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Full Text: Globus, 72.1897

Globus LXXII. Nr. 19. 
GLOBUS. 
ILLUSTRIERTE ZEITSCHRIFT FÜR LÄNDER- und VÖLKERKUNDE. 
VEREINIGT MIT DER ZEITSCHRIFT „DAS AUSLAND“. 
HERAUSGEBER: Dr. RICHARD ANDREE. VERLAG von FRIEDR. VIEWEG & SOHN. 
Bd. LXXII. Nr. 19. 
BRAUNSCHWEIG. 
20. November 1897. 
Nachdruck nur nach Übereinkunft mit der Verlagshandlung gestattet. 
Figürliche Darstellungen auf schlesischen Drabgefäfsen der Hallstattzeit. 
Von Dr. Hans Seger. Breslau. 
Im August 1896 übersandte Leutnant Frech in Posen 
dem Breslauer Altertumsmuseum eine Knochenurne, die 
ihm wegen ihrer eigenartigen Ornamente zur Aufnahme 
in eine öffentliche Sammlung geeignet zu sein schien. 
Dieselbe stammte von einem Urnenfriedhofe bei Lahse, 
Kreis Wohlau, und war seinerzeit als einzige in ihrer 
Art vom Einsender, dem Sohne des früheren Besitzers 
von Lahse, bei einer von ihm vorgenommenen Aus 
grabung gefunden worden. Alle anderen Fundstücke, 
Thongefäfse, Bronzenadeln und Eisensachen, von denen 
Leutnant Frech noch eine gröfsere Anzahl, darunter 
auch einige bemalte Schalen, ein Drillings- und ein 
Zwillingsgefäfs aufbewahrt, glichen durchaus den von 
den Nachbarorten Przjbor, Ivrehlau u. a. her bekannten. 
In Form und Aufbau bot auch das eingeschickte Gefäfs 
nichts besonders Auffallendes. Es war eine weitbauchige, 
nach oben zu verjüngte Urne von 24 cm Höhe und 
93 cm Umfang, ohne Drehscheibe, jedoch sehr regel- 
mäfsig geformt und an der Aufsenseite mit einem glän 
zend schwarzen Graphitüberzug versehen. Statt der 
Henkel safsen am Halsansatze zwei kleine knorpelartige 
Vorsprünge, die in Verbindung mit den darunter ange 
brachten runden Vertiefungen das Festhalten des Ge- 
fäfses beim Tragen erleichtern sollten. Die Grenze 
zwischen Hals und Körper war durch ein Band von vier 
scharf eingeritzten Parallelen bezeichnet. Ein ebenso 
gebildetes Zickzackband teilte die Bauchwölbung in 16 
Dreieckfelder, von denen die oberen die erwähnten 
flachrunden Eindrücke in der Gröfse von Zehnpfennig 
stücken, die unteren jene mit einem Holz- oder Metall 
stift eingeritzten „eigenartigen Ornamente 1 ' enthielten, 
welche die Einsendung der Urne veranlafst hatten. 
Wie erstaunte man aber, als man bei näherem Zu 
sehen erkannte, dafs die vermeintlichen Ornamente 
nichts anderes als die bildliche Darstellung einer prä 
historischen Hirschjagd bedeuteten. Wir sehen da auf 
dem ersten Bilde (Fig. 2), dem man passend die Unterschrift 
„Aufbruch zur Jagd“ geben könnte, zwei Männer hoch 
zu Rofs einherreiten. Im zweiten einen Sechszehnendei 
mit zwei Hirschkälbern, die aber zur besseren Charak 
terisierung auch schon recht stattliche Geweihe tragen. 
Das nächste Bild zeigt uns wiederum zwei Reiter, den 
einen seltsamer Weise auf einem Hirsche. Im vierten 
Felde bemerken wir aufser einem Jäger zu Pferde noch 
einen zu Fufs. Derselbe hält einen grofsen Bogen vor 
sich und ist im Begriff, einen Pfeil abzuschnellen. Worauf 
er zielt, zeigen uns die beiden folgenden Bilder: in 
jedem zwei dahin fliehende Hirsche. Im siebenten beide 
gönnt ein Jäger seinem Pferde die wohlverdiente Rast. 
Wenigstens ist eine vor dem letzteren stehende X-förmige 
Figur kaum anders denn als Krippe zu deuten. Das letzte 
Bild endlich zeigt uns nochmals ein Reiterpaar, wovon 
wiederum der eine auf einem Hirsche sitzt. Von den 
oberen Dreieckfeldern enthält nur eines eine Abbildung: 
einen einsamen Hirsch. (Fig. 1 bis 5.) 
Die Herstellungsweise ist so primitiv wie möglich, 
auf die einfachsten Elemente, Punkt und Linie be 
schränkt. Bei den menschlichen Figuren ist der Kopf 
durch einen rundlichen Eindruck, Körper und Arme 
sind durch gerade Striche bezeichnet, bei den Pferden 
Rumpf und Hals durch eine einzige gerade Linie, an 
deren einem Ende ein Tüpfelchen mit drei kurzen 
Strichen den Kopf mit den Ohren, am anderen ein 
abwärts gerichteter Strich den Schwanz bedeutet. Die 
Beine sind durch vier parallele senkrechte Striche, die 
Hufe durch kleine Kreise dargestellt. Die Hirsche 
gleichen den Pferden bis auf die Geweihe vollkommen. 
Auffallend und schwer zu deuten ist der Verbindungs 
strich, der bei zwei Paaren von Hirschen unterhalb des 
Schwanzansatzes angebracht ist und wegen dieser 
Wiederholung nicht als zufällig angesehen werden kann. 
Vielleicht hat der Zeichner dabei an einen Begattungs 
akt gedacht. 
Bildliche Darstellungen auf prähistorischen Thon- 
gefäfsen sind überaus selten. In gröfserer Zahl kannte 
man deren bisher nur aus zwei Fundgebieten: aus der 
Gegend von Odenburg im südwestlichen Ungarn und 
aus dem nördlichen Teile von Westpreufsen links der 
Weichsel. In den Grabhügeln vom Burgstalle und 
Warischberge bei Ödenburg sind in den Jahren 1890 bis 
1891 neben zahlreichen anderen geometrisch ornamen 
tierten Urnen auch vier solche gefunden worden, auf 
denen in sehr bemerkenswerter Abstufung von geome 
trisch-konventioneller zu rein naturalistischer Darstel 
lungsweise höchst interessante Menschen - und Tier 
zeichnungen angebracht waren J ). Und auf einer ver- 
hältnismäfsig nicht grofsen Zahl der pommerellischen 
Gesichtsurnen und gesichtsurnenartigen Gefäfse finden 
sich aufser dem Gesicht und anderen Körperteilen noch 
Gruppen von Tieren, Reitern, Wagen und Wagenlenkern 
ganz in derselben primitiven Weise, wie auf der Urne 
*) Mitteilungen d. anthropologischen Gesellschaft in Wien, 
21. Bd., 1891, S. 187 bis 190, Sitzungsberichte S. 75 und 76, 
Taf. VIII, Fig. 1, 2 und 3, Taf. X, Fig. 2; 22. Bd., Sitzungs 
berichte S. 105.
	        
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