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Glaves Reise vom Tanganjikasee zum Kongo.
Fig. 4. Eingangsthor zu der belgischen Station Moliro
am Tanganjikasee.
sind sie begierig nach Zeug, das einen guten Einfuhr
artikel abgiebt, ebenso wie Perlen zum Schmuck. Mit
Zeug kaufen sich die Heiden ihre Weiber.
Über den Wasserstand am Südende des Tan
ganjikasees bemerkt Glave, dafs zur Zeit, als Stanley
dasselbe besuchte, das Wasser bis dicht an den Fufs
der felsigen Uferberge heranreichte; jetzt fand er aber
zwischen der Wasserkante und den Felsen eine Fläche
von einer halben englischen Meile Ausdehnung. Gute
Beobachter versicherten ihm, dafs, obgleich der See im
allgemeinen allmählich sänke, an einzelnen Stellen das
Wasser doch ins Land vordringe, was er einer örtlichen
Seukung zuschreibt.
Vom Fieber hart mitgenommen, lag Glave alsdann
längere Zeit in der Mission Kinjamkolo, wo ihm gute
Pflege zu teil wurde. Erst am 14. Oktober war er zur
Weiterreise fähig, und an diesem Tage fuhr er mit dem
Missionsschiffe „Morning Star“ auf dem Tanganjikasee
nach Sumbu, welches am Südwestende des Sees an
der Cameronbai liegt, etwas südlich von der Grenze des
britischen Schutzgebietes und des Kongostaates. Dabei
umschwammen grofse, über meterlange Fische das Boot
und bissen in die Ruder; einige wurden geschossen,
konnten aber, da sie sanken, nicht erlangt werden. Am
16. Oktober um 10 Uhr morgens landete „Morning
Star“ in Sumbu, wo das Fieber den Reisenden abermals
niederwarf, der am 19. Oktober dann nördlich weiter
nach Moliro fuhr, der südlichsten Station des Kongo
staates am Westufer des Tanganjika. Die Küste, an
der man dicht hinfuhr, war steil und felsig, mit dünnem
Buschwerk bis an das Ufer bewachsen und hier und da
mit guten sandigen Landestellen versehen. Am Abend
war Moliro erreicht, wo der Stationsvorsteher Demol
den fieberkranken Reisenden gastlich aufnahm.
Die verpalissadierte Station Moliro (Fig. 4) ist von
der Antisklavereigesellschaft errichtet auf einem all
mählich zum Taganjika abfallenden Hügel, von dem
sich nach Südwest hin Gruppen niedriger, dünn
bewaldeter Berge ausdehnen, während nach Norden hin
das reiche Land sich eben und wellig zeigt. Der See
bildet hier eine malerische Bucht.
Das Leben des -Stationsvorstehers Demol (Fig. 3)
schildert Glave sehr anschaulich. Der Mann sprach
kein Englisch und Glave nur sehr wenig Französisch,
so dafs die Verständigung zwischen beiden schwierig
war. Er hatte grofse Pflanzungen von Maniok, siifsen
Kartoffeln, Erdnüssen, Mtama, Kaffernkorn und Mais
angelegt, so dafs er trotz der drohenden Heuschrecken
gefahr die Leute seiner Station für das nächste Jahr
gut durchzubringen hoffte. Männer und Weiber zogen
früh in die Pflanzungen; um 10 Uhr kehrten die
Weiber zurück, damit sie für ihre Männer das Essen
bereiten konnten. Von 12 bis 3 Uhr ist dann auch für
die Männer Mittagspause und von 3 bis 6 Uhr findet
die Schlufsarbeit statt. Die Hütten der Arbeiter sind
in Strafsen gebaut und, wenige Sansibariten aus
genommen, sind alle befreite Sklaven. Gut gekleidet
und genährt haben sie sieben Jahre auf den Pflanzungen
zu arbeiten, dann können sie frei hingehen, wohin sie
wollen. Die Soldaten tragen blaue Kattunkittel und
ein rotes Fez und sind mit Chassepots bewaffnet.
Prügelstrafe, selbst gegen Weiber, findet regelmäfsig
statt. Viele Soldaten sind weggelaufen, was wohl
an der allzu strengen Behandlung durch die Belgier
liegen mag.
Nachdem abermals das Fieber Glave zurückgehalten
hatte, verliefs er in einem einheimischen Kanoe am
2. November Moliro, um am Westufer des Tanganjika
(Fig. 5) weiter nach Norden zu fahren. Die Besatzung
bestand aus 20 einheimischen Ruderern, für den
Reisenden war in der Mitte des Schiffes ein kleines
Verdeck errichtet, auch besafs das Fahrzeug ein Segel
(Fig. 6). Bei widrigem Nordwind und hoher See
konnten an manchem Tage nur sechs Stunden zurück
gelegt werden, denn oft mufste, um nicht Schiffbruch
zu leiden, angelegt werden. Freilich, den Negern, die
nichts als ein paar Maniokwurzeln zu verlieren hatten
und die gute Schwimmer sind, wäre ein Kentern des
Bootes gleichgültig gewesen. „Take no black man’s
advice, unless he has property to lose“, ruft Glave bei
dieser Gelegenheit aus.
Am 11. November war die belgische Station St. Louis
am Westufer des Tanganjika erreicht. Sie liegt ungefähr
unter 7° südl. Br. und 30° östl. L. v. Gr. Hier be
fehligte Kapitän Joubert, der in einem luftigen, grofsen
und gemütlich eingerichteten Lehmhause mit seinem
Fig. 5. Westufer des Tanganjikasees bei Moliro.
Blick nach Norden.