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Full Text: Globus, 72.1897

Karl Gander: Volkskundliches aus dem Bereich der Viehzucht. 
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Stall führte, lagen Axt und Besen auf der Schwelle; 
aufserdem wurden sie, wie schon erwähnt, mit Wasser 
besprengt, wie sie anderwärts mit Mehl bestreut werden. 
Schweine stöfst man überdies stets rückwärts in den 
Stall, besprengt sie auch wohl mit Branntwein. 
Auch das Pferd, das, nachdem es gefohlt hat, zum 
erstenmal aus dem Stall geführt wird, mufs über Axt 
und Besen gehen, um es angeblich vor Hexerei zu 
schützen. Das Fohlen hat aufserdem ein rotes Band 
um den Hals. Die rote Farbe, sowie die Axt in Er 
mangelung des Hammers erinnern an Donnar, der 
Schutzpatron der Hirten und Herden war. Wogegen 
das rote Band schützen soll, das zeigen die Dinge, mit 
denen es angefüllt ist: Dill und Beschreikraut, also 
gegen Hexen und den bösen Blick. Im Altenburgischen 
wird das rote Bändchen kleinen Kindern um den Hals 
gebunden, um sie vor dem Beschreien zu schützen, und 
mit Kräutern gefüllt, bindet man bei uns ein Band auch 
kranken Pferden um den Hals. Glaubt der Bauer, dafs 
sein Vieh beschrieen worden sei, so legt er Beschrei 
kraut (Erigeron acer) in einen Topf, der mit glühenden 
Kohlen gefüllt ist, und das Vieh wird geräuchert. 
Im nördlichen Teile der Niederlausitz ist die Gänse 
zucht bedeutend, und man sieht dort um Ostern grofse 
Herden junger Gänse, die die Freude ihrer Besitzer 
sind. Um recht viel „Libane“, so nennt man die jungen 
Gänse, zu haben, wurden am Lichtmefstage möglichst 
viel Plinze gebacken. Es wird darauf geachtet, dafs die 
Gänschen nicht in der Marterwoche auskommen, weil 
sie in dem Falle nicht geraten würden. Die jungen 
Tiere, die in den Gärten und auf den Dorfplätzen 
weiden, sind wegen ihrer Zahl und Gröfse gar leicht der 
Bewunderung ausgesetzt. Darum werden sie regel- 
mäfsig vor dem ersten Austreiben durch Räucherung 
vor dem Beschreien geschützt. Auch werden sie, wenn 
man sie auf die Weide setzt, durch ein Hosenbein ge 
lassen , damit sie die Krähen nicht sehen und wegholen 
sollen. In Pommern wird allerdings dieser Grund nicht 
angegeben. Dort heifst es einfach: „Sähl’n dei jungen 
Gösseln gedeihn, Lat s’ löpen dörcht Hosenbein!“ 
Noch viel gefürchteter als der Anblick, das Beschreien, 
durch das jemand auch Schaden stiften kann, ohne dafs 
er es will, sind die Künste der Hexen, die mit dem 
Teufel im Bunde stehen, von dem sie die Weisung 
haben, möglichst viel Bosheiten auszuführen, und dem 
sie alljährlich in der Walpurgisnacht auf dem Blocks 
berge Rechenschaft über ihr Thun geben müssen. Ob 
wohl man auch von Hexenmeistern spricht, also auch 
Männern diese Künste zutraut, so denkt der Bauer bei 
den Hexen doch hauptsächlich an Frauen, und zwar an 
solche, die sich aus Not oder Habsucht dem Bösen er 
geben und es in erster Linie darauf abgesehen haben, 
die Milch und die Butter anderer Leute für sich zu ge 
winnen. Vor fremden Frauen sucht der Bauer seine 
Ställe, besonders Kuh- und Ziegenställe, daher am sorg 
fältigsten zu hüten. Sind doch solche Hexen sogar im 
stände, an einem Strick, der in ihrem eigenen Stalle 
hängt, fremde Kühe auszumelken. Ein Strohhalm aus 
dem fremden Kuhstalle oder vom Dache desselben, ein 
Stückchen Holz vom Hofe des Nachbars, genügt ihnen 
schon, um den Nutzen der Kühe sich zuzuwenden. Aus 
diesem Grunde halten sie es auch mit dem Borgen von 
allerlei Wirtschaftsgeräten. Vorsichtige Leute borgen 
oder verborgen daher an den sogenannten Hexentagen 
(Walpurgis, St. Lucas, Abend vor Weihnachten und vor 
Neujahr) nichts. Aber auch sonst darf nach Sonnen 
untergang nichts mehr verborgt werden. Auch soll man 
an einem Tage, an dem eine Kuh gekalbt hat, weder 
etwas borgen, noch verborgen, weder kaufen, noch ver 
kaufen, namentlich nicht Milch, die von vorsichtigen 
Hausfrauen übrigens niemals aus dem Hause gegeben 
wird, ohne dafs vorher einige Körnchen Salz hinein- 
gethan worden sind, wie sie auch Butter nie ungesalzen 
fortgeben. 
Hatte früher eine Kuh zum erstenmal gekalbt, so 
wurde das Kalb nicht verkauft, sondern angebunden. 
Eignete es sich dazu aber gar nicht, so liefs man sich 
von dem Fleischer wenigstens die Leber zurückgeben; 
denn man war der Meinung, wenn diese von fremden 
Leuten gebraten würde, verlöre man den Nutzen der Kuh. 
Ich kann keineswegs erschöpfend auf den Hexen 
glauben und alles das, was sich mit Bezug auf die Vieh 
zucht an ihn knüpft, eingehen; nur möchte ich noch er 
wähnen, dafs die Hexen sich verwandeln können, und 
sich namentlich an den Hexentagen als Kröten, Katzen, 
Motten in die Ställe einzuschleichen suchen. Darum 
werden an diesen Tagen die Thüren der Viehställe, 
wohl auch die Hofthüren, schon vor Sonnenuntergang 
fest verschlossen. Auch legt man Axt und Besen auf 
die Schwelle der Thür, besteckt diese mit Kreuzdorn, 
bewischt sie mit Knoblauch, bemalt sie mit drei Kreuzen, 
spiefst eine Kröte daran auf, streut Mohn, Hirse, Dill, 
Asche. Mit Knoblauch werden auch die Krippen ab 
gerieben, weil das Vieh dann das ganze Jahr gut frifst, 
ebenso die Zäume — sogar der Mund der Pferde — 
weil diesen dann fremde Krippen nichts schaden. Auch 
ein besonderes Brot wird für das Vieh gebacken, in das 
neben viel Knoblauch, Heuspreu, allerlei Kräuter — 
also doch wohl die Johanniskräuter, unter denen das 
Hexenkraut (Listéra ovata, Circaea lutetiana) nicht ge 
fehlt haben wird — gekommen waren. Davon bekam 
das Vieh in den Zwölften zu fressen. Auch sogenannte 
„Robbelsken“ wurden aus neunerlei Getreide gekocht 
und Pferde, Rinder, Schweine und Hühner damit ge 
füttert; die letzteren zu Walpurgis überdies aus einem 
Reifen, damit sie die Eier nicht vertragen sollen. Tauben 
erhalten Aniskörner, oder man läfst sie aus einem 
Menschenschädel trinken, damit sie nicht fortfliegen. 
Neunerlei Getreide, allerlei Kräuter, darunter der be 
rühmte, glückbringende und hexenabwehrende Orant 
oder Dorant (Achillèa Ptarmica), erhielt auch eine Kuh, 
die gekalbt hatte, in das erste Getränk, aufserdem eine 
Kohlrübe, einen Krautkopf, eine Brotschnitte und ein Ei. 
Es ist nach erfolgter Behexung nicht gerade nötig, 
dafs die Milch einer Kuh oder Ziege geradezu versiegt; 
aber der Nutzen ist ihr entzogen, sie ist wie Wasser, 
man erhält aus der Sahne keine Butter, und wenn man 
arbeitet, dafs man beim Buttern Blut und Wasser schwitzt. 
Um einer solchen Einwirkung der Hexen entgegen 
zu wirken, macht die Bäuerin mit Kohle ein Kreuz auf 
den Boden des Butterfasses oder legt einen Feuerstahl 
oder sogenannten abgestorbenen Schlüssel unter dasselbe 
oder wirft Stahl oder Silber in die Sahne. 
Weit verbreitet ist auch der Brauch, die erste Sahne 
von einer Kuh oder Ziege überhaupt nicht im Butter- 
fafs, sondern durch Schütteln in einer Flasche oder 
durch Quirlen in einem Topfe — also nach der ältesten 
Weise—zu machen. Die Quirle 1 ) wurde in einem Falle, 
wie mir berichtet worden, aus dem Christbaum gefertigt. 
Das erklärt vielleicht ihre hexenabwehrende Kraft. 
Ereignet es sich nun, dafs ein Stück Vieh ernsthaft 
krank wird, so holt der abergläubische Bauer in den 
seltensten Fällen den Tierarzt, sondern einen klugen 
Mann, seltener ein kluges Weib. Jener ist ja manch 
mal ein alter Schäfer und besitzt bezüglich der Vieh 
krankheiten einige Erfahrung und kann nützliche Rat- 
l ) In der Niederlausitz: die Quirle, die Quirlen.
	        
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