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Die afrikanischen Elemente in der europäischen Haustierwelt.
Prof. Dr. C. Keller:
kennen ; der Windhund begleitet einzeln oder rudelweise
den Altägypter bei der Jagd auf flüchtige Antilopen.
Aus den bildlichen Darstellungen erfahren wir ferner,
dafs Windhunde mit aufrecht stehenden Ohren aus dem
Süden des Reiches, aus Äthiopien, bezogen wurden. Ver
mutlich ist die eigentliche Heimat am oberen Nil zu
suchen; noch heute laufen in den Strafsen von Chartum
und in den Dörfern des Sudan grofse, glatthaarige Wind
hunde herum, welche uns auf den ersten Blick die Über
einstimmung mit dem durch kecke Umrifslinien dar
gestellten altägyptischen Hunde erkennen lassen.
Frühzeitig treten im Pharaonenlande auch Jagd
hunde mit Hängeohren auf; sie sind zum Teil noch
recht windhundartig, also ist der älteste Jagdhund
ebenfalls ein Südländer. Vielleicht stammen diese hänge-
ohrigen Jagdhunde aus der Nähe des Äquators. Wenig
stens erhielt ich durch die Freundlichkeit von Prof.
Naville eine Abbildung aus der 18. Dynastie, auf
welcher ein grofser, hängeohriger Jagdhund, noch halb
Windhund, dargestellt wird. Er wurde aus dem Somali
lande durch eine altägyptische Expedition geholt.
Die Windhundrasse ist somit afrikanischer Herkunft
und auch unsere Jagdhunde besitzen, selbst wo sie mit
nordischen Hunden gekreuzt wurden, noch eine starke
Dosis afrikanischen Blutes.
Von pferdeartigen Haustieren besitzt Europa das
Hauspferd und den Esel.
Nach N ehring, dem wir eingehende Untersuchungen
über die diluvialen Wildpferde verdanken, müssen wir
zweifellos gewisse Rassen, unter diesen namentlich das
schwere deutsche Karrenpferd, als direkte Nachkommen
des europäischen Wildpferdes betrachten. Eine Ein
wanderung von aufsen her ist in diesem Falle ausge
schlossen. Ein starkes Kontingent der europäischen
Hauspferde stammt jedoch aus Asien und die Einwan
derung geschah direkt aus dem Osten. Innerasien ist
augenscheinlich die Heimat der orientalischen (brachy-
cephalen) Pferde. Wie uns die Reste aus den west
schweizerischen Pfahlbauten lehren, sind solche bereits
schon zur Bronzezeit häufig eingewandert.
Nach Afrika gelangte das Pferd verhältnismäfsig
spät, hat aber allgemeinere Verbreitung nur da gefunden,
wo hamitische Volkselemente ansässig waren. Auf dem
Umweg über Nordafrika hat Europa nur in beschränkter
Zahl Pferde erhalten. Die maurische Invasion hatte
solche im Gefolge und noch gegenwärtig bezieht Spanien
vorwiegend Berberrassen.
Anders liegen die Dinge beim Esel, in welchem wir
offenbar ein durchaus afrikanisches Geschenk erhalten
haben. Zwar kennen wir heute verschiedene Lokali
täten in Europa, wo ein Wildesel Spuren hinterlassen
hat. Es ist der asiatische Steppenesel (Equus hemionus),
welcher über Deutschland hinaus bis nach der Schweiz
reichte, wo er zur paläolithischen Kulturperiode Reste
hinterliefs. In den Stationen Schweizersbild und Pha-
yingen wurden sogar recht kenntliche Zeichnungen
aufgefunden, welche von den dortigen Iroglodyten hei-
rühren. Es bleibt aber durchaus ausgeschlossen, dafs
dieser Steppenesel Hochasiens, welcher zur postdiluvialen
Zeit sein Wohngebiet auch auf Mitteleuropa ausdehnte,
irgendwie Anteil an der Bildung unseres zahmen Esels
gehabt hat.
Es sprechen verschiedene Gründe gegen eine dei-
artige Herleitung, vorab die*geographische Thatsache,
dafs das Verbreitungsgebiet des zahmen Esels weit süd
licher liegt und vorwiegend Afrika, Westasien sowie
Südeuropa umfafst, in Mittel- und Nordeuropa ist dieses
Haustier zu keiner Zeit von erheblicher wirtschaftlicher
Bedeutung geworden. Körperlich weicht der Kiang
vom Hausesel erheblich ab und läfst sich bekanntlich
nur schwer zähmen.
Die meisten Autoren betrachten den ostafrikanischen
Wildesel (Equus taeniopus) als die einzige Stammform
des Hausesels. Ich kann dieser Annahme nicht unbe
dingt beistimmen, denn nach meinen in Ägypten ge
machten Beobachtungen kommt neben dem kleinen Esel
noch eine gröfsere und weit edlere Rasse vor, welche
ich vom westasiatischen Onager herleiten mufs; dazu
gehören beispielsweise die isabellfarbenen oder weifsen
Tiere, die sich durch ihre Lenksamkeit auszeichnen und
in Kairo sehr häufig als Reittiere von vornehmen Frauen
benutzt werden; auch die persischen Esel, sowie die
jenigen der altjüdischen Patriarchen dürften der Onager
rasse zugerechnet werden.
Die kleinere Täniopusrasse, deren Zucht sehr alt ist,
mufs als ausschliefslich afrikanischer Erwerb angesehen
werden. Im Pharaonenlande taucht das Geschöpf weit
früher als das Pferd auf und ich glaube nicht fehl zu
gehen, mit der Annahme, dafs hamitische Völker in
Nubien oder in den Gallaländern den afrikanischen
Wildesel, der dort heute noch bis zum Kap Guardafui
häufig vorkommt, zuerst in den Hausstand übergeführt
haben, stehen doch die Hamiten in der Kunst der Haus
tierzucht höher als alle übrigen Stämme Afrikas. Eine
richtige Würdigung hat das etwas wenig lenksame, aber
mit einer Reihe vorzüglicher Eigenschaften ausgestattete
Haustier eigentlich nur im semitischen und hamitischen
Kulturkreise erfahren ; in Ostafrika drang es nicht erheb
lich über die Gebiete der Galla und Massai hinaus, da
die Neger wenig Lust zeigen, es zu übernehmen. Nil-
abwärts verbreitete es sich frühzeitig bis zur Mittel
meerküste, bürgerte sich auch bei den romanischen
Völkern Südeuropas zahlreich ein , erscheint aber hier
infolge schlechter Behandlung stark degeneriert.
Völlig unbestritten ist die afrikanische Herkunft
eines anderen Haustieres, das zwar keine sehr erhebliche
wirtschaftliche Bedeutung erlangt hat, seiner seltsamen
Geschichte wegen aber dennoch Erwähnung verdient —
es ist die Hauskatze.
Ursprünglich fehlte diese Form dem europäischen
Haustierbestande; während der älteren und jüngeren
Steinzeit konnte man nirgends mit Sicherheit Reste von
zahmen Katzen auffinden. Ihre Ableitung von der euro
päischen Wildkatze bleibt ausgeschlossen, denn abge
sehen von der Schwierigkeit der Zähmung sprechen
anatomische Gründe dagegen.
Zweifellos ist das Nilthal die Wiege des bei der
Frauenwelt so beliebten Hausgenossen und zwar liegt
hier das merkwürdige Beispiel vor, dafs die Katze aus
religiösen Motiven ins menschliche Haus gelangte, erst
durch die Kulturstufe hindurchgehen mufste, bevor sie
aus wirtschaftlichen Gründen gehalten wurde.
Altägypten war bekanntlich ein eigentliches Centrum
der Tierverehrung, aber unter allen Kulttieren nahm
mit Ausnahme des Apis keines den hohen Rang ein wie
die Katze. Das begabte und kluge Tier übte auf den
feinsinnigen Bewohner des Pharaonenlandes eine unge
wöhnlich starke suggestive Wirkung aus, es waltete als
guter Geist im Hause, war so Zusagen Fetisch, den man
als heilig betrachtete; Herodot und Diodor berichten
als Augenzeugen über den seltsamen ägyptischen
Katzenkult. Dafs diese Schriftsteller wahr berichtet
haben, geht aus der fabelhaften Menge von Katzen
mumien hervor, welche bei den Ausgrabungen in
Bubastis und Beni Hassan zu Tage gefördert wurden.
Es waren dort förmliche Katzenkirchhöfe vorhanden,
und man kann sich einer Anwandlung von Rührung