Die künstlichen Zahnverstümmlungen in Afrika im Lichte der Kulturkreisforschung. 885
sind mir aber nicht bekannt. Nur Bastian berichtet, daß an der Loango-Küste
die Zähne „je nach den Gelübden“ ausgeschlagen, horizontal, oder dreieckig
gegeneinander gefeilt (6, I, S. 185), oder, wie besonders im Innern, gespitzt
werden (ebenda, S. 152). An gleicher Stelle fährt er fort, daß ein „Prinz sich
nicht verheiraten kann, ohne seine Zähne gefeilt zu haben“. Es scheint sich
hier in der Tat um „Gelübde“ zu handeln, deren Erfüllung gerade an der
Loango-Küste die Geheimbünde überwachen. Die Geheimbünde sind im letzten
Grunde nur hochentwickelte Zweige des totemistischen Sittenkomplexes. Im
Zusammenhang mit dem Totemismus erscheinen auch die tigerkrallenförmigen
Zahnverstümmlungen der Wüte und Batschenga, die Skolaster beobachtete
(97, S. 45/46), in ganz anderem Lichte (siehe Tafel I, Abb. 24 und 25). Ihr
vermutlicher Zusammenhang mit dem Totemismus ließ mir die Eingliederung
dieser Formen in die Zuspitzung gerechtfertigt erscheinen.
Ich möchte nicht versäumen, auf die Masken einzugehen, die wiederum
manche Beziehungen zum Geheimbundwesen aufweisen. Es kann hier nicht
meine Aufgabe sein, ihre Verbreitung in Afrika zu untersuchen. Ich verweise
daher auf die in Frobenius, Die Masken und Geheimbünde Afrikas (Halle
1898), enthaltene Verbreitungskarte. Von großer Bedeutung ist, daß, wie schon
erwähnt, auch im Rovuma-Gebiet Masken gesammelt wurden. Das ist um so
wertvoller, als in den Masken und den mit ihnen ausgeführten Tänzen die be
redtesten Beziehungen zum „Westafrikanischen Kulturkreis“ zu erblicken sind.
Die Masken sind indessen auch als Kunstwerke von Bedeutung. Bei der aus
gesprochenen Vorliebe des Afrikaners in seinen Plastiken, besonders Ziernarben
und andere Ornamentik darzustellen, wobei er auf die Ähnlichkeit seiner Bild
werke nur sehr wenig Wert legt, nimmt es nicht wunder, daß die Zahnver
stümmlungen sich in den Masken wiederfinden. Freilich ist es nicht immer
leicht, die Zuspitzung genau festzustellen. Wenn der eingeborne Künstler die
Schneidezähne nämlich spitz darstellt (V), erspart er sich die Ausarbeitung
der Schneidekante ([_]). Zahlreiche Masken, die schon äußerlich die rein ge
schäftsmäßige Herstellung für unkundige Sammler verraten, zeigen daher auch
roh bearbeitete, spitz zulaufende Schneidezähne. Aber selbst sorgfältig ausge
führte Masken lassen oft eine individuelle Darstellung der Zähne vermissen.
In solchen Masken konnte ich nichts Typisches erblicken. Ihnen stehen aber
einige sehr schöne Exemplare aus dem Leipziger Museum für Völkerkunde
gegenüber. Drei der von mir dargestellten Masken sind Juju-Köpfe. Schurtz
sagt über die Juju-Bünde: „Wahrscheinlich sind die oft erwähnten Juju-Gesell-
schaften des Kalabär-Gebietes mit ihren „Tempeln“ und grausamen Bräuchen
auch nur Abzweigungen des Egbo-Bundes (104 b, S. 421). Bei diesen Masken
sind die Zähne extra in den Kiefer eingesetzt, was ihre Gestalt sehr auffällig
macht. Die Maske auf Tafel IV, Abb. 1, zeigt spitze zweite Schneidezähne im
Oberkiefer; die mittleren sind entweder entfernt oder die Lücke stellt ein
Diasthema vor, was aber kaum anzunehmen ist. Wie bereits die geographische
Verbreitung des Juju-Bundes zeigt, stimmen die in den Masken dargestellten
Zahnverstümmlungen mit der geographischen Verbreitung der Typen überein
(siehe auch Tafel IV, Abb. 2 und 3). Besonders bemerkenswert sind in dieser
Hinsicht zwei weitere Masken, Die eine (Tafel V, Abb. 1) stammt vom unteren