Skip to main content
Page Banner

Full Text: Globus, 72.1897

Ferdinand Gessert: Der Seewind Deutsch-Südwestafrikas und seine Folgen 
297 
sollen vermutlich die Kleidung darstellen. Die Stellung 
der Extremitäten läfst die Figuren in sehr lebhafter Be 
wegung, als tanzende oder kämpfende, erscheinen. Wer 
ihre Deutung als Menschenfiguren zu kühn findet, der 
sei daran erinnert, dafs die doch zweifellosen Menschen 
darstellungen auf der Urne von Lahse noch erheblich 
weniger detailliert sind, und z. B. bei dem Bogen 
schützen blofs in einem Strich mit einem oben ange 
setzten Kreise bestehen. 
Die Kunst der Naturvölker ist im Laufe der letzten 
Jahre wiederholt zum Gegenstand eingehender Betrach 
tungen gemacht worden. Eines der wichtigsten Ergeb 
nisse ist die von allen Forschern bestätigte Thatsache, 
dafs die meisten Ornamente primitiver Völker, trotzdem 
sie unserem Auge als rein geometrische, frei erfundene 
Muster erscheinen, in Wirklichkeit nichts anderes sind, 
als Nachahmungen tierischer und menschlicher Formen. 
Die Folgerung, dafs es sich bei unseren prähistorischen 
Ornamenten, die jenen bisweilen zum Verwechseln ähn 
lich sehen, ebenso verhält, liegt nahe genug. Wenn nun 
vollends in einer Reihe von Fällen die Absicht des prä 
historischen Zeichners, Menschen und Tiere oder Gegen 
stände seiner Umgebung nachzubilden, unverkennbar 
hervorgetreten ist, so darf der Versuch nicht mehr als 
phantastisch bezeichnet werden, andere, weniger deutliche 
Darstellungen auf solche Vorbilder zurück zu führen. 
Der Seewind Deutsch-Südwestafrikas und seine Folgen. 
Von Ferdinand Gessert. Inakhab. 
Eine belangreiche Erscheinung tritt im Namalande 
auf, vorwiegend im südwestlichen Teile: Vom Frühjahr 
bis zum Herbst bildet sich fast regelmäfsig nachmittags 
am südwestlichen Horizont ein Wolkenstreifen, in der 
Richtung von Nordwest nach Südost gezogen. Derselbe 
steht also senkrecht zum Zuge des südwestlichen See 
windes, der, hervorgerufen durch den Temperaturunter 
schied der am Lande nordwärts ziehenden kalten Polar 
strömung und der heifsen Steppe, an der Küste bereits 
vormittags beginnt. Dafs der Wolkenstreifen mit dem 
Seewinde in Verbindung steht, wird dadurch zur Ge- 
wifsheit, dafs man nach einigen Beobachtungen aus dem 
Auftreten des Wolkenstreifens mit ziemlicher Genauig 
keit die Zeit ablesen kann, in welcher der im Sommer 
vorherrschende nördliche Wind vom Südweststurm ab 
gelöst wird. Dieser Wolkenstreifen nimmt schnell an 
Dicke zu. Schwere Gewitterwolken ballen sich zusammen 
und entladen sich in heftigen Unwettern. Dieselben sind 
aber von kürzester Dauer, indem der vielfach orkanartig 
auftretende Wind sie in gröfster Hast nordostwärts 
führt. Diese Wolkenbildung tritt nur an der vordersten 
Grenze des Seewindes auf, während sofort nach Vorbei 
flug des Unwetters wieder heiterster Himmel herrscht. 
Häufig ist zu beobachten, dafs der Regen, den der 
Wolkenstreifen spendet, vom unteren, verhältnismäfsig 
trockeneren Luftstrom aufgesogen wird, bevor er den 
Boden erreicht, dafs der Regenbogen folglich auch nur 
unvollkommen, fufslos, keine Leiter bildet zwischen 
Himmel und Erde. Dieser Wolkenstreifen tritt besonders 
dann auf, wenn Nordwind herrscht und sich durch den 
Ascensionsstrom Gewitterwolken bilden. Einem Ascen 
sionsstrom verdankt auch der Wolkenstreifen offenbar 
sein Entstehen. So vorübergehend auch die vom See 
wind getragenen Gewitter sind, zuweilen sind sie doch 
so heftig, dafs die Flüsse laufen. Tritt der Südwest 
besonders stark auf, so jagt er die Unwetter weit über 
das Land bis in die Kalahari hinein, doch meist sind 
diese Regen auf einen breiteren Landstreifen beschränkt, 
der an den Wüstengürtel grenzt. 
Es liefse sich hier eine besondere Regenprovinz 
unterscheiden. Der Übergang zur Zone mit vor 
herrschenden , durch gewöhnlichen Ascensionsstrom ge 
bildeten Gewittern ist, wie gesagt, sehr allmählich. Es 
kommt nicht selten vor, dafs ein Gewitter bei Nordwind 
beginnt und durch den Südwestwind zurückgeworfen 
wird, wodurch es vielfach verstärkt wird. Wenn man 
daraus, dafs es im Ambolande stark regnet, schlielsen 
kann, dafs es bald auch im Damaralande und demnächst ; 
auch im Namalande gut regnen wird, so gilt dies zwar 
auch für die südwestliche Provinz, aber nicht unbedingt. 
Umgekehrt kommt es vor, dafs in Jahren, in welchen 
in nördlichen Strichen wenig Regen fällt, in dieser 
Klimaprovinz verhältnismäfsig ergiebige Niederschläge 
erfolgen, indem die heifse Steppe jede Wolkenbildung 
rückgängig macht, und erst die energischere Ascensions 
wirkung des Seewindes die Kondensation bis zum 
Regenfall durchsetzt. Diese Provinz deckt sich etwa 
mit der Kapitänschaft Bethanien, soweit dieselbe nicht 
dem Wüstengürtel angehört. Im vorigen Jahre war 
hier die Dürre nicht so ausgesprochen, wie in östlich 
und nördlich gelegenen Landschaften, z. B. im Kreise 
Gibeon. Dafs hart an den Wüstengürtel eine Zone mit 
verhältnismäfsig gutem Regenfall grenzt, bewirkt aufser 
den Seew'inden das schnelle Ansteigen der Wüstenland 
schaft zu den die innere Hochebene abschliefsenden 
Randgebirgen. In diesen dringen auch die Winterregen 
bekanntlich vor. Hier liegt die Berührung mit der 
südlichen Regenprovinz. Vorwiegend ist hier jedoch 
der Einfiufs des ursprünglichen Seewindes ein ungün 
stiger, indem er die Gewitterwolken schnell wegführt 
und nunmehr als echter Wüstenwind die geringe Regen 
menge rasch aufsaugt. Ein Teil der Feuchtigkeit des 
Seewindes schlägt sich nachts als starker Tau im 
Wüstengürtel nieder, der aber für die Vegetation nur 
überaus wenig in Betracht kommt, da teils eben nur 
ein sehr dürftiger Pflanzenwuchs vorhanden ist, der ihn 
beschattend und aufsaugend benutzen könnte, teils die 
sengende Sonne ihn schon in früher Stunde aufleckt. 
Die Wüste nimmt nur nach den seltenen Gewitter- und 
Winterregen — der letzteren entbehi-t der nördliche Strich 
ganz — ein etwas grüneres, freundlicheres Aussehen an. 
Der Seewind erhält hier seine ungewöhnliche Heftigkeit 
durch die selten grofse Temperaturdifferenz von Land 
und Meer. Es besteht hier also eine Wechselbeziehung, 
indem der Seewind die Regenarmut und damit die 
Hitze des Landes veranlafst. Wie würden die Verhält 
nisse sein, wenn der Seewind weniger stark und an 
haltend wehte? Diese Frage soll erst beantwortet 
werden, nachdem zunächst bewiesen wurde, dafs sie 
keine müfsige ist, dafs die Natur imstande ist, durch 
geringe Verschiebung der Verhältnisse weittragende 
Folgeerscheinungen hervorzurufen, dafs ferner der 
Mensch fähig ist, die Natur bei diesem Vorgang seinen 
Zielen entsprechend zu unterstützen. Welch grofsen 
Einfiufs Binnenseen auf das Klima haben, ersehen wir 
aus dem Werke von Prof. Dr. A. Engler: „Die Pflanzen 
welt Ostafrikas“. So lesen wir in Teil A, S. 56: „In 
den über diese Höhe (1000 m) hinausgehenden Gebieten 
kommt aber auch vielfach noch steppenartiges Grasland 
vor, wenn das Land nach Norden oder Westen exponiert 
38 
Globus LXXII. Nr. 19.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.