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Full Text: Globus, 86.1904

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K . Th . Preuß : Der Ursprung der Religion und Kunst . 
Außerdem sitzen inmitten der Feuerflammen in Abb . 4 b zwei Redezeichen , die nicht etwa Rauch sein können , da dieser in der Flamme keinen Sinn haben würde 24 25 ) . 
Es läßt sich also nicht von der Hand weisen , daß auch der warme Hauch der Sonnentiere und Dämonen die Wärme der Luft , der Sonne veranlaßt . Noch licher aber kann ich nachweisen , daß auch aus anderen Körperöffnungen die Witterung kommt , nämlich bei der Defäkation und dem Urinieren . Eine solche zunächst sonderbar klingende Ankündigung möchte ich aber nicht auszuführen unternehmen , ohne vorher den Boden dafür durch Aufzählung einer Reihe von Tatsachen bereitet zu haben , aus denen die Zauberkraft von Kot und Urin überhaupt hervorgeht . Es gibt deren eine ungeheure Menge . Hier sollen jedoch nur ein paar in buntem Durcheinander vorgeführt werden . 
In den ersten Zeiten nach der Erschaffung der Erde wandert der Schöpfer der Maidu umher , um die Welt von bösen Wesen zu säubern . Dabei trifft er auf Frauen , die Wanderer zu töten suchen , indem sie auf sie nieren 2 ; i ) . In den Mythen der Kwakiutl wird Urin wiederholt als Zaubermittel gebraucht , um schnelleres Emporwachsen von Kindern zu erzielen und lungen auszuführen26 ) . 
Solche Angaben in Mythen können freilich leicht als bloßes Spiel der Phantasie aufgefaßt werden , das keine Grundlage in der Erscheinungswelt der menschlichen Anschauungen hat . Dem ist aber durchaus nicht so . Ich kann eine ganze Reihe von Beispielen anführen , daß man durch Besprengen mit Urin an den verschiedensten Stellen der Erde Kranke zu heilen , Geister zu verjagen , Zauberkraft mitzuteilen glaubte , daß man den Kot als Talisman trug u . dgl . m . So baden die irländischen Bauern , wenn alle anderen Mittel versagen , ein an Krämpfen leidendes Kind in Urin , in den sie einige gredienzien hineintun27 ) . Für jung verheiratete Paare war in England das Urinieren durch den Ehering ein Mittel gegen Verzauberung28 ) , und entsprechend uriniert bei den Hottentotten ein Priester auf das Paar bei der Vermählung29 ) . Die Zauberer der Apachen stellten einen Liebestrank her , deren einer Bestandteil menschlicher Kot war30 ) . Australische Jünglinge mußten bei der Pubertätsfeier den Kot alter Frauen vermischt mit der Wurzel einer Pflanze trinken31 ) . Am Papuagolf in Britisch - Neuguinea hatte der Knabe unter den fachen Einweihungszeremonien , nach deren Überwindung er in die Reihen der Krieger aufgenommen wurde , den 
24 ) Auch in den Bilderschriften der benachbarten und in ihren Auffassungen den Mexikanern nahe verwandten Mayavölker findet sich der Windwirbel häufig inmitten einer Flamme im Codex Tro . Dagegen ist es nicht zu erweisen , daß das Zeichen in den Flammen ( Codex Dresdensis , ed . Förstemann , Bl . 25—28 ) das Tageszeichen ik = mexikanisch eecatl , Wind , ist . Anderseits scheinen von dem Zeichen ik des Codex Tro ed . Brasseur de Bourbourg 16 * 15 * wolken auszugehen . 
25 ) Dixon , Maidu Myths , Bulletin Amer . Mus . Nat . Hist . New York XVII , 2 , p . 110 . 
26 ) Boas and Hunt , Kwakiutl Texts , Memoirs Amer . Mus . Nat . Hist . New York V , p . 77 , 266 , 268 . 
27 ) Mooney , Medical Mythology of Ireland , Transactions Amer . Philos . Soc . 1887 , p . 144 . 
28 ) Brand , Populär Antiquities III , p . 305 nach John Gr . Bourke , The Use of Human Ordure and Human Urine , ington 1888 , p . 49 . Das Buch von Brand war mir nicht gänglich . 
29 ) Peter Kolben , Caput honae spei hodiernum , Nürnberg 1719 , S . 452 f . Das wird von Th . Hahn , Jahresber . Ver . f . Erdk . Dresden VI , S . 9 und von Fritsch , Die Eingeborenen Südafrikas , S . 330 bestätigt . 
3e ) Bourke , The Use of Human Ordure etc . , p . 50 . Hier auch viele andere Beispiele . 
3l ) Ridley , Journ . Autlrrop . Inst . VII , p . 252 . 
Urin eines Häuptlings zu trinken , den er auf dem Rücken liegend direkt von dem über ihm stehenden Häuptling empfing 32 ) . ( Vgl . auch Kapitel IX . ) 
Sehen wir uns nun einen solchen Fall in Mexiko etwas näher an . 
Wenn in den Bilderschriften in der Reihenfolge der sogenannten neun senores de la noche der Feuergott Ixcogauhqui steht , so erscheint an derselben Stelle des Codex Bologna33 ) mitunter als Stellvertretung die glyphe , die unsere Abb . 7 bringt . Sie kommt auch sonst im Codex Borgia ( S . 10 , 28 usw . ) häufig als Bezeichnung der Wärme , des Feuers , des zerstörenden Elementes vor und stellt Rauchwolken und Feuerflammen dar , die von einem kommaartigen Gebilde , eben menschlichem Kot ( cuitlatl ) , aufsteigen . Letzteres ist eine ganz bekannte Darstellung bei der Defäkation ( Abb . 8 ) und ist auch sonst von den indianischen Gewährsmännern als cuitlatl erklärt . Nur konnte man bisher mit „ brennendem cuitlatl“ als Hieroglyphe des Feuergottes natürlich nichts anfangen . ( Neuerdings hat auch Seler die Hieroglyphe als „ Ausschwitzuug des Feuergottes“ erklärt . Die Pauke von Malinalco , Mitt . Anthrop . Ges . Wien XXXIV , 1904 , S . 250 . ) 
Nach unsern früheren Erörterungen ergibt sich die Bedeutung von selbst . Wie der Hauch des Mundes und der Gesang die innere Wärme mit sich bringt und nach alten Anschauungen die Hitze des Tages verursacht , wie demgemäß im Mexikanischen wie in den schriften das Zeichen des Hauchs bzw . des Windes mitten einer Feuerflamme gezeichnet ist , so enthält auch der Kot die Wärme des Körpers , und das Feuer steigt von ihm auf . 
Mit einer solchen Anschauung hängt augenscheinlich auch die Meinung der Yoruba zusammen , daß in dem Bauche jedes Menschen ein Geist des Feuers wohne , während andere Körperteile von anderen Geistern genommen sind , die die Tätigkeit der betreffenden Glieder verrichten ( vgl . weiter unten Kap . VIII ) . Von diesem Geist „ Ipin ijeum“ sagt das Sprichwort bezeichnend : er läßt nicht zu , daß das Feuer von der Erde verschwinde34 ) . 
Durch die Idee eines solchen Zaubers der Defäkation werden plötzlich auch andere Erscheinungen in den Bilderschriften klar , für die wir erläuternde aztekische Bezeichnungen haben . So haben der Nationalgott Uitzi - lopochtli und Tezcatlipoca gelbe Querstreifen über Mund und Auge , die bei dem ersteren von den Gewährsmännern Sahaguns35 ) höchst realistisch erläutert werden : „ mit seinem Kinderschmutz ist er bemalt ; es wurde seine Kinderbemalung genannt“ ( yc ommichiuh yn iconecuitl mitoaya ypilnechinal ) . Dieser eigentümliche zauber kommt nun daher , daß Uitzilopochtli der gott ist , der jeden Morgen neu geboren wird36 ) und deshalb seinen die Hitze verursachenden Kot im Gesichte trägt . Und mit Tezcatlipoca ist es ebenso . Nur muß man sich bei beiden gegenwärtig halten , daß ihr Wesen durchaus nicht in dem Ausdruck „ Sonnengott“ aufgeht . Sie waren ursprünglich Dämonen der Sommerwärme und beeinflußten nur die Sonne 37 ) . 
Deshalb gibt es auch ein eigentümliches , auf dem Rücken getragenes Kriegsabzeichen , d . h . ursprünglich ein Zaubermittel , das beschrieben wird als „ eine Holz - 
32 ) J . Holmes , Initiation Ceremonies of Natives of the Papuan Golf . Journ . Antlirop . Inst . XXXII , 1902 , p . 424 . 
33 ) ed . Herzog von Loubat , p . 5 , 6 , 8 . 
34 ) A . B . Ellis , The Yorüba - speaking Peoples of the Slave Coast of West Africa , London 1894 , p . 126 f . 
35 ) Sahagun - Manuskript Bd . III , Kap . 1 in Vei'öffentlichun - gen a . d . k . Museum f . Völkerkunde I , S . 120 , VI , S . 146 . 
30 ) Vgl . Ursprung der Menschenopfer , Glohus , Bd . 86 , S . 111 . 
37 ) A . a O . S . 115 ff .
	        
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