Karl Gander: Volkskundliches aus dem Bereich der Viehzucht.
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Stall führte, lagen Axt und Besen auf der Schwelle;
aufserdem wurden sie, wie schon erwähnt, mit Wasser
besprengt, wie sie anderwärts mit Mehl bestreut werden.
Schweine stöfst man überdies stets rückwärts in den
Stall, besprengt sie auch wohl mit Branntwein.
Auch das Pferd, das, nachdem es gefohlt hat, zum
erstenmal aus dem Stall geführt wird, mufs über Axt
und Besen gehen, um es angeblich vor Hexerei zu
schützen. Das Fohlen hat aufserdem ein rotes Band
um den Hals. Die rote Farbe, sowie die Axt in Er
mangelung des Hammers erinnern an Donnar, der
Schutzpatron der Hirten und Herden war. Wogegen
das rote Band schützen soll, das zeigen die Dinge, mit
denen es angefüllt ist: Dill und Beschreikraut, also
gegen Hexen und den bösen Blick. Im Altenburgischen
wird das rote Bändchen kleinen Kindern um den Hals
gebunden, um sie vor dem Beschreien zu schützen, und
mit Kräutern gefüllt, bindet man bei uns ein Band auch
kranken Pferden um den Hals. Glaubt der Bauer, dafs
sein Vieh beschrieen worden sei, so legt er Beschrei
kraut (Erigeron acer) in einen Topf, der mit glühenden
Kohlen gefüllt ist, und das Vieh wird geräuchert.
Im nördlichen Teile der Niederlausitz ist die Gänse
zucht bedeutend, und man sieht dort um Ostern grofse
Herden junger Gänse, die die Freude ihrer Besitzer
sind. Um recht viel „Libane“, so nennt man die jungen
Gänse, zu haben, wurden am Lichtmefstage möglichst
viel Plinze gebacken. Es wird darauf geachtet, dafs die
Gänschen nicht in der Marterwoche auskommen, weil
sie in dem Falle nicht geraten würden. Die jungen
Tiere, die in den Gärten und auf den Dorfplätzen
weiden, sind wegen ihrer Zahl und Gröfse gar leicht der
Bewunderung ausgesetzt. Darum werden sie regel-
mäfsig vor dem ersten Austreiben durch Räucherung
vor dem Beschreien geschützt. Auch werden sie, wenn
man sie auf die Weide setzt, durch ein Hosenbein ge
lassen , damit sie die Krähen nicht sehen und wegholen
sollen. In Pommern wird allerdings dieser Grund nicht
angegeben. Dort heifst es einfach: „Sähl’n dei jungen
Gösseln gedeihn, Lat s’ löpen dörcht Hosenbein!“
Noch viel gefürchteter als der Anblick, das Beschreien,
durch das jemand auch Schaden stiften kann, ohne dafs
er es will, sind die Künste der Hexen, die mit dem
Teufel im Bunde stehen, von dem sie die Weisung
haben, möglichst viel Bosheiten auszuführen, und dem
sie alljährlich in der Walpurgisnacht auf dem Blocks
berge Rechenschaft über ihr Thun geben müssen. Ob
wohl man auch von Hexenmeistern spricht, also auch
Männern diese Künste zutraut, so denkt der Bauer bei
den Hexen doch hauptsächlich an Frauen, und zwar an
solche, die sich aus Not oder Habsucht dem Bösen er
geben und es in erster Linie darauf abgesehen haben,
die Milch und die Butter anderer Leute für sich zu ge
winnen. Vor fremden Frauen sucht der Bauer seine
Ställe, besonders Kuh- und Ziegenställe, daher am sorg
fältigsten zu hüten. Sind doch solche Hexen sogar im
stände, an einem Strick, der in ihrem eigenen Stalle
hängt, fremde Kühe auszumelken. Ein Strohhalm aus
dem fremden Kuhstalle oder vom Dache desselben, ein
Stückchen Holz vom Hofe des Nachbars, genügt ihnen
schon, um den Nutzen der Kühe sich zuzuwenden. Aus
diesem Grunde halten sie es auch mit dem Borgen von
allerlei Wirtschaftsgeräten. Vorsichtige Leute borgen
oder verborgen daher an den sogenannten Hexentagen
(Walpurgis, St. Lucas, Abend vor Weihnachten und vor
Neujahr) nichts. Aber auch sonst darf nach Sonnen
untergang nichts mehr verborgt werden. Auch soll man
an einem Tage, an dem eine Kuh gekalbt hat, weder
etwas borgen, noch verborgen, weder kaufen, noch ver
kaufen, namentlich nicht Milch, die von vorsichtigen
Hausfrauen übrigens niemals aus dem Hause gegeben
wird, ohne dafs vorher einige Körnchen Salz hinein-
gethan worden sind, wie sie auch Butter nie ungesalzen
fortgeben.
Hatte früher eine Kuh zum erstenmal gekalbt, so
wurde das Kalb nicht verkauft, sondern angebunden.
Eignete es sich dazu aber gar nicht, so liefs man sich
von dem Fleischer wenigstens die Leber zurückgeben;
denn man war der Meinung, wenn diese von fremden
Leuten gebraten würde, verlöre man den Nutzen der Kuh.
Ich kann keineswegs erschöpfend auf den Hexen
glauben und alles das, was sich mit Bezug auf die Vieh
zucht an ihn knüpft, eingehen; nur möchte ich noch er
wähnen, dafs die Hexen sich verwandeln können, und
sich namentlich an den Hexentagen als Kröten, Katzen,
Motten in die Ställe einzuschleichen suchen. Darum
werden an diesen Tagen die Thüren der Viehställe,
wohl auch die Hofthüren, schon vor Sonnenuntergang
fest verschlossen. Auch legt man Axt und Besen auf
die Schwelle der Thür, besteckt diese mit Kreuzdorn,
bewischt sie mit Knoblauch, bemalt sie mit drei Kreuzen,
spiefst eine Kröte daran auf, streut Mohn, Hirse, Dill,
Asche. Mit Knoblauch werden auch die Krippen ab
gerieben, weil das Vieh dann das ganze Jahr gut frifst,
ebenso die Zäume — sogar der Mund der Pferde —
weil diesen dann fremde Krippen nichts schaden. Auch
ein besonderes Brot wird für das Vieh gebacken, in das
neben viel Knoblauch, Heuspreu, allerlei Kräuter —
also doch wohl die Johanniskräuter, unter denen das
Hexenkraut (Listéra ovata, Circaea lutetiana) nicht ge
fehlt haben wird — gekommen waren. Davon bekam
das Vieh in den Zwölften zu fressen. Auch sogenannte
„Robbelsken“ wurden aus neunerlei Getreide gekocht
und Pferde, Rinder, Schweine und Hühner damit ge
füttert; die letzteren zu Walpurgis überdies aus einem
Reifen, damit sie die Eier nicht vertragen sollen. Tauben
erhalten Aniskörner, oder man läfst sie aus einem
Menschenschädel trinken, damit sie nicht fortfliegen.
Neunerlei Getreide, allerlei Kräuter, darunter der be
rühmte, glückbringende und hexenabwehrende Orant
oder Dorant (Achillèa Ptarmica), erhielt auch eine Kuh,
die gekalbt hatte, in das erste Getränk, aufserdem eine
Kohlrübe, einen Krautkopf, eine Brotschnitte und ein Ei.
Es ist nach erfolgter Behexung nicht gerade nötig,
dafs die Milch einer Kuh oder Ziege geradezu versiegt;
aber der Nutzen ist ihr entzogen, sie ist wie Wasser,
man erhält aus der Sahne keine Butter, und wenn man
arbeitet, dafs man beim Buttern Blut und Wasser schwitzt.
Um einer solchen Einwirkung der Hexen entgegen
zu wirken, macht die Bäuerin mit Kohle ein Kreuz auf
den Boden des Butterfasses oder legt einen Feuerstahl
oder sogenannten abgestorbenen Schlüssel unter dasselbe
oder wirft Stahl oder Silber in die Sahne.
Weit verbreitet ist auch der Brauch, die erste Sahne
von einer Kuh oder Ziege überhaupt nicht im Butter-
fafs, sondern durch Schütteln in einer Flasche oder
durch Quirlen in einem Topfe — also nach der ältesten
Weise—zu machen. Die Quirle 1 ) wurde in einem Falle,
wie mir berichtet worden, aus dem Christbaum gefertigt.
Das erklärt vielleicht ihre hexenabwehrende Kraft.
Ereignet es sich nun, dafs ein Stück Vieh ernsthaft
krank wird, so holt der abergläubische Bauer in den
seltensten Fällen den Tierarzt, sondern einen klugen
Mann, seltener ein kluges Weib. Jener ist ja manch
mal ein alter Schäfer und besitzt bezüglich der Vieh
krankheiten einige Erfahrung und kann nützliche Rat-
l ) In der Niederlausitz: die Quirle, die Quirlen.