Dr. F. Carlsen: Benin in Guinea und seine rätselhaften Bronzen.
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keit bei diesen Sachen handelt. — Sehen wir also schon
an der Goldküste bei den Negern das Gufsverfahren
weit entwickelt, so wächst unser Staunen, wenn wir
die aus dem Brande von Benin geretteten Gegenstände
betrachten, die hier jetzt zur Ausstellung gelangten und
das Vollkommenste sind, was bisher von Negern auf dem
Gebiete des Gusses bekannt geworden ist.
Eine kleine Sammlung, welche ein Seeoffizier aus
dem Brande rettete, ging in das Free Museum in Forest
Hill über, wo ich sie besichtigen konnte. Neben gewöhn
lichen ethnographischen Stücken fesselte zunächst
eine aus Bronze gegossene Glocke mit vortrefflich
modelliertem Gesichte (Fig. 3) meine Aufmerksamkeit.
Nach der Erklärung soll sie geläutet worden sein, wenn
ein Menschenopfer stattfand. Eine ähnliche Glocke be
findet sich auch in den Händen der merkwürdig kostü
mierten Figuren, welche aus Elfenbein geschnitzt sind
und auf Stäben stehen. Die Figuren halten Schwerter
in der Hand und haben ein überaus altertümliches Aus
sehen (Fig. 4). Ein ganz ähnliches Exemplar soll nach |
Fig. 10. Bronzeplatte aus Benin mit Negerdarstellungen.
Brüssel gelangt sein. Von besonderer Kunstfertigkeit
aber zeugen einige Elfenbeinringe, die mit zierlichen
Goldornamenten eingelegt sind und die auf dem schwarzen
Arme irgend einer Beninschönheit sich vortrefflich ab
gehoben haben müssen. Endlich ist aus dieser Samm
lung des Free Museums ein Spiegelrahmen (Fig. 5) zu
erwähnen, der einst ein europäisches Spiegelglas trug.
An seinem oberen Rande ist ein Boot angebracht, in
welchem zwei sich berührende Figuren sich befinden,
eine stehende und eine sitzende. Die Köpfe sind beider
seitig vollständig ausgeführt und zeigen europäischen
Typus, während das Ganze unzweifelhafte Benin
arbeit ist.
Das allermerkwürdigste aber und zum Teil rätsel-
hafte, was uns Benin geliefert hat, sind die ungefähr
300 Bronzeplatten, welche im Bi’itischen Museum in
zwei langen Glasschränken ausgestellt sind. Bronze
platten von 30 bis 70 cm Länge, bedeckt mit Figuren
mannigfacher Art, stark erhaben gegossen nach dem
Grundsätze des verlorenen Wachsmodells, wie er oben
geschildert wurde (cire perdue nennen es die Franzosen),
leicht ciseliert und von unzweifelhaft einheimischer
Arbeit. Alle Fachleute hier in London und die erfah
renen Beamten der afrikanischen Abteilung des Museums
erklären nichts Ähnliches gesehen zu haben, sowohl was
die Technik der Platten, als den merkwürdig gemischten
Inhalt der figürlichen Darstellungen anbetrifft. Alle
diese Platten sind in einem Gusse hergestellt, nichts
daran ist später durch Löten oder Nieten hinzugefügt
worden; blofs an den Gewändern oder den Flächen des
Hintergrundes sind Muster durch Ciselierung später
ausgeführt worden. Dafs die Beninarbeiter, welche diese
schönen Werke herstellten — in Bezug auf die Technik
guten europäischen Bronzen des 16. Jahrhunderts ver
gleichbar —, Meister in ihrem Fache waren, wird'jeder
zugeben, der die Platten betrachtet hat. So stehen sie
Fig. 11. Bronzeplatte aus Benin mit Negerdarstellungen.
technisch hoch; grofs ist auch ihr ethnographischer
Wert, und was die künstlerische Seite betrifft, so wird
man auch ihr Lob erteilen müssen, wenn man bedenkt,
dafs es sich um Werke von Negern handelt. Die Ober
fläche ist rein, zeigt selten Gufsblasen und das Metall
ist sparsam verwendet, denn selbst feine, weit vor
tretende Teile der Figuren sind inwendig hohl.
Man kann die mannigfachen Darstellungen auf den
Bronzetafeln in drei Klassen einteilen. Da treten uns
zunächst menschliche Figuren, einheimische Häuptlinge,
Krieger, teilweise zu Pferde, Musiker einzeln oder in
Gruppen entgegen. Die zweite Gruppe umfafst die
Tiere Benins; wir sehen Krokodile, Leoparden, Schlangen,
Fische u. s. w. Endlich sind allerlei Gegenstände, wie
Armringe, Messer, Geräte, ein Palmbaum mit Früchten
und dergleichen dargestellt.
Jedenfalls nimmt die erste Gruppe, jene der mensch
lichen Figuren, im höchsten Grade unsere Aufmerksam
keit in Anspruch, denn sie zeigt eine so charakteristische
Durchführung der Gesichtstypen, dafs man in ihr sofort
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Globus LXXII. Nr. 20.