgebreitet und er stieg ab. 
Währenddessen waren die Geschwister oben auf dem 
Baume, sie wurden aber nicht gesehen. Nach kurzer 
Zeit sagte Auta „ihing“. 
„Was denn!“ sagte sie mit gedämpfter Stimme 18 19 20 21 ). 
„Ich will den da mit dem grofsen weifsen Turban 22 ) 
am Kopf schmutzig machen 23 ).“ 
„Weifst du denn nicht“, sagte sie, „dafs wir es sind, 
die sie suchen, um uns zu töten.“ 
„Und weifst du denn nicht“, erwiderteer, und dann 
sagte er, was er immer zu sagen pflegte. 
„Es ist gut“, sagte sie. 
Darauf beschmutzte er den Kopf des Königs. 
„Oho!“ rief man unten, „was ist denn das. Ist das 
ein Vogel oder was?“ 
Sofort hiefs es, auf den Baum gestiegen! Als man 
sich anschickte, hinaufzusteigen, kam plötzlich ein Gagafa- 
18 ) Jede Frau eines Mannes, der mehr als eine Flau be 
sitzt, hat eine besondere Wohnhütte für sich. 
19 ) In Haussa gegen zwei Uhr nachmittags. 
20 ) Tabirma Matte, busu Schaffell und alkilla Tuch. # 
21 ) Wörtlich „aber sie tötete die Stimme, bevor sie sprach . 
22 ) Amawali. 
23 ) Das Original drückt sich etwas anders aus. Man 
weifs, Volksmärchen nehmen kein Blatt vor den Mund, auch 
bei uns nicht. 
vogel 24 ) herbeigeflogen und sagte: „Wenn du dem 
Menschen Tag machst, so wird er dir dafür nur Nacht 
machen.“ Das Mädchen sagte: „Oh nein! So etwas 
giebt es nicht.“ Da nahm er sie und flog mit ihnen 
hoch in die Lüfte und dann schwebte er wieder tief 
nieder bis fast zur Erde. 
Während sie so auf und nieder flogen, sagte Auta 
„Ihing“. Sie fragte ihn, was er wolle, und er sagte, 
was er immer zu sagen pflegte. Er sagte, er wolle den 
Vogel unter den Schwanz 25 ) stechen. Sie sagte, es ist 
gut. Jetzt stach er, zog aber die Hand schnell wieder 
zurück. Da warf sie der Vogel auf ein hartes, unfrucht 
bares Feld, wo sie in Ohnmacht fielen. 
Als sie aus der Ohnmacht erwachten, standen sie auf. 
„Auta“, sagte sie, „siehst du, was du uns gethan 
hast?“ 
„Weifst du denn nicht“, erwiderte er, „das ist etwas 
sehr Schönes, was ich gethan habe.“ 
Nun marschierten sie bis zur Zeit des zweiten Nach 
mittagsgebetes 2G ), denn der Vogel hatte sie am frühen 
Vormittage herabgeworfen. Als die Gebetszeit heran 
gekommen war, erreichten sie eine grofse Stadt und 
stiegen im Hause einer alten Frau ab. Als die Sonne 
untergegangen war, kam diese zu ihnen. 
„Wirklich, es bleibt nichts übrig“, sagte sie zu ihnen, 
„ihr müfst in den Getreidespeicher hinein gehen.“ 
„Wie so?“ fragten sie. 
„Wifst ihr denn nicht, dafs in dieser Stadt wegen 
Furcht vor Dodo 27 ) alle in den Getreidespeichern 
schlafen ?“ 
„Giebt es einen Dodo in eurer Stadt?“ fragte der 
Knabe. 
„Und einen grofsen dazu“, erwiderte sie. 
„Was mich betrifft“, sagte der Knabe, „so werde ich 
in der Eingangshütte schlafen.“ 
Dann zündete er Feuer an, suchte sich zwölf kleine 
Kieselsteine 2S ) und legte sie in das Feuer, bis sie rot 
wurden. 
Während des ersten Schlafes der Menschen kam Dodo 
plötzlich vor das Thor der Stadt und sang : 
„Wer ist wie ich in dieser Stadt hier, 
Wer wie ich, ich Dodo.“ 
Auta erwiderte: 
„Ich bin wie du in dieser Stadt hier, 
Ich wie du, ich Auta, 
Ja ich bin mehr als du.“ 
Wenn Dodo früher sang, erhielt er keine Antwort. 
Nun sang er noch einmal und Auta antwortete ihm; 
dreimal nacheinander. Da wurde Dodo zornig und 
ging in die Stadt hinein, aber er konnte nicht ausfindig 
machen, aus welchem Hause ihm geantwortet worden 
24 ) In Sokoto heifst er gaba; gagafa ist eine reduplizierte 
Form von gafa. Im Haussa sind, wie im Keltischen und 
manchen anderen Sprachen, nicht wenige Vogelnamen Wört- 
reduplikationen. Gagafa scheint ein Adler zu sein, sie ist 
gröfser als der Aasgeier, kommt den Städten nicht zu nahe 
und ist grau von Farbe, nur Unterleib und Schwanz sind 
braun oder rot. Haliaetos vocifer Daud? 
i0 ) Auch hier ist das Original nicht wortgetreu wieder 
gegeben. 
26 ) Laasar, in Haussa gegen vier Uhr nachmittags. 
2 ') Dodo ist ein fabelhaftes Tier, vierfiifsig, mit grofsem 
Kopfe, gröfser als eine Kuh, und mit sehr roten Augen, die 
wie die untergehende Sonne leuchten. Er frifst Menschen. 
Kinder macht man sich fürchten, indem man mit Dodo droht. 
2il ) Makodai, Singular makodi, wörtlich Schärfer oder 
Scharfmacher. Kleine, weifse, harte Steine, mit denen die 
Mahlsteine zackig, d. i. scharf, gemacht werden. Dieses 
Scharfmachen heifst kuda; eine Frau, welche die langwierige 
Arbeit für Lohn ausführt, heifst makodija. Es ist nicht sicher, 
ob es Kieselsteine sind.
	        
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