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Full Text: Anthropos, 16/17.1921/22

Die künstlichen Zahnverstümmlungen in Afrika im Lichte der Kulturkreisforschung. 885 
sind mir aber nicht bekannt. Nur Bastian berichtet, daß an der Loango-Küste 
die Zähne „je nach den Gelübden“ ausgeschlagen, horizontal, oder dreieckig 
gegeneinander gefeilt (6, I, S. 185), oder, wie besonders im Innern, gespitzt 
werden (ebenda, S. 152). An gleicher Stelle fährt er fort, daß ein „Prinz sich 
nicht verheiraten kann, ohne seine Zähne gefeilt zu haben“. Es scheint sich 
hier in der Tat um „Gelübde“ zu handeln, deren Erfüllung gerade an der 
Loango-Küste die Geheimbünde überwachen. Die Geheimbünde sind im letzten 
Grunde nur hochentwickelte Zweige des totemistischen Sittenkomplexes. Im 
Zusammenhang mit dem Totemismus erscheinen auch die tigerkrallenförmigen 
Zahnverstümmlungen der Wüte und Batschenga, die Skolaster beobachtete 
(97, S. 45/46), in ganz anderem Lichte (siehe Tafel I, Abb. 24 und 25). Ihr 
vermutlicher Zusammenhang mit dem Totemismus ließ mir die Eingliederung 
dieser Formen in die Zuspitzung gerechtfertigt erscheinen. 
Ich möchte nicht versäumen, auf die Masken einzugehen, die wiederum 
manche Beziehungen zum Geheimbundwesen aufweisen. Es kann hier nicht 
meine Aufgabe sein, ihre Verbreitung in Afrika zu untersuchen. Ich verweise 
daher auf die in Frobenius, Die Masken und Geheimbünde Afrikas (Halle 
1898), enthaltene Verbreitungskarte. Von großer Bedeutung ist, daß, wie schon 
erwähnt, auch im Rovuma-Gebiet Masken gesammelt wurden. Das ist um so 
wertvoller, als in den Masken und den mit ihnen ausgeführten Tänzen die be 
redtesten Beziehungen zum „Westafrikanischen Kulturkreis“ zu erblicken sind. 
Die Masken sind indessen auch als Kunstwerke von Bedeutung. Bei der aus 
gesprochenen Vorliebe des Afrikaners in seinen Plastiken, besonders Ziernarben 
und andere Ornamentik darzustellen, wobei er auf die Ähnlichkeit seiner Bild 
werke nur sehr wenig Wert legt, nimmt es nicht wunder, daß die Zahnver 
stümmlungen sich in den Masken wiederfinden. Freilich ist es nicht immer 
leicht, die Zuspitzung genau festzustellen. Wenn der eingeborne Künstler die 
Schneidezähne nämlich spitz darstellt (V), erspart er sich die Ausarbeitung 
der Schneidekante ([_]). Zahlreiche Masken, die schon äußerlich die rein ge 
schäftsmäßige Herstellung für unkundige Sammler verraten, zeigen daher auch 
roh bearbeitete, spitz zulaufende Schneidezähne. Aber selbst sorgfältig ausge 
führte Masken lassen oft eine individuelle Darstellung der Zähne vermissen. 
In solchen Masken konnte ich nichts Typisches erblicken. Ihnen stehen aber 
einige sehr schöne Exemplare aus dem Leipziger Museum für Völkerkunde 
gegenüber. Drei der von mir dargestellten Masken sind Juju-Köpfe. Schurtz 
sagt über die Juju-Bünde: „Wahrscheinlich sind die oft erwähnten Juju-Gesell- 
schaften des Kalabär-Gebietes mit ihren „Tempeln“ und grausamen Bräuchen 
auch nur Abzweigungen des Egbo-Bundes (104 b, S. 421). Bei diesen Masken 
sind die Zähne extra in den Kiefer eingesetzt, was ihre Gestalt sehr auffällig 
macht. Die Maske auf Tafel IV, Abb. 1, zeigt spitze zweite Schneidezähne im 
Oberkiefer; die mittleren sind entweder entfernt oder die Lücke stellt ein 
Diasthema vor, was aber kaum anzunehmen ist. Wie bereits die geographische 
Verbreitung des Juju-Bundes zeigt, stimmen die in den Masken dargestellten 
Zahnverstümmlungen mit der geographischen Verbreitung der Typen überein 
(siehe auch Tafel IV, Abb. 2 und 3). Besonders bemerkenswert sind in dieser 
Hinsicht zwei weitere Masken, Die eine (Tafel V, Abb. 1) stammt vom unteren
	        
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