Globus , Chronik der Reisen und Geographische Zeitung .
213
Wein auf den Tisch ; wir speisten verschiedene Fischgerichte , und der Sterlet mundete mir vortrefflich . Ich war mit der Rochen Schenke und Allein , was dort ausgetischt wurde , vollkommen zufrieden .
Auf der Heimfahrt wurde mir eiue neue Ueberrafchnng zu Theil . Das vorher faufte , milde Licht des Mondes war nun weit stärker . Am nördlichen Horizonte bemerkte ich einen Aufaugs schwachen Glanz , der rasch immer heller und leuchtender wurde ; dann schössen blaßgelbe und veilchenblaue Flammen daraus hervor . Das Gauze war wie ein uuge - heitrer Glorienschein , und der Himmel stand in voller Gluth . Aber aus dem Kernpunkte desselben zuckten Blitze von bleu - deuder Helle empor , weiße Meteore , die am Himmels - gewölbe hinliefen . Allmälig wurden sie seltener , das Nord - licht verschwand , und ich war nur noch vom Lichte des Vollmondes umgössen .
Ich wende mich wieder zu prosaischen Dingen . Peters - bnrg hat eine große Menge von Wirthshäuseru aller Art . In einigen vom ersten Rauge wird man von Tataren bedient ; sie tragen — schwarzen Frack und weiße Halsbinde ! Man kann sich nichts Alberneres denken , als diese geschmack - lose Salontracht sür Tatareu , für diese guten Muselmänner , von denen Manche auch deutsch und französisch reden . Die Traktirs entsprechen unseren Speise - und Schankwirth - schaften , die man jetzt einfältigerweise in „ Restaurationen " nmgetanst hat , wie den Speisewirth in „ Restaurateur " , den Gastwirthin einen — „ Hotelier ! " Traktir ist ans dem französischen Traitenr verballhornt . Einige sind recht groß - artig , und dort geht Alles ächt - rnssisch her ; sie sind keine Zwitterdinge und man fühlt sich dort wohl . In anderen , wo mau halb und halb ist , etwas Mode mitmachen will , hat man die Tschelawek , Auswärter , in „ Gar^ons " um - gewandelt , und diese Bauernburschen in schwarzen Frack gesteckt . Die Traktirs werden fleißig besucht , und viele Kaufleute machen in ihnen beim dampfenden Samovar Ge - fchäfte ab . Der Tisch ist immer gedeckt ; vor der Mahlzeit trinkt man Zaknskas , starke Liköre , und nicht selten stießt der Champagner in Strömen , besonders wenn die Kaufleute aus Sibirien eingetroffen sind , welche aus dem Verkaufe von Edelsteinen und Pelzwerk große Summen lösen . Diese hyperboräischen Nabobs lassen sehr viel Gold springen , und führen iu der Hauptstadt ein lockeres Leben .
In St . Petersburg kennt man den „ Bodengeiz " der großen westeuropäischen Städte nicht , man knappt nicht mit dem Räume , sondern bauet geräumig und bequem . Die Gastfreundschaft kennt keine Gränzen , man empfängt gern „ Gäste " , und das gilt von allen Klassen . In vornehmen Häusern wird man vom Schwetzar , Schweizer , einem Dienerin voller Livree empfangen ; ein Lakai nimmt den Pelz ab , die breiten Treppen find mit Blumen geziert , denn sie leiden nicht von der Kälte , weil das ganze Hans gleich - mäßig geheizt wird .
Gegen Weihnachten zeigt sich das Winterleben nnge - mein lebendig . ^ Auf Strecken von vielen hundert Werst kommen ganze Schlittenkarawanen nach der Hauptstadt , um deu Senuai'amarkt zu versorgen . Aus diesem „ Heu - markte " sind hohe Haufen gefrorenen Fleisches aufgestapelt , ganze Lämmer , Schöpse und Schweine , welche wie frisch werden , wenn man sie im Wasser anfthant . Dort liegen ganze Berge von Lachsen , Stören , Sterlet und kleineren Fischen . Stets findet sich eine große Masse von Käufern ein und drängt durcheinander . Der Weihnachtsmarkt bietet einen andern Anblick dar . Die Russen haben den Christbaum und die Weihnachtsfeier der Deutschen , deren ja in St . Petersburg mehr als sechszigtauseud leben , nach - geahmt , und vor den Weihnachtstagen halten sie einen
Christmarkt vor dem Gostinoi Dwor , dem Kaufhofe , wo ganze Wälder grüner Tannen stehen , denn eine jede Familie will am heiligen Abend einen von Kerzen flimmernden Bannt im Zimmer haben .
Die Dampfbäder sind für die Russen nicht etwa ein Gegenstand des Luxus , sondern ein wahres Lebensbedürfniß . Alle Stände bis zum Bettler herab nehmen solche Bäder , deren es drei verschiedene Klassen giebt . In der dritten kostet ein Bad nur drei , in der zweiten nur fünfzehn Ko - peken , und man nimmt in ihnen das Bad in Gesellschaft anderer Leute . Iu Bädern erster Klasse befindet mau sich allein , aber die Einrichtung , obwohl luxuriöser , ist im We - sentlichen dieselbe . Es giebt der Badanstalten eine große Menge , nnd alle sind sehr geräumig ; Abends werden die Vorsäle glänzend erleuchtet . Zweimal iu der Woche werden die Dampfbäder geschlossen , aber gewöhnliche warme Bäder kann man jederzeit haben . Am Sonnabend findet allemal der stärkste Andrang statt . Von allen Seiten kommen Mnschiks ( Bauern ) , Frauen , Soldaten , Bürger ; jeder trägt ein Päckchen mit Wäsche unter dem Arm , und obendrein Wergbündel oder Büschel von Roßhaaren , um damit Ret - bnngen vorzunehmen . Einzelne Dampfbäder zählen am Sonnabend drei - bis viertausend Besucher .
Der Neujahrstag ist kein Fest , wohl aber Epiphanias . In allen Städten , Flecken und Dörfern , wo Wasser läuft und ein Priester am Orte ist , wird das Wasser gesegnet . Die Russen nennen diese Wasserweihe Aordann , zur Er - inneruug an den Fluß Jordan im gelobten Lande , und in Petersburg wird sie mit großem Pompe vollzogen . dem kaiserlichen Palast , am Ufer der Newa , wird auf dem Eis ein reich verzierter Tempel aufgeschlagen . In der Mitte des Fußbodens befindet sich ein Loch , durch welches man das an jener Stelle von Eis befreite klare Wasser sehen kann . Gegen Mittag versammelt sich die kaiserliche Familie sammt dem ganzen Hofstaat . Alles ist in Gallakleidung , der Metropolitan von St . Petersburg und von Nowgorod hält in der kaiserlichen Kapelle ein großes Hochamt , bei chem alle hohen Würdenträger der Kirche assistiren .
Der kaiserliche Palast , ein gewaltiges Gebäude , steht am linken Ufer der Newa . Die nördliche Vorderseite ist von ihm stromaufwärts hin durch den Quai des Hofes ge - trennt ; an diesem Quai liegen die Eremitage , die Kaserne des preobratschenskischen Regiments und viele Paläste der Großfürsten . Man sieht dort ferner das Admiralität - gebände und die zum Andenken Kaiser Alexander des Ersten errichtete Säule , sodauu den Admiralität - und den Jsaacs - platz und das kolossale Reiterstandbild Peters des Großen . Auf dem andern Ufer liegt die Festung und die Peters - und Paulskirche mit den Gräbern der Herrscher ans dem Hause Romanoff . Vor dem kaiserlichen Palaste theilt sich der Strom und bildet eiue Insel , Wassili Ostrow , uud diese bildet das belebteste Handelsquartier . Dort steht auch die Börse .
Am Morgen rücken die Gardetruppen aus und stellen sich auf dem großen Platze iu Parade auf . Wenn die Kälte nicht viel über sechs Grad ist , dann tragen sie ihre beste Uniform ohne den grauen Mantel . Gewöhnlich liegt Schnee , uud der Himmel ist heiter . Gleich nach dem Gottesdienste erschien der Kaiser mit seiner Gemahlin und den Großfürsten uebst deren Familie , den Ministern , Würdenträgern mit dem ganzen Hofstaate uud mit der Klerisei . Tie ungeheure Menschen - menge entblößte das Haupt ; der von Gold , Diamanten uud Stickereien strotzende Zug ging um deu Palast nach dem an der Newa errichteten Tempel , neben welchem die Fahnen der kaiserlichen Garde und die Banner der Prozession aufgestellt waren . Der Monarch trat ein , und die Ceremonie begann