GLOBUS .
ILLUSTRIERTE ZEITSCHRIFT FÜR LÄNDER - und VÖLKERKUNDE
VEREINIGT MIT DEN ZEITSCHRIFTEN : „ DAS AUSLAND“ UND „ AUS ALLEN WELTTEILEN«
HERAUSGEBER : Dr . RICHARD ANDRES . VERLAG von FRIEDR . VIEWEG & SOHN
Bd . LXXVII . Nr . 3 .
BRAUNSCHWEIG .
20 . Januar igoo .
Nachdruck nur nach Übereinkunft mit der Verlagshandlung gestattet .
Ein Besuch der Sclilammsprudel von Sassuolo .
Von Dr . G . Gre i in .
Bei einem Ausfluge nach Oberitalien im FrühÜDge des Jahres 1899 bot sich mir Gelegenheit , eine Anzahl von Schlammsprudeln in der Nähe von Modena zu tigen . Erreichen dieselben auch bei weitem nicht die Gröfse derjenigen Südrufslands , so sind sie doch relativ bequem zu erreichen und bieten dafür eine grofse zahl Öffnungen mit zum Teil abwechselnden Formen und Erscheinungen , so dafs sich bei einem Besuche die gewandte Mühe hinreichend lohnt . Zu einem solchen anzuregen , soll auch ein Zweck der folgenden Zeilen sein .
Die äufsere Gestalt eines Schlammsprudels ist meist die eines kleinen Vulkans . Er besteht aus einem mehr oder weniger flachen Kegel aus thonigem Schlamm , der oben eine kraterähnliche Öffnung besitzt , welche lich mit schlammigem Wasser gefüllt ist . Die Höhe bleibt infolge des wenig widerstandsfähigen Materials gering , die höchsten bekannten finden sich in der gegend von Baku . Dort tritt überhaupt die stärkste Entwickelung dieses Phänomens auf ; über hundert kleinere Eruptionspunkte sind von dorther bekannt , darunter zwischen Baku und der Mündung der Kura etwa dreifsig gröfsere Schlammhiigel . Unter diesen hebt sich nach Abich * ) der Toragai 286 m über seine Umgebung , sein Krater besitzt einen Durchmesser von über 400 m und sein Umfang beträgt etwa 18 km .
Bekanntlich wurden die Schlammsprudel früher lich zu den vulkanischen Erscheinungen gestellt und mit ihnen in ursächlichen Zusammenhang gebracht . Sie wurden deshaibauch „ Schlammvulkane“ genannt , während die passendere , weil allgemeinere und keinen genetischen Sinn besitzende Bezeichnung „ Schlammsprudel“ von Gümbel herrührt . In einer grundlegenden Arbeit * 2 ) hat er auf Grund eingehender chemischer und scher Untersuchungen einer Reihe von Schlammproben aus Schlammvulkanen die vollständige Abwesenheit kanischen Materials , dagegen das häufige Vorhandensein von organischen Resten feststellen können . Daneben scheinen jedoch immerhin auch orographisch ganz gleiche , aber genetisch verschiedene Bildungen vorzukommen , die Supan 3 ) als „ warme Schlammsprudel“ bezeichnet . Sie werden durch eine beständig hohe Temperatur und liches Ausströmen von Wasserdampf charakterisiert , und sind - nichts weiter als Solfataren in der Umgebung von
ö Mém . de l’Académie des Sciences . St . Pétersbourg - ( 7 ) . VII , Nr . 5 , 1863 .
2 ) Sitzungsberichte der kgl . bayer . Akad . d . Wissensch . München . Mathem . - physik . Klasse . IX , 1879 , S . 217 .
3 ) Grundzüge der physischen Erdkunde . 2 . Auf ! . , S . 320 .
Vulkanen , die neben dem Wasserdampfe bezw . erhitztem Wasser das erweichte Tuffmaterial des Untergrundes zu Tage fördern .
Dagegen besteht zwischen den „ kalten sprudeln“ Supans , den auch „ Salsen“ genannten scheinungen und dem Vulkanismus kein barer Zusammenhang . Eine gröfsere Anzahl derartiger Schlammsprudel , die gewöhnlich Wasser von nicht höhter Temperatur führen , das nach einigen Angaben bei stärkeren Eruptionen eine gröfsere Wärme besitzen soll , begleitet den Nordabhang des Apennins . Gümbel zählt nach Mitteilungen des Bergdirektors E . Stöhr allein in der Provinz Modena sechs Punkte auf , wo sich solche finden , die nicht nur Kohlenwasserstoffe fördern , sondern auch Schlammströme ausflieisen lassen oder fragmente ausschleudern .
Von den dort aufgeführten Punkten wurden die zwei bedeutendsten in der Umgebung von Sassuolo besucht , einem kleinen Landstädtchen , das man in ungefähr viertel Stunden Fahrens auf einer Kleinbahn von Modena aus erreicht . Von dort liegt ziemlich genau nach Süden in einer Entfernung von ungefähr 2^2 km die Salsa di Montegibbio und etwa km nach Südosten das
Salsenterrain von Nirano , beide auf den steil den Pliocänvorhügeln des Apennins , an deren Fufse in der Poebene Sassuolo liegt . Um zu ersterer zu gelangen , folgt man von Sassuolo der Landstrafse , die südwärts in die breite Bucht hineinführt , die die Secchia in den Nordrand des Apennins gerissen hat . Man folgt der Richtung des Thaies des charakteristischen Apenninen - flusses , dessen Bett überall fast die ganze Thalsohle nimmt und als eine wüste Schutt - und Sandfläche scheint , in der sich schwach bewachsene Inseln und wöhnlich nur ein relativ kleiner Wasserfaden finden , bis dahin , wo die Landstrafse an die Vorhügel der Apen - ninen herantritt . Dort führt eine Fahrstrafse links ab , auf der man in einigen Windungen ziemlich steil den Abhang hinauf in kurzer Zeit an die von Fuchs 4 ) suchte und beschriebene Salse von Montegibbio gelangt .
Sie befindet sich nach den Angaben der italienischen Specialkarte ( Tavolette rilevate 1 : 25 000 ; 86 . I . SO . ) 270 m über dem Meere und ungefähr 125 m über dem Strafsenniveau . In guter Übereinstimmung mit der Fuchsschen Beschreibung und Zeichnung fanden wir ringsum einen gut erhaltenen Kraterwall als Zeugen
4 ) Sitzungsberichte der k . k . Akademie der Wissensch . Wien , 1877 , LXXVI , 1 , S . 231 .
Globus LXXVII . Nr . 3 .