Skip to main content
Page Banner

Full Text: Anthropos, 16/17.1921/22

Das Grab der Afrikaner. 
955 
i 
Psychologisch kann man nicht zu einer objektiven Entwicklung der Be 
gräbnissitten Vordringen, nur historisch lassen sich die Daten festlegen; der 
Psychologie verbleibt die Aufgabe, die historischen Tatsachen in ihrer Be 
dingtheit und Abhängigkeit zu erklären. 
Wir haben in Afrika eine vierfache Völkerschichtung festzuhalten. Ich 
gruppiere hier die Völker nach der Tabelle, die Prof. Weule in seinem „Leit 
faden der Völkerkunde“ aufgestellt hat. Die älteste Volksklasse bilden die 
Pygmäen; auf sie folgen zeitlich die hellen Südafrikaner, die Buschmänner 
und Hottentotten, dann folgt die Bantufamilie, die in Vermischung mit Hamiten 
die Sudanneger gebildet hat, und zuletzt erscheinen die Hamiten, die zeitlich 
jüngste Bevölkerung Afrikas. 
Es handelt sich also zunächst darum, die Begräbnisarten festzustellen, die 
sich bei diesen Völkern finden und dann zu versuchen, sie auch in inneren 
Zusammenhang zu bringen. Gelingt es, die historische Reihe auch psycho 
logisch verständlich zu machen, so haben wir eine der Wahrheit getreue Ent 
wicklungsreihe des Begräbnisses vor uns; der Ausgangspunkt allerdings bleibt 
immer auch dann noch in Dunkel gehüllt; denn wir haben keine historischen 
Zeugnisse, die bis in die Anfänge der Menschheit zurückreichen und sind 
hier auf Kombinationen angewiesen. 
Die Bestattungsart der Pygmäen ist nun die Beerdigung, wie Seyffert 
in seinen Untersuchungen nachgewiesen hat. Die vereinzelten Beispiele von 
Verbrennen und im Fluß-Begraben können nur als Ausnahmen gewertet werden, 
soweit sie überhaupt zuverlässigen Zeugnissen entspringen. 
Die Buschmänner und Hottentotten haben beide gemeinsam die Aus 
setzung, die Bestattungsart der gewöhnlichen Leute, die nicht in der Hütte 
sterben, das Steingrab für die Großen des Stammes, die Hockerform und das 
Aussetzen der noch lebenden alten Leute. Bei den Hottentotten kommt schon 
das Hüttengrab beim Häuptling hinzu. 
Das Hüttengrab umfaßt das große Gebiet aller Bantu- und Sudan-Neger. 
Hier gesellt sich in weiter Verbreitung die Aussetzung, der Kannibalismus 
und das Hockergrab hinzu. Hamitisch scheint das Steingrab zu sein, oder 
doch wenigstens in seinem Ursprung aus dem Osthorn zu kommen. Parallel 
dem Hüttengrab geht das Nischengrab. 
Das sind die großen Begräbnisarten des afrikanischen Kontinentes. Die 
anderen Formen sind in ihrem Wesen nach meist jüngere Formen, können 
aber auch, wie zum Beispiel das Baumgrab, Kümmerformen sein, deren Ge 
schichte wir noch nicht klar zu erkennen vermögen. 
Es würde sich demnach die zeitliche Reihenfolge der Begräbnisse in dieser 
Weise ergeben: Erdgrab, Hüttengrab, Aussetzung, Hocker, Steingrab, Kanni 
balismus. Wann sich das Nischengrab entwickelt hat, ist schwer zu sagen, doch 
läßt das Vorkommen bei den Hottentotten auf eine baldige Entstehung schließen. 
Läßt sich psychologisch diese Reihe erklären? An die erste Stelle rückt 
das Erdgrab. Von vorneherein können wir sagen, daß das Erdgrab nicht die 
erste Stufe darstellt, daß es vor ihr noch eine Art gegeben halfen muß, die 
Leiche zu behandeln, weil .wir es nicht mehr mit ^einem Urvolk, sondern mit 
einem, wenn auch wenig, entwickelten Stamm zu tun haben. Die ■Prähistorik 
•
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.