Gottlob Adolf Krause: Beiträge zum Märchen schätz der Afrikaner.
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sie, er solle im Hause bleiben. Die Hausbewohner
hatten vier entwöhnte Kinder daheim gelassen, welche
spielten.
„Wir wollen Mörserstampfen spielen“, sagte nach
einiger Zeit Auta zu diesen Kindern.
„Wie ist das“? fragten sie.
„Ich steige in den Mörser hinein und ihr, ihr nehmt
die Stampfen, um zu stampfen. Wenn ich sage, stampft
nicht! dann unterlafst ihr es.“
„Es ist gut“, sagten sie.
Und so thaten sie es. Er kam dann wieder aus dem
Mörser heraus und sagte zu ihnen, dafs nun sie in den
Mörser hineinsteigen sollten. Alle vier gingen hinein
und er nahm einen Stampfen. Als sie aber sagten,
stampfe nicht, hörte er nicht darauf, sondern zerstampfte
sie. Dann nahm er jeden heraus und brachte ihn vor
die Thür der Hütte seiner 1S ) Mutter und legte ihn
da hin.
Als die Zeit des Azuhurgebetes iy ) herangekommen
war, wurde die Schwester auf dem Felde unruhig, sie
dachte an das Haus und sagte zu den Leuten, dafs sie
im Hause nachsehen wolle, wie es stehe. Sie kam und sah,
was Auta gethan hatte.
„Auta“, sagte sie zu ihm, „das hast du gethan!“
„Ja“, antwortete er.
„Wohlan“, sagte sie, „fliehen wir!“
Sie verliefsen die Stadt und marschierten weiter.
Die Leute vom Hause blieben auf dem Felde, bis die
Sonne sich tief geneigt hatte. Als sie endlich nach
Hause kamen, sahen sie, was geschehen war. Sie machten
dem Könige Anzeige und sofort wurde das Horn ge
blasen: „Macht euch fertig, Reiter! macht euch fertig,
Reiter! “
Der König stieg selbst zu Pferde und die Verfolgung
der Flüchtigen wurde aufgenommen. Als diese von der
Nacht überfallen wurden, sahen sie einen grofsen Tama
rindenbaum. „Steigen wir hinauf!“ sagte sie. Sie
stiegen hinauf.
Etwas später kam auch der König mit seinen Leuten
zu diesem Baume. „Es wird Nacht“, sagte er, „schlafen
wir hier!“ Schnell wurde der Platz am Fufse des
Baumes gereinigt, das Königsbett hingestellt und die
Sachen 2ü ) ausgebreitet und er stieg ab.
Währenddessen waren die Geschwister oben auf dem
Baume, sie wurden aber nicht gesehen. Nach kurzer
Zeit sagte Auta „ihing“.
„Was denn!“ sagte sie mit gedämpfter Stimme 18 19 20 21 ).
„Ich will den da mit dem grofsen weifsen Turban 22 )
am Kopf schmutzig machen 23 ).“
„Weifst du denn nicht“, sagte sie, „dafs wir es sind,
die sie suchen, um uns zu töten.“
„Und weifst du denn nicht“, erwiderteer, und dann
sagte er, was er immer zu sagen pflegte.
„Es ist gut“, sagte sie.
Darauf beschmutzte er den Kopf des Königs.
„Oho!“ rief man unten, „was ist denn das. Ist das
ein Vogel oder was?“
Sofort hiefs es, auf den Baum gestiegen! Als man
sich anschickte, hinaufzusteigen, kam plötzlich ein Gagafa-
18 ) Jede Frau eines Mannes, der mehr als eine Flau be
sitzt, hat eine besondere Wohnhütte für sich.
19 ) In Haussa gegen zwei Uhr nachmittags.
20 ) Tabirma Matte, busu Schaffell und alkilla Tuch. #
21 ) Wörtlich „aber sie tötete die Stimme, bevor sie sprach .
22 ) Amawali.
23 ) Das Original drückt sich etwas anders aus. Man
weifs, Volksmärchen nehmen kein Blatt vor den Mund, auch
bei uns nicht.
vogel 24 ) herbeigeflogen und sagte: „Wenn du dem
Menschen Tag machst, so wird er dir dafür nur Nacht
machen.“ Das Mädchen sagte: „Oh nein! So etwas
giebt es nicht.“ Da nahm er sie und flog mit ihnen
hoch in die Lüfte und dann schwebte er wieder tief
nieder bis fast zur Erde.
Während sie so auf und nieder flogen, sagte Auta
„Ihing“. Sie fragte ihn, was er wolle, und er sagte,
was er immer zu sagen pflegte. Er sagte, er wolle den
Vogel unter den Schwanz 25 ) stechen. Sie sagte, es ist
gut. Jetzt stach er, zog aber die Hand schnell wieder
zurück. Da warf sie der Vogel auf ein hartes, unfrucht
bares Feld, wo sie in Ohnmacht fielen.
Als sie aus der Ohnmacht erwachten, standen sie auf.
„Auta“, sagte sie, „siehst du, was du uns gethan
hast?“
„Weifst du denn nicht“, erwiderte er, „das ist etwas
sehr Schönes, was ich gethan habe.“
Nun marschierten sie bis zur Zeit des zweiten Nach
mittagsgebetes 2G ), denn der Vogel hatte sie am frühen
Vormittage herabgeworfen. Als die Gebetszeit heran
gekommen war, erreichten sie eine grofse Stadt und
stiegen im Hause einer alten Frau ab. Als die Sonne
untergegangen war, kam diese zu ihnen.
„Wirklich, es bleibt nichts übrig“, sagte sie zu ihnen,
„ihr müfst in den Getreidespeicher hinein gehen.“
„Wie so?“ fragten sie.
„Wifst ihr denn nicht, dafs in dieser Stadt wegen
Furcht vor Dodo 27 ) alle in den Getreidespeichern
schlafen ?“
„Giebt es einen Dodo in eurer Stadt?“ fragte der
Knabe.
„Und einen grofsen dazu“, erwiderte sie.
„Was mich betrifft“, sagte der Knabe, „so werde ich
in der Eingangshütte schlafen.“
Dann zündete er Feuer an, suchte sich zwölf kleine
Kieselsteine 2S ) und legte sie in das Feuer, bis sie rot
wurden.
Während des ersten Schlafes der Menschen kam Dodo
plötzlich vor das Thor der Stadt und sang :
„Wer ist wie ich in dieser Stadt hier,
Wer wie ich, ich Dodo.“
Auta erwiderte:
„Ich bin wie du in dieser Stadt hier,
Ich wie du, ich Auta,
Ja ich bin mehr als du.“
Wenn Dodo früher sang, erhielt er keine Antwort.
Nun sang er noch einmal und Auta antwortete ihm;
dreimal nacheinander. Da wurde Dodo zornig und
ging in die Stadt hinein, aber er konnte nicht ausfindig
machen, aus welchem Hause ihm geantwortet worden
24 ) In Sokoto heifst er gaba; gagafa ist eine reduplizierte
Form von gafa. Im Haussa sind, wie im Keltischen und
manchen anderen Sprachen, nicht wenige Vogelnamen Wört-
reduplikationen. Gagafa scheint ein Adler zu sein, sie ist
gröfser als der Aasgeier, kommt den Städten nicht zu nahe
und ist grau von Farbe, nur Unterleib und Schwanz sind
braun oder rot. Haliaetos vocifer Daud?
i0 ) Auch hier ist das Original nicht wortgetreu wieder
gegeben.
26 ) Laasar, in Haussa gegen vier Uhr nachmittags.
2 ') Dodo ist ein fabelhaftes Tier, vierfiifsig, mit grofsem
Kopfe, gröfser als eine Kuh, und mit sehr roten Augen, die
wie die untergehende Sonne leuchten. Er frifst Menschen.
Kinder macht man sich fürchten, indem man mit Dodo droht.
2il ) Makodai, Singular makodi, wörtlich Schärfer oder
Scharfmacher. Kleine, weifse, harte Steine, mit denen die
Mahlsteine zackig, d. i. scharf, gemacht werden. Dieses
Scharfmachen heifst kuda; eine Frau, welche die langwierige
Arbeit für Lohn ausführt, heifst makodija. Es ist nicht sicher,
ob es Kieselsteine sind.