Skip to main content
Page Banner

Full Text: Globus, 72.1897

278 
Grlaves Reise vom Tanganjikasee zum Kongo. 
Dieser selbe Teil des Bodens, welcher zur Zeit der 
Ebbe trocken liegt und hernach durch die Flut unter 
Wasser gesetzt wird, dient auch der ganzen Bevölke 
rung als Abort. Dies Geschäft verrichten Mann, Frau 
und Kind am hellen Tage, ohne sich zu verbergen, und 
zwar immer gerade an der Wasserlinie; denn die Ein 
geborenen des Archipels waschen sich regelmäfsig nach 
der Defäkation. Über den "so während der Ebbe in 
folge des Kotes ungangbar gewordenen Boden fegt die 
Flut hinweg und hinterläfst die Fläche bei ihrem Rück 
zug völlig gereinigt. An Orten, welche an Lagunen 
oder Flufsmündungen gebaut sind, wie z. B. in Palopo 
im Königreiche Luhu und anderwärts, bemerkten wir, 
wie die Häuser sich nach dem Flusse und den mit ihm 
in Verbindung stehenden Kanälen förmlich hinzudrängen 
schienen, um des Genusses der Flutwelle teilhaftig zu 
werden. Es wird also durch die Einrichtung, die Häuser 
auf Pfählen in das Wasser zu bauen, eine Art von 
Kanalisation gewonnen. 
Jene Eingeborenen, welche auf dem trockenen Lande 
zu bauen genötigt sind, behalten den Pfahlbau bei; 
durch den sich anhäufenden Unrat aber ergeben sich 
viele Unbequemlichkeiten, von welchen die im Wasser 
bauenden nichts wissen; die Abfälle müssen von Zeit zu 
Zeit weggeschafft und verbrannt werden; ja wir haben 
Grund, zu vermuten, dafs infolge des angehäuften Kotes 
sich die Bewohner eines Dorfes zuweilen genötigt sehen, 
an einem neuen Orte ihre Wohnungen aufzuschlagen. 
Von Fäkalien indessen wird bei den auf trockenem 
Lande errichteten Döi’fern der Boden völlig freigehalten, 
insofern dieselben nicht vom Hausgetier stammen; die 
Bewohner verfügen sich zu diesem Geschäfte nach dem 
nächsten Bache, Flusse oder Tümpel. 
Wir neigen dahin, zu glauben, dafs der Pfahlbau 
ursprünglich an der Meeresküste seine Entstehung ge 
nommen hat, wo der Gedanke, die Flut als Kanali 
sationsmittel zu benutzen, nahe lag, und wo der flache 
Sandstrand das Errichten von Pfahlbauten begünstigte. 
Wurde dann von solchen ursprünglichen Küsten 
bewohnern das Innere eines Landes besiedelt, so wurde 
auch die Sitte des Pfahlbaues weiter gepflegt, und stiefs 
man auf einen Landsee, so baute man innerhalb der 
Hochwassermarke, oder soweit in den See hinein, als 
seine Seichtheit es zuliefs. 
Noch sei kurz bemerkt, dafs im Pfahlbau kein be 
sonderer Vorteil für die Fischerei erblickt werden darf. 
Die Pfahlbaubewohner üben dieses Gewerbe nicht anders 
aus als alle anderen Fischer, indem sie den Fischen mit 
Reusen, Netzen, seltener Angeln und nachts mittels 
Fackeln nachstellen. Von den im Wasser stehenden 
Häusern aus wird nie mit der Angel gefischt, falls dies 
nicht gelegentlich von Kindern geschieht; denn in dem 
seichten Wasser, worin die Häuser stehen, halten sich 
keine Fische von verwendbarer Gröfse auf, und an der 
Meeresküste wäre eine solche Fischerei während der 
Flut als Nahrungserwerb jedenfalls soviel wie aus 
sichtslos. 
Wir sind weiter der Ansicht, dafs Beobachtungen, 
welche an Pfahlbauten von heutzutage gemacht werden 
können, ohne weiteres auf die vorgeschichtlichen Pfahl 
dörfer europäischer Seen übertragbar sind. 
Es ist für uns von Interesse gewesen, zu erkennen, 
dafs Eberhard Graf Zeppelin-Ebersberg bei Betrachtung 
der vorgeschichtlichen Pfahlbauten des Bodensees zu 
Resultaten gelangte, welche den von uns im Innern von 
Celebes erhaltenen sehr ähnlich sind J ). 
U Bekannt sind auch die Pfahlbauten der Goajiraindianer 
im Maracaibosee (Venezuela), welche bereits 1499 den spani 
schen Entdeckern auffielen, von diesen mit den Pfahlrost 
bauten Venedigs verglichen wurden und Anlafs zu dem 
Namen „Venezuela“ (Kleinvenedig) gaben. A. Ernst hat sie 
genau geschildert und abgebildet (Zeitschr. f. Ethnologie II, 
333 u. Taf. X, 1870). „Ursache dieser Wasserbauten, schreibt 
er, ist wahrscheinlich der Umstand, dafs über dem Wasser 
die entsetzliche Plage der Mücken und sonstiger Insekten 
weniger grofs ist.“ Red. 
Glaves Reise vom Tanganjikasee zum Kongo. 
Die Herrschaft des Kongostaates westlich vom Tanganji 
Dem Amerikaner 
E. J. Gl ave, einst 
ein Begleiter Stan- 
leys, gelang im 
Jahre 1894/95 
eine Durch 
querung Afrikas 
von Ost nach West. 
Gleich nach der 
Vollendung dersel 
ben starb er an 
der Westküste, 
aber seine Tagebücher, Skizzen und Photographieen 
wurden gerettet. Sie erscheinen bruchstückweise im 
Century Magazine und behandeln namentlich den Einflufs 
der Europäer, der Missionare und Kaufleute sowie der 
Beamten im Kongostaate, so dafs sie ein gutes Bild von 
der Umwälzung geben, die unter dem Einflüsse der 
Weifsen sich in Innerafrika vollzieht. Im folgenden 
geben wir auszugsweise jenen Abschnitt wieder, der sich 
auf die Westküste des Tanganjikasees und das zwischen 
diesem und dem Lualaba-Kongo liegende Land bezieht. 
Am 19. September 1894 war Glave am Südostende 
des Tanganjikasees in Kinjamkolo (Niamkolo) ange 
langt, wo die Londoner Missionsgesellschaft eine Nieder 
lassung errichtet hat. Sie ist vortrefflich für den Zweck 
gelegen und ausgerüstet, und die Eingeborenen werden 
von den Glaubensboten dort in allerlei nützlicher Arbeit 
unterwiesen. An der Spitze der Station stand Rev. 
Thomas, neben ihm wirkte noch ein Engländer, Purvis, 
samt seiner Frau und ein schwarzes Ehepaar aus 
Jamaika; doch bemerkt Glave in letzterer Beziehung, 
dafs die schwarzen Missionare durchaus nicht den 
gleichen Einflufs auf die Eingeborenen besäfsen, wie 
die weifsen; letztere scheinen dem Neger höher zu 
stehen und sind daher erfolgreicher. Die Autorität des 
Weifsen wird instinktmäfsig anerkannt, während die 
Achtung vor einem Manne ihresgleichen unendlich viel 
geringer ist, es sei denn, dafs seine Intelligenz auch 
durch grofse Körperkraft unterstützt werde. Von 
besonderem Einflüsse aber sei in Afrika die Gegenwart 
einer tüchtigen europäischen Frau, deren einfaches 
Dasein schon die Neigung des Weifsen, in der Wildnis 
selbst zu verwildern und brutal zu werden, hintanhalte, 
denn selbst die mildesten Charaktere zeigten in der 
afrikanischen Einsamkeit eine ausgesprochene Neigung 
zu verwildern, was aber verzeihlich sei, da alle edleren 
Gefühle: Dankbarkeit, Mitleid, Wohlthätigkeit bei den 
Afrikanern selbst im allgemeinen nicht vorhanden seien 
I oder anerkannt würden. „Ihr mögt einem Eingeborenen 
Eig. 2. Das Sell ulhaus in Fwambo.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.