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Full Text: Globus, 72.1897

Dr. F. Carlsen: Benin in Guinea und seine rätselhaften Bronzen. 
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keit bei diesen Sachen handelt. — Sehen wir also schon 
an der Goldküste bei den Negern das Gufsverfahren 
weit entwickelt, so wächst unser Staunen, wenn wir 
die aus dem Brande von Benin geretteten Gegenstände 
betrachten, die hier jetzt zur Ausstellung gelangten und 
das Vollkommenste sind, was bisher von Negern auf dem 
Gebiete des Gusses bekannt geworden ist. 
Eine kleine Sammlung, welche ein Seeoffizier aus 
dem Brande rettete, ging in das Free Museum in Forest 
Hill über, wo ich sie besichtigen konnte. Neben gewöhn 
lichen ethnographischen Stücken fesselte zunächst 
eine aus Bronze gegossene Glocke mit vortrefflich 
modelliertem Gesichte (Fig. 3) meine Aufmerksamkeit. 
Nach der Erklärung soll sie geläutet worden sein, wenn 
ein Menschenopfer stattfand. Eine ähnliche Glocke be 
findet sich auch in den Händen der merkwürdig kostü 
mierten Figuren, welche aus Elfenbein geschnitzt sind 
und auf Stäben stehen. Die Figuren halten Schwerter 
in der Hand und haben ein überaus altertümliches Aus 
sehen (Fig. 4). Ein ganz ähnliches Exemplar soll nach | 
Fig. 10. Bronzeplatte aus Benin mit Negerdarstellungen. 
Brüssel gelangt sein. Von besonderer Kunstfertigkeit 
aber zeugen einige Elfenbeinringe, die mit zierlichen 
Goldornamenten eingelegt sind und die auf dem schwarzen 
Arme irgend einer Beninschönheit sich vortrefflich ab 
gehoben haben müssen. Endlich ist aus dieser Samm 
lung des Free Museums ein Spiegelrahmen (Fig. 5) zu 
erwähnen, der einst ein europäisches Spiegelglas trug. 
An seinem oberen Rande ist ein Boot angebracht, in 
welchem zwei sich berührende Figuren sich befinden, 
eine stehende und eine sitzende. Die Köpfe sind beider 
seitig vollständig ausgeführt und zeigen europäischen 
Typus, während das Ganze unzweifelhafte Benin 
arbeit ist. 
Das allermerkwürdigste aber und zum Teil rätsel- 
hafte, was uns Benin geliefert hat, sind die ungefähr 
300 Bronzeplatten, welche im Bi’itischen Museum in 
zwei langen Glasschränken ausgestellt sind. Bronze 
platten von 30 bis 70 cm Länge, bedeckt mit Figuren 
mannigfacher Art, stark erhaben gegossen nach dem 
Grundsätze des verlorenen Wachsmodells, wie er oben 
geschildert wurde (cire perdue nennen es die Franzosen), 
leicht ciseliert und von unzweifelhaft einheimischer 
Arbeit. Alle Fachleute hier in London und die erfah 
renen Beamten der afrikanischen Abteilung des Museums 
erklären nichts Ähnliches gesehen zu haben, sowohl was 
die Technik der Platten, als den merkwürdig gemischten 
Inhalt der figürlichen Darstellungen anbetrifft. Alle 
diese Platten sind in einem Gusse hergestellt, nichts 
daran ist später durch Löten oder Nieten hinzugefügt 
worden; blofs an den Gewändern oder den Flächen des 
Hintergrundes sind Muster durch Ciselierung später 
ausgeführt worden. Dafs die Beninarbeiter, welche diese 
schönen Werke herstellten — in Bezug auf die Technik 
guten europäischen Bronzen des 16. Jahrhunderts ver 
gleichbar —, Meister in ihrem Fache waren, wird'jeder 
zugeben, der die Platten betrachtet hat. So stehen sie 
Fig. 11. Bronzeplatte aus Benin mit Negerdarstellungen. 
technisch hoch; grofs ist auch ihr ethnographischer 
Wert, und was die künstlerische Seite betrifft, so wird 
man auch ihr Lob erteilen müssen, wenn man bedenkt, 
dafs es sich um Werke von Negern handelt. Die Ober 
fläche ist rein, zeigt selten Gufsblasen und das Metall 
ist sparsam verwendet, denn selbst feine, weit vor 
tretende Teile der Figuren sind inwendig hohl. 
Man kann die mannigfachen Darstellungen auf den 
Bronzetafeln in drei Klassen einteilen. Da treten uns 
zunächst menschliche Figuren, einheimische Häuptlinge, 
Krieger, teilweise zu Pferde, Musiker einzeln oder in 
Gruppen entgegen. Die zweite Gruppe umfafst die 
Tiere Benins; wir sehen Krokodile, Leoparden, Schlangen, 
Fische u. s. w. Endlich sind allerlei Gegenstände, wie 
Armringe, Messer, Geräte, ein Palmbaum mit Früchten 
und dergleichen dargestellt. 
Jedenfalls nimmt die erste Gruppe, jene der mensch 
lichen Figuren, im höchsten Grade unsere Aufmerksam 
keit in Anspruch, denn sie zeigt eine so charakteristische 
Durchführung der Gesichtstypen, dafs man in ihr sofort 
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Globus LXXII. Nr. 20.
	        
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