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Full Text: Globus, 86.1904

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K . Th . Preuß : Der Ursprung der Religion und Kunst . 
ohne daß sie glühende Strahlen sendet ! Ebenso war das Feuer nicht etwas an sich Bestehendes , sondern das zeugnis irgend eines in der Nähe befindlichen Tieres , das erst später als Geist mit dem Feuer identifiziert wurde . 
Ich würde mich gar nicht wundern , wenn die kaner sagten , die Sonne ist ein Haufen Schmetterlinge . Das behaupten sie nicht , aber da sie die strahlen als Schmetterlinge zeichnen , so liegt das darin ausgedrückt . Denn alles , was wir in den Bilderschriften als bloße Symbole auffassen , sind in Wahrheit lebendig wirkende Kräfte gewesen , die erst später zu Symbolen 
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Abb . 5 . Hieroglyphe iliuitl ( Tag ) . 
Humboldtbilderschriften VIII ed . Seler . 
wurden . Der Primitive kennt eben keine Symbole in unserem Sinne . Da die Sonnenwärme durch linge hervorgebracht wird , so müssen später ganz richtig die Sonnenstrahlen aus Schmetterlingen bestehen , obwohl in der Form des tatsächlichen Sonnenbildes lich kein Anhalt dafür geboten ist . 
Andere Völker helfen sich , indem sie die Sonne nicht aus den Sonnentieren , sondern der Form entsprechend aus Tierteilen , namentlich Federn , bestehen lassen , die , wie wir sehen werden , dieselbe Zauberwirkung zu zielen vermögen wie das ganze Tier . So ist es meines Erachtens auf diesem Wege zu erklären , daß die Bakairi die Sonne , scheinbar ganz widersinnig , als großen Ball von Federn des roten Arara und des Tukan erklären , dessen Gefieder ebenfalls unter anderem rote Farben weist ir’ ) . 
Der erste Gedanke , den man bei den Angaben über die Bedeutung der Tiere für die Witterung , insbesondere für die Sonnenwärme hat , ist der , daß es symbolische Redensarten sind , wie unser „ Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer“ . Dadurch meinen wir eben nur , daß der Sommer beginnt , wenn die Schwalben da sind , ohne den Tieren eine ursächliche Bedeutung dafür beizumessen . Es ist ja meines Erachtens wahrscheinlich , daß die Redensart einst wörtlich zu nehmen gewesen ist , aber in der Tat kann man erst dann von der Zaubertätigkeit der Tiere überzeugt sein , wenn der Mensch sie wegen ihrer Eigenschaften zu Zauberpraktiken , d . h . im Kult zu dem Zweck verwendet hat , ihre Fähigkeiten zunutzen . Das wird am besten durch die Tiertänze wiesen , denen Kap . V gewidmet ist . Außerdem habe ich eben auf die mit Tiermasken versehenen mexikanischen Götter als Erben der betreffenden Tiere hingewiesen . 
An anderer Stelle 1 ( i ) nun konnte ich dartun , daß in Mexiko die Tieropfer den Menschenopfern vorhei’gegan - gen sind , und zwar in ganz derselben Bedeutung des Opfers . Wie nämlich in den Menschen eigentlich die Götter geopfert wurden , damit sie gekräftigt bzw . 
15 ) von den Steinen , Unter den Naturvölkern brasiliens , S . 357 . 
10 ) Der Ursprung der Menschenopfer , Globus , Bd . 86 , sonders S . 115 ff . und auch vorher . 
jüngt würden , um ihre Obliegenheiten , die Wärme , den Regen und anderes zu bringen , besser auszuführen — so tötete man einst die Tiere zu demselben Zweck , lich um ihre Zauberwirkung zu erhöhen . Und auch die Methode war zum Teil dieselbe . Wie man den Menschen z . B . den Kopf abschlug , so riß man ihn unter anderem den Tausenden von Wachteln ab , die an den schen Festen dargebracht wurden . Wie man die götter in ihr Element , das Feuer , warf ( bevor man ihnen das Herz herausriß ) , so tat man es auch mit den kleineren Opfertieren . Diese bestanden bezeichnenderweise meist in allerhand kleinen Tieren des Feldes , darunter Schlangen , Frösche , Eidechsen und Schmetterlinge , alles Tiere , die man den Göttern als Leckerbissen nicht bringen konnte , deren Opfertod vielmehr nur lich ist , wenn sie ursprünglich um ihrer selbst willen getötet wurden . Auch sind in den Erzählungen vom Priesterkönig Quetzalcouatl15 17 ) Angaben über die herrschaft der Tieropfer und die spätere Einführung der Menschenopfer gemacht . 
Wie kam man aber zu dem Glauben , daß die Tötung der Zaubertiere ihre Wirksamkeit erhöhe , ein Glaube , aus dem dann die Idee der Kräftigung und Erneuung der anthropomorphen Götter durch ihren Tod gegangen ist ? Er beruht auf der Anschauung , daß die Tiere gewissermaßen der Behälter des von ihnen geübten Zaubers sind — wir werden derartige Ideen noch genugsam kennen lernen — und dieser besser heraus kann , wenn der Körper durch Tötung geöffnet wird . Ebenso muß durch das Werfen der Tiere ins 
Abb . 6 . 
Die fünf letzten Tage des Jahres ( nemontemi ) . 
Cod . Telleriano - Remensis Bl . 7 , 1 . 
Feuer , in das Element , das sie selbst hervorrufen , die Sommerwärme stärker werden . Sie enthalten eben das Feuer in sich . Es ist der Anfang der Identifizierung eines Zaubertieres mit dem von ihm bewirkten Zauber . Die Tiere , solange sie nicht Geister sind , gehen dadurch natürlich zugrunde wie jedes Wesen . Sie geben nur ihren Zauberstoff in erhöhtem Maße dabei ab . Die Dämonen oder Götter aber müssen kräftiger und jüngt daraus hervorgehen . Ihre Tötung nahm also , 
17 ) S . über diesen auch a . a . 0 . , Globus , Bd . 86 , S . 114 .
	        
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