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Gottlob Adolf Krause: Beiträge zum Märebenschatz der Afrikaner.
gemacht, dafs ihm die Hacke abhanden gekommen sei,
aber die Spinne wufste das nicht.
Nun schickten sich alle an, um sich hinzusetzen und
auszuruhen. Nun nahm die Erdhacke die Spinne und
beackerte den Wald bis zum Abend. Als sie alle nach
Hause gegangen sind, haben sie die Spinne dagelassen.
Nun ackert sie im Walde bis in die Nacht, bis sie sie
nicht mehr gesehen haben, sie ist im Walde und ackert.
Nun hat die Erdhacke die Spinne genommen und
ging hierher zurück,' ackernd, bis es zu Ende war, und
dann nahm sie sie wieder und ackerte, bis es zu Ende
war. Das dauerte ein ganzes Jahr, sogar zwei Jahre,
ja drei Jahre lang.
Inzwischen hatte man der Jungfrau längst einen
Mann gegeben und sie hatte schon geboren, und die
Spinne ackerte immer noch im Walde!
Nun wurde die Spinne hungrig, sie war ganz ein
getrocknet und an der Hacke festgeklebt. Als die
Hacke den ganzen Wald beackert hatte, ging sie nach
Hause und beackerte den Hof. Man sah nach ihr hin
und wunderte sich. Nun beackerte sie die Gosse, und
nun glitt die Hacke aus. Da sagte das Chamäleon:
Nein, so ist es. Nun liefs beim Ausgleiten die Hacke
die Spinne los und diese lief davon und trat in die
Gosse hinein und dann in die Hütte und schmiegte sich
an die Rücken 42 ) der Töpfe an, und bis heute klebt sie
da. Früher war sie ein starker, kräftiger Kerl. Und
das hat sie einer Frau wegen gethan!
IV. Eine Geschichte der Sarina.
Der Wahrheitsmensch und der Lügenmensch.
Zwei Menschen, die in der Welt herumreisten, trafen
sich auf der Strafse und beschlossen, ihre Reise gemein
sam fortzusetzen. Sie kamen überein, dafs an einem
Tage der Eine, am anderen der Andere für die Beschaf
fung der Nahrung zu sorgen habe. Von diesen beiden
Menschen aber liebte der eine die Wahrheit über Alles,
er log nie, sondern sagte den Leuten immer die Wahr
heit. Der andere dagegen nahm es mit seinem Worte
nicht genau, sondern sagte, was ihm Nutzen bringen
oder den Leuten angenehm sein konnte.
Am Ende des ersten Tagemarsches kamen sie in das
Nachtquartier. Der Lügenmensch sagte nichts, aber der
Wahrheitsmensch sprach viel mit seinem Gastwirte und
dessen Leuten. Er tadelte den Hausherrn, dafs die
den beiden Fremden angewiesene Hütte nicht rein ge
halten sei, er tadelte ihn, dafs diese Fremden nicht mit
mehr Freundlichkeit aufgenommen worden seien und er
setzte an allem und jedem, das ihm nicht gefiel, etwas
aus. Das verdrofs den Hausherrn und seine Leute.
Die Sonne war untergegangen, es war finster ge
worden und die Fremden hörten in ihrer Hütte, dafs
der Haiisherr und die Seinen ihr Abendmahl verzehrten,
und erwarteten nun, dafs auch sie das ihre erhalten
würden. Sie warteten aber vergebens, nichts wurde
ihnen gebracht und sie mufsten hungrig schlafen gehen.
Am anderen Morgen setzten sie die Reise fort.
„Heute lafs nur mich sorgen“, sagte der Lügenmensch,
„und du wirst sehen, dafs wir nicht wieder hungrig
schlafen gehen werden.“ Als sie im Nachtquartier an
gekommen waren, ging der Lügenmensch sofort zum
4 ‘ 2 ) In Dagbong (für Dagban - gu, Land der Dagbam - ba)
setzen die Frauen ihren Stolz darein, viele Töpfe zu besitzen,
die in den Hütten einer über dem anderen aufgestapelt sind,
die aber nur als Zeichen der Wohlhabenheit betrachtet und
nicht in Gebrauch genommen werden. An diesen Töpfen
lebt mit Vorliebe eine Spinne mit ganz flachem Leibe, welche
den Gegenstand des vorstehenden Märchens bildet.
Könige, um ihn zu begrüfsen. Er rühmte sich, dafs er
ein sehr berühmter Mann sei, und dafs er ausführen
könne, was noch keiner von ihnen gesehen habe. Er
bat den König, sofort das Volk zu versammeln, damit
er ihm mitteilen könne, was er alles zu thun im stände
sei. Als das Volk versammelt war, hielt der Lügen
mensch eine Rede. Der Stadt sei eine Ehre widerfahren,
dafs er in ihr abgestiegen sei. Der grofse König in der
und der Stadt habe ihn eingeladen, zu ihm zu kommen,
damit er, der berühmte Mann, den König und seine
Leute durch seine Wunderthaten von Krankheit und
allem Übel befreie. Er könne nicht nur alle Kranken
gesund machen, sondern auch die Gestorbenen wieder
lebendig machen. Heute aber sei es schon zu spät und
er sei ermüdet von der Reise, sie sollten sich daher
morgen früh wieder versammeln, wo er die Toten wieder
lebendig machen würde, die im vorigen Jahre gestorben
seien. Dann löste sich die Versammlung auf.
Kaum war er in seiner Wohnung wieder angelangt,
als ihm der König einen geheimen Boten schickte, er
möge die anderen Verstorbenen wieder lebendig machen,
aber nicht seinen Vorgänger, der vor kurzem gestorben,
denn wenn dieser wiederkäme, dann würde er die
Herrschaft verlieren. Dann kam eine Frau, die ihren
Mann verloren hatte, der sie beständig mifshandelt
hatte und die erst gestern wieder geheiratet hatte,
sie bat, die anderen Toten lebendig zu machen, aber
nicht ihren Mann. Noch viele Andere kamen und wollten,
dafs der Lügenmensch die Anderen, nur aus irgend
einem Grunde gerade nicht die Ihrigen, wieder lebendig
machen sollte.
Als es Abend geworden war, schickte jeder, der seinen
Toten im Grabe lassen wollte, grofse Schüsseln voll
ausgezeichneter Speise zu den Fremden und Geld dazu.
Als die beiden Reisenden allein waren, machte der Wahr
heitsmensch dem Lügenmenschen Vorwürfe wegen seiner
Lügen, da er doch keinen toten Menschen lebendig
machen könne. Dieser lachte nur. „Gestern mufsten
wir hungrig schlafen gehen, heute könnten wir die ganze
Stadt sättigen mit den vielen Speisen, die wir nicht an
rühren können.“
Mit grofser Spannung erwarteten die Leute den
nächsten Tag. Als Alle versammelt waren, trat der
Lügenmensch vor und sagte, dafs er zuerst den ver
storbenen König wieder lebendig machen wolle, denn
der König sei der Erste im Lande und ihm komme das
Erste zu. Da erhob sich aber der regierende König.
Der alte König habe lange regiert, alle Leute hätten
ihn geliebt und gönnten ihm die Ruhe, der Verstorbene
habe selbst gesagt, dafs er den Tod wünsche, er möge
also den toten König im Grabe lassen und einen anderen
Menschen wieder lebendig machen. „Ihr habt gehört,
was der König gesagt hat“, so wandte sich der Lügen
mensch an die Versammlung, „wenn der König spricht,
so hat er immer Recht. Ich will den König im Grabe
lassen und einen Anderen wieder lebendig machen.“
Dann wandte er sich an die Frau, die ihren Mann
verloren hatte und wollte diesen wieder lebendig machen.
Aber sie wollte das nicht zugeben. Dann wollte er
Einen nach dem Anderen von denen lebendig machen,
deren Hinterbliebenen ihn am vorigen Abende gebeten
hatten, es nicht zu thun, aber in jedem einzelnen Falle
fand er Widerspruch. „Ihr seht“, sagte er zuletzt,
„dafs ich die Toten lebendig machen will, aber die
Erben geben es nicht zu; lassen wir also die Toten im
Grabe.“
Dann ging er nach Hause zurück und wurde reich
beschenkt, ehe er mit seinem Genossen die Reise fort
setzte.