Dr. Hubert Jansen: Die Müggelberge, der Müggelsee u. d. Teufelssee b. Friedrichshagen i. d. Mark. 73
Schiffahrt statt (Durchgangsverkehr von der Oder
über Berlin zur Elbe und umgekehrt); heute beschränkt
sie sich auf den Kalktransport von den Rüdersdorfer
Kalkbergen nach Berlin u. s. w. Der Dampferverkehr
auf dem Müggelsee ist ein sehr geringer, so dafs dieser,
man möchte fast sagen, wieder der Natur zurückgewonnen
ist, nicht zum Schaden der Biologischen und Fischerei
versuchsstation.
Die Entstehung des Müggelsees oder genauer die
Geschichte der Art seiner Entstehung können wir nur
aus der heutigen Oberflächenform der näheren und
weiteren Umgebung, aus der Geschichte der Flufsläufe
in der Mark und in ganz Norddeutschland, aus der
Geognosie und Geographie der Mark u. s. w. erkennen;
es genüge hier, kurz die Ergebnisse der neueren For
schungen mitzuteilen.
Mehr als irgend eine andere Gegend des nord
deutschen Flachlandes ist die Umgegend von Berlin
sowohl in orographischer als in hydrographischer Hin
sicht , sowie betreffs ihres geologischen Baues nur zu
verstehen als Teil eines grofsen Ganzen, als Teil des
ausgedehnten norddeutschen Tieflandes, von dem sie
einen gewissen naturgemäfsen Mittelpunkt bildet. Einen
solchen bildet sie nicht sowohl durch ihre centrale Lage
(die immerhin angefochten werden könnte), als vielmehr
durch die wellige, von grofsen und breiten Thälern
durchfurchte Oberflächenform dieses fälschlich so häufig
als „Ebene“ bezeichneten Tief-oder Flachlandes. Schwankt
doch schon — selbst in der näheren Umgegend Berlins
— der Wechsel der Höhen mannigfach zwischen 30 und
135 m Meereshöhe. Alles deutet im norddeutschen Tief
lande und besonders in der Berliner Gegend auf ganz
aufsergewöhnliche Wassermassen, die hier ihre Spuren
zurückgelassen haben. Das von diesen gewaltigen
Wassermassen gebildete, in den hinterlassenen Thälern
zu erkennende Flufs- bezw. Stromsystem war ein den
heutigen Verhältnissen sehr wenig entsprechendes, ja
vielfach vollkommen entgegengesetztes.
Charakteristisch für die ganze südbaltische Ebene
in ihrer heutigen Gestalt ist die Thatsache, dafs ihre
Hauptströme, Weichsel, Oder, Elbe, die übereinstimmende
Hauptrichtung nach NW haben und dabei zugleich die
gröfseren Nebenflüsse nur auf dem rechten Ufer em
pfangen , und dafs diesen letzteren jene NW-Richtung
ebenfalls gemeinsam ist. Es gab aber eine Zeit, etwa
am Schlüsse der Diluvialperiode, wo die gesamten
Wasser der grofsen sarmatischen Centralsenke zwischen
dem uralisch-baltischen und dem uralisch-karpatischen
Höhenzuge nach Westen mitten durch das norddeutsche
Flachland, und zwar zwischen den beiden äufsersten
Ausläufern dieser beiden Haupthöhenzüge : der mecklen
burgischen Seenplatte bezw. dem holsteinischen Land
rücken einerseits und der Lüneburger Heide ander
seits, zur Nordsee abflossen (also auch die Wasser der
Weichsel und der Oder samt ihren Nebenflüssen, die
schliefslich alle in das untere Elbthal mündeten).
Während so gewaltige Wassermassen das Land durch
furchten , blieben weite Hochflächen und einzelne Er
hebungen inselartig zwischen den Wasserrinnen stehen.
Als solche Hochflächen, die auch für sich abgeschlossene
Landschaften bilden, sind deutlich erkennbar die (Hohe)
Zauche (bei Belzig-Treuenbriezen), der Teltow, Beeskow-
Storkow, das Land Lebus, der Barnim (Ober- und
Niederbarnim) und die aus dem Havelländischen und
dem Rhin-Luche hervorragenden Ländchen Glin, Bellin
und Friesack. Die allmähliche Veränderung dieser oro-
und hydrographischen Verhältnisse darzulegen würde
ein Buch erfordern. Es genüge hier zu sagen, dafs
durch allmähliche Senkungen von Teilen des Gesamt-
Globus LXXII. Nr. 5.
plateaus, bei sonst allgemeiner Hebung dieses letzteren,
es schliefslich dahin kam, dafs der Lauf bezw. die Flufs-
betten der Weichsel, der Oder, der Havel und der Spree
(sowie die ihrer Nebenflüsse), indem sie den neu ent
standenen Vertiefungen und Rinnen folgten, ihre heutige
Gestalt erhielten, dafs also Weichsel und Oder sich
(statt nach W zur Elbe) nach NW bezw. N hielten und
so die Ostsee erreichten. Als sich die früheren Wasser
massen in dieser Weise nach N Bahn brachen, als sich
die heutigen Stromläufe der Unter-Oder und der Unter-
Weichsel bildeten, da geschah mit den alten, entleerten
Strombetten folgendes: entweder nahmen kleinere Flüsse
oder frühere Nebenflüsse durch sie ihren Lauf, oder sie
wurden trocken , oder es bildeten sich in ihnen weite
sumpfige Niederungen (Luche, Brücher, Fenne), oder es
blieben Reihen von Seen zurück, die (noch jetzt durch
Fliefse miteinander verbunden oder durch Fenne ge
trennt) deutlich die alten Wasserläufe verraten. Die
Havel und die sich in sie ergiefsende Spree füllen den
Unterlauf des alten ungeheuren Wasserbettes oder dessen
Areal nur kümmerlich aus; obwohl nun letztere beiden
Flüsse überall, wo Teile des alten Strombettes genügende
Tiefe bewahrt haben oder wo neue Senken entstanden
sind, diese tiefer liegenden Flächen durch weite Seen
oder Reihen von Seen auszufüllen suchen, so macht
doch besonders die Spree mit ihrem nördlichen Laufe
in jenem alten Strombette den Eindruck einer Maus im
Käfig des entflohenen Löwen.
In dem heute noch ein zusammenhängendes verhältnis-
mäfsig hohes Plateau bildenden Barnim ist naturgemäfs
ein Einflufs der grofsen ostwestlichen Strombildungen
nicht unmittelbar zu beobachten; nur mittelbar, in der
Entwässerung zu den grofsen Hauptthälern hin, ist ein
solcher Einflufs hervorgetreten. Von grofser Bedeutung
ist es daher, wenn wir sehen, dafs dort, in Überein
stimmung mit den ebenso hoch und höher gelegenen
Gegenden Mecklenburgs und Pommerns, die Seenbildung
stets und ausnahmslos in engster Verbindung steht mit
der Rinnenbildung, d. h. mit der Entstehung der Wasser
rinnen, der Flufsbetten. Die Seen bilden geradezu Teile
dieser dort nordsüdlich verlaufenden Rinnen: sie sind
Flufsbecken oder die durch die jetzige Bodenbeschaffen
heit bedingten Erweiterungen der Flufsrinnen.
Wirft man von diesem Gesichtspunkte aus einen
Blick auf die Seenbildung im Teltow (wo der Müggelsee
liegt), so erkennt man bald, dafs die Seen auch hier
Teile von ursprünglichen Rinnenbildungen sind, welch
letztere durch sie auch jetzt, nach Zerstörung bezw. Ver
änderung der ursprünglich zusammenhängenden Plateau
fläche, noch unauslöschlich markiert sind, z. B. die durch
den Klein-Köriser See, den Hölzener See, den Schmölde-
see, den Trüben oder Dolgensee, den Krüpelsee und den
Krimnicksee verlaufende Rinne der Wendischen Spree, die
Rinne der Havelseen vom Schwielowsee aus über Potsdam
und Spandau, u. s. w. Solche Seenketten bezw. alte Wasser
rinnen haben wir auch in den uns hier näher berühren
den, weil mit ihren letzten Ausläufern die Müggelberge
einschliefsenden Wasserzügen, die auf der hier (S. 74)
beigegebenen Karte „Umgebung des Müggelsees “
zu finden sind.
Bemerkenswert sind dabei die drei Gabelungen der
Dahme oder Wendischen Spree, deren nördlichste Ab
zweigung (die Grofse Krampe bei Müggelheim), wie es
scheint, ehemals in genau nordöstlicher Richtung durch
die in langgestrecktem Fenne liegende Krumme Lake
bis nahe an die Spree reichte und wahrscheinlich in
den Kleinen Müggelsee mündete, so dafs dadurch auch
hier die Verbindung mit dem Grofsen Müggelsee bezw.
mit der Spree hergestellt ist. Eine zweite Kette von
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