K . Th . Preuß : Der Ursprung der Religion und Kunst .
325
obwohl in jedem Kennzeichen dem früheren Brauch des Opfers nicht dämonischer Tiere entsprechend , eine andere Bedeutung au , um so mehr , als sich allmählich wenige einzelne Gottheiten aussonderten , die man natürlich nicht für immer vernichten durfte .
Wir finden diese Idee allenthalben . Ich führe nur an , daß z . B . die Tschiroki den Zauberadlertanz nur im Winter aufführen , weil die dazu notwendige Tötung dieses mystischen Tieres ( Aquila chrysoetus ) , der gens „ snow bird“ genannt wird , im Sommer einen Frost verursachen und so den Mais vernichten würde18 19 ) . Wenn Frösche geköpft werden , entsteht nach dem europäischen
Abb . 7 . Hieroglyphe des Feuergottes Ixco ( * auhqui : brennender Kot ( cuitlatl ) .
Cod . Bologna , S . 1 bis 8 .
Volksglauben Regen10 ) , den sie lebend durch ihr schrei hervorbringen , und wenn die Yahgan in land junge Enten töten , „ so kommt Regen in Massen herab , und der Wind weht furchtbar20 ) “ .
II .
Der Zauber der Defäkation .
Wir wissen jetzt , daß der primitive Mensch in der Tat glaubte , die im Felde und im Wasser lebenden Tiere könnten — besonders durch ihren Gesang — das Wetter hervorbringen und so das Wachstum beeinflussen . Aus ihnen wurden Dämonen , die auf dieselbe Weise ten . Die Idee kommt dadurch zustande , daß die Tiere in äußerlicher Beziehung zum Regen , zur Feuchtigkeit , zum heißen Sonnenschein , zum Schneefall usw . stehen und daraus eine ursächliche Verbindung geschaffen wird . Da die Laute der Tiere , besonders der Vögel , der Grille u . a . am stärksten auffallen , so werden sie die wirkende Kraft .
Möglicherweise ist aber noch eine andere verbindung im Spiele , nämlich die Wärme des Hauches , der beim „ Gesang“ den Mund verläßt und zur Ursache der Sommerwärme wird . Dem mexikanischen „ schmetterling“ ( Itzpapalotl ) , der Göttin des schen Feuers , die ein Abkömmling des gewöhnlichen , die Wärme hervorbringenden Schmetterlings ist , kommen z . B . im Codex Borgia21 ) die Flammen aus dem Munde . Besonders wichtig aber ist es , daß sich meines Erachtens der mexikanischen Auffassung des Hauches eine tümliche Beziehung zum Feuer und zur Sonnenwärme nachweisen läßt .
Bekannt ist in den Bilderschriften das Zeichen der Rede vor dem Munde , das sich in derselben Weise vor dem Munde des Sängers ( Abb . 1 ) zeigt . Besonders groß und am Ende mit einer Blume verziert ist hier das letzte ( dritte ) Gesangszeichen ( Abb . 1 ) . In diesem großen Zeichen befinden sich Gruppen von je zwei umgekehrt gegensätzlich gestellten Redezeichen . Diese Doppel -
18 ) Mooney , Myths . 19 th Rep . , p . 281 ff .
19 ) W . Mannhardt , Wald - und Feldkulte I , S . 354 , 355 . Anm . 2 .
20 ) Fitz - Roy , Narrative of the Surveying Voyages of H . M . S . Adventure and Beagle , London 1839 , II , p . 180 . Einige Beispiele von Werfen der Tiere ins Feuer , s . Ursprung der Menschenopfer , Globus , Bd . 86 , S . 119 .
21 ) ed . Herzog von Loubat , S . 59 .
Globus LXXXVI . Nr . 20 .
Zeichen scheinen „ Wind“ zu bedeuten , denn sie kommen häufig auf den Füßen einer Reihe von Gottheiten vor ( Abb . 2 ) 22 ) und müssen daher auf deren windgleiche Schnelligkeit und Beweglichkeit Bezug haben . Der Wind aber wird im Mexikanischen als Hauch aus der Nase und dem Munde des Windgottes gedacht , und deshalb muß man das eingangs erwähnte Redezeichen ( Abb - 1 ) zugleich als „ Hauch der Rede“ auffassen . Seine sätzliche Doppelung gebt wohl auf den Windwirbel .
Nun sehen wir das Doppelzeichen jedoch auch auf dem heißen Kochtopf , in dem über einem Feuer liche Gliedmaßen kochen ( Abb . 3 ) . Wir haben es ferner auf den Schmalseiten einer rechteckigen Steinsäule ( Abb . 4 ) . Ihre zwei Breitseiten zeigen gleichmäßig in einer Umschließung die vierzackige Brustplatte des Feuergottes , des „ Herrn der vier Richtungen“ , nauliyote - cutli , der in der Mitte der Welt im Erdinnern wohnt28 ) . Aus dieser Platte schlagen Flammen heraus . Es ist also wahrscheinlich , daß das Doppelzeichen der Rede mit dem Feuer verwandt ist .
Endlich ist dasselbe Zeichen als Hieroglyphe für Tag , Fest ( ilhuitl ) dadurch nachgewiesen , daß es in einem Namen der Bilderhandschriften Alexander v . Humboldts in Berlin den Laut ylhuj ( Tag ) repräsentiert , was durch die Beischrift des Namens ohne weiteres klar ist ( Abb . 5 ) .
Es besteht also die Ideenverbindung „ Feuer , wärme , Tag“ , was auch durch die fünf Feuer - bzw . Rauchzeichen hervorgeht , die im Codex Telleriano - Remensis Bl . 7 , 1 die fünf letzten Tage des Jahres stellen ( Abb . 6 ) . Die Verwandtschaft mit „ Hauch“ , „ Wind“ kann aber nur dadurch gekommen sein , daß der Hauch der Rede die Wärme mit sich bringt . In der Tat
Das Tageszeichen Hund ( itzcuintli ) mit seinem Patron , dem Todesgott , und dem dem Tode verfallenen Sünder , der als Zeichen der Sünde Kot und Urin läßt .
Links oben der Erdrachen und das herabstürzende Mumienbündel . Cod . Borgia 13 .
sieht man auch manchmal in den Redezeichen ein Auge angegeben , das bekanntlich in Rauchwolken die Glut bzw . die züngelnde Flamme anzeigt ( vgl . Abb . 7 ) . Beim Hauch muß es also die damit unzertrennliche Wärme vorstellen .
22 ) S . besonders im Aubinschen Tonalamatl , ed . Herzog von Loubat , S . 4 , 7 , 9 , 13 , 19 , den alten Koyote ( Ueuecoyotl ) , die Maisgöttin ( Chicome couatl ) , die Gottheit des sterns ( Tlauizcalpantecutli ) , die Göttermutter ( Teteoinnan ) , den Windgott ( Quetzalcouatl ) und die Blumengöttin ( Xochi - quetzal = Flora ) . Ferner im Codex Telleriano - Remensis , ed . Hamy ( Herzog von Loubat ) , Bl . 5 , 1 den Nationalgott Uitzi - lopochtli .
2S ) Vgl . meinen Beweis in den „ Feuergöttern“ , Mittig . Anthrop . Ges . Wien , XXXIII , S . 141 ( überhaupt K . 2 und 3 ) .
40