296 Dr. Hans Seger: Figürliche Darstellungen auf schlesischen Grabgef’äfsen der Hallstattzeit.
gewundene Ansätze zeigen sich gleichmäfsig an der
nach unten gerichteten Spitze und in der Mitte der
Basis eines jeden Dreiecksystems. Dasselbe Widder
hornornament findet sich nun auch an der seltsamen
Figur auf der unteren Seite der Schale. Leider ist ge
rade an dieser Stelle ein Stück von der Oberfläche mit
der Innenzeichnung abgesprungen. Immerhin sind die
Umrisse noch deutlich erkennbar. Sie zeigen uns eine
Figur, die am meisten Ähnlichkeit mit einem schwim
menden Wasservogel hat, wobei der eine widderhorn
ähnliche Ansatz den Schwanz, der andere den Hals und
Kopf darstellen. Die Figur als blofses Ornament aufzu
fassen, verbietet schon dei'en völlig unsymmetrische
Stellung seitlich und innerhalb des vertieften Bodens.
Fig. 10 stammt aus dem Gräberfelde von Auras, Kreis
Wohlau, dicht am rechten Ufer der Oder. Es ist eine
kleine bauchige Schale aus rötlichem Thon von 6,5 cm
Höhe und 9 cm Weite. Die ganze Oberfläche des Ge-
fäfses ist mit einem roten Farbüberzuge versehen, auf
welchen die Zeichnung mit breiten Strichen schwarz auf
gemalt ist. Die Innenseite des Gefäfsrandes ist mit
schrägen Streifen verziert, auf der Bauchwölbung zeigen
sich vier Radkreuze, von welchen 12 bis 13 Strahlen
ausgehen, dazwischen sitzen an der Halskehle je zwei
mit den Spitzen nach unten gekehrte Dreiecke und
unter diesen eine dritte, mit der Spitze nach oben ge
richtete dreieckförmige Figur, von deren Seiten haken
artige Ansätze ausgehen. Auch diese letztgenannten
Figuren bin ich geneigt, für Vögel, und zwar für fliegende
Vögel anzusprechen. Ihre Zusammenstellung mit den
radförmigen Figuren pafst zu dieser Erklärung vor
trefflich. Hoernes 3 ) hat einmal darauf hingewiesen, dafs
zwischen dem Rade und der Vogelfigur eine rätselhafte
Beziehung besteht, die in der prähistorischen Kunst viel
fachen Ausdruck findet. So wechseln auch auf Bronze
schalen aus Iiallstatt Vogelfiguren mit Rädern und rad
ähnlichen Zeichen ab, und auf den merkwürdigen kleinen
Bronzewagen, die an verschiedenen Stellen Deutsch
lands, Österreich-Ungarns und Italiens gefunden worden
sind und allgemein als eine Art heiliger Geräte angesehen
werden, finden sich regelmäfsig Vögel angebracht.
Fig. 11 zeigt das Innere eines 4,5 cm hohen und
9,5 bis 10,5 cm weiten, glänzend schwarz graphitierten
Schälchens aus Grofs-Tschansch bei Breslau, das mit
einem öhrartigen, jedoch nicht durchbohrten Ansatz am
Rande versehen ist. Von dem nach innen gewölbten Boden
gehen strahlenförmig sechs Paare von flachen Parallel
furchen aus, an welche in schräger Richtung nach dem
Rande zu Seitensprossen angesetzt sind. Bei den etwa
in der Richtung des kleinsten Durchmessers der Schale
liegenden beiden Furchenpaaren sind die Sprossen
hakenförmig gestaltet; neben diesen befindet sich je
eine rundliche Vertiefung mit Mittelpunkt. —Es bedarf
keines allzu grofsen Aufwandes von Phantasie, um in
diesen Zeichnungen Darstellungen von Pflanzenformen
zu erkennen. Solche sind zwar in der primitiven Kunst
viel seltener als Tier- und Menschenfiguren, indessen ist
doch auch auf den pommerellischen Gesichtsurnen
die Scenerie bisweilen durch Anbringung von Bäumen
angedeutet, die dann in ganz ähnlicher Weise, wie
auf unserem Schälchen, dargestellt sind. Man könnte
sogar versucht sein, aus der Stellung der Seitensprossen
auf bestimmte Baumarten zu schliefsen. Indessen ent
halten wir uns vorläufig derartiger weiter gehender
Konjekturen, wie auch einer Vermutung darüber, was
etwa die beiden pupillenförmigen Eindrücke bedeutet
haben könnten.
3 ) Mitteil. d. Anthrop. Ges. in Wien, 22. Bd., 1892, S. 115.
Fig. 12 zeigt ein 8 cm hohes graphitiertes Gefäfs aus
dem Gräberfelde von Dyhernfurth, Kreis Wohlau. Vier
runde Löcher, die an zwei gegenüberliegenden Stellen
des ausladenden Randes eingeschlagen sind, und denen
zwei am Ilalsansatz des Gefäfses angebrachte Paare von
kleinen Vorsprüngen entsprechen, dienten zum Be
festigen einer Schnur, an welcher das Gefäfs getragen
wurde. Die Wölbungsfläche ist mit scharf eingeritzten
Linienverzierungen bedeckt. Zwei Ringfurchen laufen,
nur unterbrochen durch die erwähnten Vorsprünge,
rings um den Hals. Von ihnen gehen zwei sich schnei
dende Zickzackbänder aus, welche dreieckige und rauten
förmige Felder bilden. Von den rautenförmigen sind
vier mit abwechselnden Lagen von Quer- und Längs
strichen , zwei mit Zickzacklinien gefüllt. Dazwischen
bemerkt man gerade unterhalb der beiden Vorsprünge
je zwei Figuren, die ganz den Eindruck erwecken, als
sollten damit Eidechsen dargestellt werden. Die beiden
Längsstriche in der Mitte bedeuten den Leib mit dem
Schwanz, die oben und unten angesetzten Sprossenpaare
die charakteristisch gebogenen Beine. Den Kopf hat man
sich allerdings dazu zu denken, doch hat dessen Weg
lassung bei derartig primitiven Darstellungen nichts
Befremdliches. Auch die Füllungen der übrigen Felder
haben sicherlich keine blofs ornamentale Bedeutung
gehabt.
Fig. 13 ist eine sehr regelmäfsig geformte, glänzend
schwarze Schale von 6,4 cm Höhe und 10,3 cm Weite
aus dem schon genannten Gräberfeldevon Auras. Etwas
unterhalb der Halskehlung sind um das Gefäfs zwei
feine Ringlinien gezogen, welche in Abständen von 2,5
bis 4 cm durch 10 erbsengrofse runde Eindrücke unter
brochen werden. Von jedem dieser Eindrücke läuft in
der Richtung von rechts oben nach links unten eine
flache Furche über die Wölbung. Die Furchen begleiten
rechts und links je drei bis vier haarfeine Parallellinien.
Aufserdem gehen von ihnen in seitlicher Richtung nach
unten Paare von Sprossen aus, an deren Enden wieder
je zwei kürzere Striche im spitzen Winkel angesetzt
sind. Die Ansatzstelle des oberen Sprossenpaares ist
teils an dem runden Eindruck, teils dicht unterhalb des-
sell^pn, die des unteren etwa in der Mitte der Furche.
Mit einer Ausnahme gehen nur zwei Sprossenpaare von
jeder Furche aus und zwar fünfmal nach der rechten
und viermal nach der linken Seite, in einem Falle gehen
zwei Sprossenpaare nach rechts und ein oberes nach
links. Endlich mufs noch hervorgehoben werden, dafs
bei einer Figur an der Ansatzstelle des unteren Sprossen
paares zwei kurze Striche in der Richtung schräg auf
wärts angebracht sind.
Die vorstehend beschriebene Schale zeigt recht deut
lich, wie das rein ornamentale und das figürliche
Element in der prähistorischen Kunst ineinander über
gehen. Runde Vertiefungen, wie die hier angebrachten,
sind auf Gefäfsen dieser Art ungemein häufig. Ebenso
dienen Schrägfurchen häufig zur Belebung der Wölbungs
fläche. Hier sind beide Motive verbunden, um mit
ihrer Hülfe die Vorstellung einer Reihe von Menschen
figuren hervorzurufen. Die runde Vertiefung ist der
Kopf, die Furche der Körper, der sich in das Standbein
fortsetzt. Das zweite Bein und der eine Arm, in dem
einen Falle auch beide Arme, wurden unter Andeutung
von Fufs und Hand angefügt. Bei der einen Figur ist
der Realismus so weit getrieben, dafs man auch den
Penis mit angedeutet hat, ein Detail, das sich auch an
der Figur eines Wagenlenkers auf der Urne von Dars-
lub, Kreis Putzig (Conwentz, a. a. 0., Taf. IV, Fig. 5),
und zwar ebenfalls in erotischem Zustande, vorfindet.
Die zu Seiten der Mittelfurche laufenden feinen Striche