Spiridion Gopcevic: Streifzüge in Portugal.
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faßte ferner die Ergänzungshefte 8 (Das Land und Volk
der Tebu) und 19 (Die modernen Verkehrsmittel), redigirte
seit 1866 sieben Jahrgänge des geographischen Jahrbuchs,
schrieb seit 1872 mit H. Wagner zusammen die sieben ersten
Hefte der „Bevölkerung der Erde" und seit 1876 die Bevölke-
rungs- und Verkehrsstatistik im „Gothaer Almanach". Seit
1877 gab er in den Mittheilnngeu seine „Geographischen
Monatsberichte", die wohlbekannte Uebersicht über neue
Litteratur, Karten und Reisen. Von besonderer Bedeutung
unter seinen Abhandlungen ist „Dr. Livingstone's Erfor
schung des oberen Kongo" (Mittheilungen 1872), weil er
darin die Beweise für die Zusammengehörigkeit des Lualaba
mit dem Kongo beibrachte; im Gedächtniß der meisten scheint
freilich diese wissenschaftliche That bereits wieder verwischt zu sein.
— Paul Pogge, der erfolgreiche deutsche Afrika
reisende, geboren 27. December 1839 in Zierstorpf in Mecklen
burg, gestorben 16. März 1884 in S. Paulo de Loanda.
Anfangs Landwirth, dann Jurist (er promovirte 1860 zum
Doktor der Rechte), unternahm er 1865 zu Zwecken der Jagd
eine Reise nach Capland und Natal, lebte dann wieder
einige Jahre als Landwirth in seiner Heimath und betheiligte
sich Ende 1874, zunächst als Freiwilliger, an der dritten
Expedition, welche die Deutsche Afrikanische Gesellschaft nach
dem südlichen Becken des Kongo aussandte. Von den fünf
Mitgliedern derselben kehrten indessen vier um, und so war
es Pogge allein, der am 9. December 1875 die Residenz des
Muata Jamwo erreichte und die ersten eingehenden Schilde
rungen seines Reiches veröffentlichen konnte. („Im Reiche
des Mnata Jamwo". Berlin 1880.) Diese Reise sowohl
als seine zweite, mit Lieutenant Wißmann zusammen unter
nommene, deren glückliche Durchführung ganz wesentlich Pogge
zu danken ist, sind unseren Lesern durch zahlreiche Mitthei
lungen wohl bekannt. Als das schwerste Stück Arbeit ge
than, Njangwe am oberen Kongo erreicht war, ließ er selbst
los seinen Begleiter Wißmann in die civilisirte Welt zurückeilen,
um selbst nach der neubegründeten Station im Lande der
Tuschilange zu ziehen und dort noch länger als ein Jahr
auszuharren. Gerade als er die rettende Küste des Atlan
tischen Oceans erreicht hatte, erlag er den Jahre lang er
tragenen Strapazen und Entbehrnngen. Er war, wie einer
der erfolgreichsten, so auch einer der bescheidensten und liebens
würdigsten Reisenden der Neuzeit.
Streifzüge
Von Spiridi
4. P
Als ich das erste Mal Porto betrat, kam ich von Lissa
bon. Dies hatte zwar einerseits den Nachtheil, daß mein
Herz noch voll der Eindrücke der herrlichen Lisboa und
ihres noch reizenderen Sprößlings Cintra war, andererseits
brachte es aber den Vortheil mit sich, daß sich mir die
Stadt kurz vor Passircn der Eisenbahnbrücke und während
desselben von ihrer vortheilhaftesten Seite präsentirte. Un
willkürlich rief ich aus: „Das ist ja noch schöner als
Lissabon!" und ein im Coupé sitzender Portuenser bekräf
tigte in edlem Lokalpatriotismus: „Ja natürlich! Porto ist
ja die schönstgelegcnc Stadt der Welt!"
Ich antwortete nicht, obschon ich mir dachte: „Armer
Teufel, du hast weder Konstantinopel, noch Neapel, noch
Genna, noch Stockholm gesehen!" denn diese Städte sind
doch noch imposanter gelegen als Porto. Aber selbst mit
Lissabon kann Porto nicht so bestimmt rivalisiren. In Lissa
bon besticht die große Ausdehnung der auf mehreren Hügeln
gelegenen Stadt, die enorme Breite des Tejo mit dem
malerisch hingeworfenen Almada ans der anderen Seite,
das in der Ferne sichtbare Meer und die anmnthigen Ge
stade von Bclcm. Porto ist bedeutend kleiner, das Meer
bleibt unsichtbar, der Donro ist nicht sehr breit und so ge
wunden, daß man immer nur ein kleines Stück von ihm
sieht. Der Hauptreiz Portos besteht jedoch in den un
gemein malerischen steilen Ufern des Donro, welche, sofern
sic nicht von Häusermassen eingesäumt werden, von der
üppigsten Vegetation bedeckt sind, und in einzelnen besonders
markanten Punkten, wie dem Convento da Serra, der Eisen-
bahnbrücke, der Kettenbrücke und den aus der Häusermasse
emporragenden Gebäuden und Kirchthürmen.
Porto ist bekanntlich die zweitgrößte Stadt Portugals.
Obschon bloß 110 000 Einwohner zählend, macht sie doch
in Portugal.
on Gopcevic.
orto.
einen viel größeren Eindruck. Als Handelsstadt kann sie
sich mit den ersten Hafenstädten Jberiens messen. See
schiffe können bis zur Brücke fahren, doch ist die Einfahrt
in den Donro wegen der vorliegenden Barre sehr schwierig
und gefahrvoll. Warum sic nicht entfernt wird, was bei
den heutigen technischen Mitteln eine Kleinigkeit wäre, weiß
ich nicht. Der Vorwand, sic trage zum Schutz Portos
gegen feindliche Angriffe bei, ist nicht stichhaltig, denn auch
nach Entfernung der Barre ließe sich durch Strandbatterien
und Torpedos der verhältnißmäßig schmale Donro leicht
schützen. Bei der großen Steilheit der Ufer genügte eine
Mörserbatterie, um durch Bewerfen des Verdeckes der
Panzerschiffs diese zum Rückzug zu zwingen. Während ich
in Porto weilte, scheiterte ein prächtiger Dampfer an der
Barre; das Wrack bot einen schaurig interessanten Anblick.
Portos, welches seit der tapferen Vertheidigung im
Erbfolgekriege der dreißiger Jahre den Titel führt: „a leal
e invicta cidade“ (die loyale und unbesiegte Stadt), liegt
am rechten User des hier gegen 300 m breiten Donro,
ungefähr sechs Kilometer von seiner Mündung in den
Ocean. Im Alterthume Portas Cale genannt, gab es
dem Namen Portugal seine Entstehung. Von den Arabern
716 erobert, fiel es ans kurze Zeit Alfonso I. von Leon in
die Hände, wurde jedoch 820 oder 825 von Almansur von
Córdoba wiedergewonnen und gänzlich zerstört. Erst Ñ48
(nach Anderen 999) siedelten sich wieder Gascogner an, von
denen die Stadt Portus Galliens oder Portus Gallorum
genannt worden sein soll. Zu Anfang des 12. Jahrhunderts
wurde Porto befestigt. In der neueren Zeit zeichnete sich
st Mit dem Artikel O Porto, „Der Hafen", in Deutsch
land fälschlich zu Oporto zusammengezogen.
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