Aus allen Erdteilen.
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phische Element als etwas Körperliches und somit Fremd
artiges gleichsam nur von aufsen hinzutritt. Dev Geograph
mufs daher hier die beiden Künste des Verbindens und des
Trennens sich fortwährend innig durchdringen lassen: er
mufs psychisch verschiedenartige Dinge unter dem gemein
samen geographischen Gesichtspunkte zusammenstellen und
darf doch ihre Verschieden artigkeit nicht vergessen. Er mufs
z. B., wie es Ratzel hier thut, den Dorfstaat der Neger und
den Stadtstaat der Griechen unter dem gemeinsamen Gesichts
punkte der räumlichen Kleinheit zusammenstellen und doch
ihrer kulturellen Verschiedenheit eingedenk bleiben und
ebenso unter dem entgegengesetzten Gesichtspunkte das
russische und das britannische Weltreich vergleichen, obwohl
die geistigen Grundlagen der räumlichen Ausdehnung in
beiden Fällen recht verschieden sind.
Eine weitere Schwierigkeit liegt darin, dafs hei einem
zusammenfassenden Unternehmen wie dem vorliegenden
zugleich eine ausgedehnte Kenntnis und Berücksichtigung
der Thatsachen und ihre logische Unterordnung unter
allgemeine Begriffe verlangt wird. Beide Forderungen in
idealer Vollständigkeit zu erfüllen, ist wohl nur auf dem
Gebiete der exakten Wissenschaften möglich; im Bereiche
der Geisteswissenschaften entgeht der arme menschliche Geist
mit seinem beschränkten Leistungsvermögen vielleicht niemals
völlig der Gefahr, entweder über blutlose Schemen nicht
bis zur Wirklichkeit vorzudringen, oder über die Fülle der
lebendigen Einzelheiten sich nicht überall zur rastlosen
begrifflichen Durcharbeitung des Stoffes zu erheben. Dafs ein
Forscher wie Ratzel überall aus der Fülle der Anschauungen
und Thatsachen schöpft, ist überflüssig zu bemerken ; weniger
überflüssig vielleicht der Zusatz, dafs hierin der grofse Vor
zug seines Buches gegenüber der sociologischen und staats
wissenschaftlichen Litteratur über den Staat liegt, die ihn
oft allzu sehr als ein blutloses Abstraktum behandelt.
Von dem Inhalt des Buches an dieser Stelle eine be
friedigende Vorstellung zu erwecken, ist unmöglich, weil die
in ihm behandelte Fülle der Thatsachen zu grofs, die That
sachen des geistigen Lebens zu vielseitig sind, um sich
restlos sauber unter eine Anzahl einzelner Begriffe gliedern
zu lassen, und eine kurze Angabe der Überschriften der
einzelnen Abschnitte daher dem reichen Inhalt des Buches
in keiner Weise gerecht würde. Wir bemerken daher nur,
dafs Ratzel ausgeht von der Bedeutung des Bodens für den
Staat, die teils wirtschaftlicher, teils politischer Art und bei
den verschiedenen Kulturformen verschieden stark ist, und
sodann zu der dynamischen Seite der politischen Geo
graphie übergeht, indem er das Wachstum der Staaten, seine
äufseren Anlässe, die Abgleichung verschiedener Staaten, die
wachsende Differenzierung des Bodens u. a. behandelt. Es
folgen die mehr statischen Erscheinungen: Erörterungen
über die Lage auf der Erdkugel und gegenüber der poli
tischen Nachbarschaft, über grofse und kleine Räume, über
die Grenzen, natürliche und gute Grenzen, den Unterschied
von Grenzfläche und Grenzlinie u. a. — ein Abschnitt,
der uns besonders vollendet erscheint, und den daher viel
leicht zur Einführung in den Geist des ganzen Werkes
vorweg zu lesen manchem Leser zu empfehlen wäre —,
sowie- mehrere Abschnitte über die politische Bedeutung der
einzelnen Land- und Bodenformen.
Ratzels Buch verlangt einen ernsthaften und hingebenden
Leser; sein voller Gehalt erschliefst sich kaum auf einmal
und vielleicht überhaupt nur dem vollständig, der bei eigenen
Ax-beiten als Historiker, Sociologe, Ethnograph oder Geograph
es sich eine Quelle der Belehrung und Anregung sein läfst.
Aber nicht blofs der Fachmann, sondern auch der Laie und
der Staatsmann wird es mit Gewinn lesen.
A. Vierkandt.
Aus allen Erdteilen.
Abdruck nur mit Quellenangabe gestattet.
— Die Verbreitung von Landtieren, besonders
Insekten, durch Vermittelung des Menschen be
handelt L. O. Howard in einem ausführlichen Aufsatze
(Science, 10. September 1897). Wir entlehnen demselben
folgenden kurzen Auszug. Die Vermittelung des Menschen
bei der Verbreitung von Tieren (und Pflanzen) ist eine zwei
fache: eine absichtliche und eine zufällige Vermittelung. In
Bezug auf die erstere ist zu erwähnen, dafs zuweilen die
neuen Gäste auf fremdem Boden auch zur Plage wurden,
wie in Amerika von Pflanzen: Allium vineale (der wilde
Knoblauch), Piaropus crassipes (Wasserhyacinthe), Hieracium
aurantiacum (Habichtskraut) und Genista tinctorium (Ginster).
Absichtlich eingeführte Haustiere sind selten zur Last für
das neue Vaterland geworden, aber auch solche Fälle sind
doch bekannt, z. B. die Verbreitung des Kaninchens und des
wilden Pferdes in Australien. Die absichtliche Verbreitung
wilder Arten ist meist zur fürchterlichen Plage geworden,
Avir erinnern nur an den Sperling in Amerika, die indischen
Mongus in Jamaika, doch sind auch Ausnahmen bekannt;
so wurde durch die Einfuhr eines australischen Vogels
(Vedalia cardinalis) nach Kalifornien im Jahre 1889 die
ganze Orangenkultur gerettet, indem der Vogel die schäd
lichen Zerstörer (Icerya purcliasi) vernichtete. Auch in Süd
afrika und Ägypten hat sich derselbe Vogel bewährt.
Es liegen also genug Fälle vor, aus denen man den
Schlufs ziehen kann, dafs die absichtliche Verbreitung von
Tieren, so segensreich sie auch zuweilen sein kann, doch ein
höchst gefährliches Expei'iment bleibt, das niemals versucht
Averden sollte, ohne die LebensAveise und Gewohnheiten der
in Frage kommenden Art genau zu kennen.
Die Ära der zufälligen Verbreitung von Tieren und
Pflanzen begann mit der Entwickelung des Handels und sie
Avuchs mit diesem. Aufserdem tragen zur zufälligen Ver
breitung bei: 1) heftige Stürme, wodurch leicht fliegende
Samen Hunderte von Meilen von ihrer Heimat hinweggeführt
und in neue Gegenden gelangen können; 2 ) das Wasser,
namentlich was die Verbreitung innerhalb desselben Erdteils
anbetrifft; 3) Vögel, die an einer Stelle Früchte geniefsen
und Hunderte von Meilen Aveiter die unverdaulichen, aber noch
keimfähigen Kerne wieder von sich geben; 4) Ballast, wobei
allerdings die Vermittelung des Menschen hinzukommt.
Namentlich bei Verbreitung von Pflanzen spielten Ballast
abladeplätze eine wichtige Rolle; sie sind die Centren, von
avo aus die ein geführten Pflanzen sich in die Umgegend
weiter verbreiten; 5) unreine Feld - und Gartensämereien;
6 ) das Packmaterial für Kaufmannsgüter.
Von kleineren Säugetieren sind besonders Ratten und
Mäuse unabsichtlich durch die Handelsschiffe über die ganze
Welt, mit Ausnahme der Polargegenden, verbreitet worden.
Verhältnismäfsig wenig ist noch das Studium der geo
graphischen Verbreitung der Insekten gefördert Avorden. Nur
für einzelne Gebiete liegen genauere Beobachtungen vor.
Wallace schätzte z. B. im Jahre 1880 die Zahl der Insekten
arten auf den Azoren auf 212 , von denen 175 auch in Europa
Vorkommen. Von diesen sind 101 Arten, wie man glaubt,
durch Vermittelung des Menschen nach den Azoren gelangt.
In St. Helena sind 74 von den 203 Arten sicher durch Ver
mittelung des Menschen dorthin gelangt. Am leichtesten
wird der Austausch natürlich zwischen solchen Gegenden
stattfinden können, die sehr ähnliches Klima haben und bei
denen auch die Jahreszeiten ungefähr übereinstimmen.
Natürlich spielt auch die Häufigkeit der Verbindung zwischen
zAvei Gegenden und die Schnelligkeit der Fahrten eine
wichtige Rolle. Aus diesen Erwägungen geht hervor, dafs
der Austausch am häufigsten zwischen Europa und Nord
amerika stattfinden wird, was durch Thatsachen auch be
stätigt ist. Auffällig dabei ist, dafs sich europäische Arten
leichter in Amerika ansiedeln und gedeihen als umgekehrt.
— Von den 73 den Nutzpflanzen in Amerika schädlichen
Insekten sind nur 30 einheimisch, von 6 ist der Ursprung
zweifelhaft, Avährend von den 37 eingeführten Arten 30
sicher aus Europa zufällig eingeführt Avurden. — Amerika
dagegen hat Europa nur die Phylloxera vastatrix und die
wollige Wurzellaus (Schizoneura lanigei-a) hinübergeschickt,
während die für amerikanisch gehaltene Mehlmotte (Ephestia
kuhniella) wahrscheinlich aus dem Orient stammt. Auch
von den weniger schädlichen Insekten haben sich mehr
Europäer in Amerika heimisch gemacht als umgekehrt. Der
Grund für diese merkwürdige Thatsache ist schwer zu finden,
er mag mit dem allgemeinen Zuge von Osten nach Westen,
von der älteren zur neueren Civilisation in Zusammenhang
stehen.
Die Insekten können auf dreifache Weise zufällig von
einer Gegend zur anderen gelangen: l) indem sie zum Teil
noch als Larven in ihrer Futterpflanze ruhen, die Gegenstand
des Handels ist, 2) indem ihre Futterpflanze als Packmaterial
verxvandt wird, und 3) indem sie zufällig auf ein Schiff
geraten, sich dort verkriechen und an anderer Stelle das