Skip to main content
Page Banner

Full Text: Globus, 72.1897

258 
Gottlob Adolf Krause: Beiträge zum Märebenschatz der Afrikaner. 
gemacht, dafs ihm die Hacke abhanden gekommen sei, 
aber die Spinne wufste das nicht. 
Nun schickten sich alle an, um sich hinzusetzen und 
auszuruhen. Nun nahm die Erdhacke die Spinne und 
beackerte den Wald bis zum Abend. Als sie alle nach 
Hause gegangen sind, haben sie die Spinne dagelassen. 
Nun ackert sie im Walde bis in die Nacht, bis sie sie 
nicht mehr gesehen haben, sie ist im Walde und ackert. 
Nun hat die Erdhacke die Spinne genommen und 
ging hierher zurück,' ackernd, bis es zu Ende war, und 
dann nahm sie sie wieder und ackerte, bis es zu Ende 
war. Das dauerte ein ganzes Jahr, sogar zwei Jahre, 
ja drei Jahre lang. 
Inzwischen hatte man der Jungfrau längst einen 
Mann gegeben und sie hatte schon geboren, und die 
Spinne ackerte immer noch im Walde! 
Nun wurde die Spinne hungrig, sie war ganz ein 
getrocknet und an der Hacke festgeklebt. Als die 
Hacke den ganzen Wald beackert hatte, ging sie nach 
Hause und beackerte den Hof. Man sah nach ihr hin 
und wunderte sich. Nun beackerte sie die Gosse, und 
nun glitt die Hacke aus. Da sagte das Chamäleon: 
Nein, so ist es. Nun liefs beim Ausgleiten die Hacke 
die Spinne los und diese lief davon und trat in die 
Gosse hinein und dann in die Hütte und schmiegte sich 
an die Rücken 42 ) der Töpfe an, und bis heute klebt sie 
da. Früher war sie ein starker, kräftiger Kerl. Und 
das hat sie einer Frau wegen gethan! 
IV. Eine Geschichte der Sarina. 
Der Wahrheitsmensch und der Lügenmensch. 
Zwei Menschen, die in der Welt herumreisten, trafen 
sich auf der Strafse und beschlossen, ihre Reise gemein 
sam fortzusetzen. Sie kamen überein, dafs an einem 
Tage der Eine, am anderen der Andere für die Beschaf 
fung der Nahrung zu sorgen habe. Von diesen beiden 
Menschen aber liebte der eine die Wahrheit über Alles, 
er log nie, sondern sagte den Leuten immer die Wahr 
heit. Der andere dagegen nahm es mit seinem Worte 
nicht genau, sondern sagte, was ihm Nutzen bringen 
oder den Leuten angenehm sein konnte. 
Am Ende des ersten Tagemarsches kamen sie in das 
Nachtquartier. Der Lügenmensch sagte nichts, aber der 
Wahrheitsmensch sprach viel mit seinem Gastwirte und 
dessen Leuten. Er tadelte den Hausherrn, dafs die 
den beiden Fremden angewiesene Hütte nicht rein ge 
halten sei, er tadelte ihn, dafs diese Fremden nicht mit 
mehr Freundlichkeit aufgenommen worden seien und er 
setzte an allem und jedem, das ihm nicht gefiel, etwas 
aus. Das verdrofs den Hausherrn und seine Leute. 
Die Sonne war untergegangen, es war finster ge 
worden und die Fremden hörten in ihrer Hütte, dafs 
der Haiisherr und die Seinen ihr Abendmahl verzehrten, 
und erwarteten nun, dafs auch sie das ihre erhalten 
würden. Sie warteten aber vergebens, nichts wurde 
ihnen gebracht und sie mufsten hungrig schlafen gehen. 
Am anderen Morgen setzten sie die Reise fort. 
„Heute lafs nur mich sorgen“, sagte der Lügenmensch, 
„und du wirst sehen, dafs wir nicht wieder hungrig 
schlafen gehen werden.“ Als sie im Nachtquartier an 
gekommen waren, ging der Lügenmensch sofort zum 
4 ‘ 2 ) In Dagbong (für Dagban - gu, Land der Dagbam - ba) 
setzen die Frauen ihren Stolz darein, viele Töpfe zu besitzen, 
die in den Hütten einer über dem anderen aufgestapelt sind, 
die aber nur als Zeichen der Wohlhabenheit betrachtet und 
nicht in Gebrauch genommen werden. An diesen Töpfen 
lebt mit Vorliebe eine Spinne mit ganz flachem Leibe, welche 
den Gegenstand des vorstehenden Märchens bildet. 
Könige, um ihn zu begrüfsen. Er rühmte sich, dafs er 
ein sehr berühmter Mann sei, und dafs er ausführen 
könne, was noch keiner von ihnen gesehen habe. Er 
bat den König, sofort das Volk zu versammeln, damit 
er ihm mitteilen könne, was er alles zu thun im stände 
sei. Als das Volk versammelt war, hielt der Lügen 
mensch eine Rede. Der Stadt sei eine Ehre widerfahren, 
dafs er in ihr abgestiegen sei. Der grofse König in der 
und der Stadt habe ihn eingeladen, zu ihm zu kommen, 
damit er, der berühmte Mann, den König und seine 
Leute durch seine Wunderthaten von Krankheit und 
allem Übel befreie. Er könne nicht nur alle Kranken 
gesund machen, sondern auch die Gestorbenen wieder 
lebendig machen. Heute aber sei es schon zu spät und 
er sei ermüdet von der Reise, sie sollten sich daher 
morgen früh wieder versammeln, wo er die Toten wieder 
lebendig machen würde, die im vorigen Jahre gestorben 
seien. Dann löste sich die Versammlung auf. 
Kaum war er in seiner Wohnung wieder angelangt, 
als ihm der König einen geheimen Boten schickte, er 
möge die anderen Verstorbenen wieder lebendig machen, 
aber nicht seinen Vorgänger, der vor kurzem gestorben, 
denn wenn dieser wiederkäme, dann würde er die 
Herrschaft verlieren. Dann kam eine Frau, die ihren 
Mann verloren hatte, der sie beständig mifshandelt 
hatte und die erst gestern wieder geheiratet hatte, 
sie bat, die anderen Toten lebendig zu machen, aber 
nicht ihren Mann. Noch viele Andere kamen und wollten, 
dafs der Lügenmensch die Anderen, nur aus irgend 
einem Grunde gerade nicht die Ihrigen, wieder lebendig 
machen sollte. 
Als es Abend geworden war, schickte jeder, der seinen 
Toten im Grabe lassen wollte, grofse Schüsseln voll 
ausgezeichneter Speise zu den Fremden und Geld dazu. 
Als die beiden Reisenden allein waren, machte der Wahr 
heitsmensch dem Lügenmenschen Vorwürfe wegen seiner 
Lügen, da er doch keinen toten Menschen lebendig 
machen könne. Dieser lachte nur. „Gestern mufsten 
wir hungrig schlafen gehen, heute könnten wir die ganze 
Stadt sättigen mit den vielen Speisen, die wir nicht an 
rühren können.“ 
Mit grofser Spannung erwarteten die Leute den 
nächsten Tag. Als Alle versammelt waren, trat der 
Lügenmensch vor und sagte, dafs er zuerst den ver 
storbenen König wieder lebendig machen wolle, denn 
der König sei der Erste im Lande und ihm komme das 
Erste zu. Da erhob sich aber der regierende König. 
Der alte König habe lange regiert, alle Leute hätten 
ihn geliebt und gönnten ihm die Ruhe, der Verstorbene 
habe selbst gesagt, dafs er den Tod wünsche, er möge 
also den toten König im Grabe lassen und einen anderen 
Menschen wieder lebendig machen. „Ihr habt gehört, 
was der König gesagt hat“, so wandte sich der Lügen 
mensch an die Versammlung, „wenn der König spricht, 
so hat er immer Recht. Ich will den König im Grabe 
lassen und einen Anderen wieder lebendig machen.“ 
Dann wandte er sich an die Frau, die ihren Mann 
verloren hatte und wollte diesen wieder lebendig machen. 
Aber sie wollte das nicht zugeben. Dann wollte er 
Einen nach dem Anderen von denen lebendig machen, 
deren Hinterbliebenen ihn am vorigen Abende gebeten 
hatten, es nicht zu thun, aber in jedem einzelnen Falle 
fand er Widerspruch. „Ihr seht“, sagte er zuletzt, 
„dafs ich die Toten lebendig machen will, aber die 
Erben geben es nicht zu; lassen wir also die Toten im 
Grabe.“ 
Dann ging er nach Hause zurück und wurde reich 
beschenkt, ehe er mit seinem Genossen die Reise fort 
setzte.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.