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Full Text: Globus, 47.1885

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Spiridion Gop cevic: Streifzüge in Portugal. 
die Stadt durch unruhigen Geist der Einwohner aus. 
1628, 1661 und 1756 kam es zu Aufständen, und auch 
1807 gab Porto das Signal zur allgemeinen Erhebung 
gegen die Franzosen. 1809 fand hier Wellingtons be 
rühmter Douroübergang statt, im Angesicht der von Soult 
befehligten Armee. 1832 und 1833 gewann Porto un 
sterblichen Ruhm durch die Vertheidigung gegen D. Miguel's 
Heer. 1836 ersetzten die Portuenser die Konstitution durch 
die Charte, um 1842 wieder zur ersteren zurückzukehren, 
was nicht hinderte, daß sie 1846 doch wieder die Charte 
proklamirten. Es scheint also, daß das gallische Blut der 
Bevölkerung noch nicht ganz in das kühlere lusitanische 
aufgegangen ist. 
Meinen ersten Spaziergang begann ich vom Hafen aus, 
durch die belebteste Straße Portos, die Rua Nova dos 
Jnglezes, so genannt nach der englischen Faktorei am Hafen. 
Gegenüber derselben hat der Bischof seinen Palast. Um 
die Ecke biegend gelangen wir in die Rua Nova de S. Joao, 
der schönsten und regelmäßigsten der Stadt mit hohen 
Häusern und bunten oder vergoldeten Balkönen. Sie steigt 
sehr steil an und unter ihr fließt unter massiven Steinbogen 
der Rio da Billa. Als diese Straße 1765 gebaut wurde, erließ 
mau den bizarren Befehl, daß die jeweilig einander gegen 
überliegenden Häuser in demselben Stile gebaut werden 
müßten. So geschah es z. B., daß auf der einen Seite 
ein ebenerdiges Häuschen dasselbe prächtige Portal und die 
durchbrochenen Bogenfenster hatte, wie ein gegenüberliegender 
fünfstöckiger Palast. Da es in Portugal Sitte ist, daß die 
verschiedenen Gewerbe je eine Straße für sich einnehmen, 
so darf man sich nicht wundern, hier fast alle Gewürz- 
krämer beisammen zu finden. Die Straße mündet in den 
Largo de S. Domingo (die „largo«“ sind gleich den nea 
politanischen „larglii“ bloß platz artige Erweiterungen der 
Straßen), wo die Kirche da Misericordia ein interessantes, 
dem Gran Vasco zugeschriebenes Bild enthält, dessen 
Figuren Profile des Königs D. Manuel, seiner Familie 
und Zeitgenossen sind. 
Rechts vom Platze biegen wir in die Rua das Flores 
ein, welche eigentlich Rua do Ouro heißen sollte, da hier, 
wie in der Lissaboner Rua Aurea sämmtliche Juweliere und 
Goldarbeiter ihre glitzernden Lüden haben. Porto ist nämlich 
berühmt durch seine Goldfiligranindustrie, und thatsächlich 
kann man hier in den Auslagen die wunderbarsten Ar 
beiten sehen. Besonders stolz sind die Portuenser auf den 
Feingehalt ihres Goldes. 
Uns links haltend gelangen wir in die Cachada dos 
Clerigos, auf derem höchsten Punkte — zugleich dem höch 
sten der Stadt — der Thurm dos Clerigos sich erhebt. 
Dieser, 210 Fuß hoch und somit nach Mafra der höchste 
Portugals, gewährt die schönste Aussicht auf die Stadt und 
Umgebung. Von hier erst kann man die köstlichen Reize 
ihrer Lage gebührend würdigen. Schade, daß ein geradezu 
entsetzlicher Wind den Aufenthalt im Thurme unangenehm 
machte. Die Aussicht erstreckt sich bis auf 10 Meilen 
jenseits der Mündung. 
Unweit der Torre dos Clerigos haben die Damen der 
Halle in hölzernen Baracken ihren Stand. Auf der anderen 
Seite erhebt sich die Academia. Die medizinische Ab 
theilung derselben, welche 100 Studenten und 400 bis 500 
Patienten zählt, befindet sich jedoch im Hospital de S. An 
tonio. Uebrigens giebt es in Portugal eine Menge Privat 
spitäler, welche von den Jrmandades (Brüderschaften; 
span. Hermandadcs) unterhalten werden. Jedermann kann 
Jrmno resp. Irma werden, welcher einen Beitrag von 
80 bis 100 Mark entweder auf einmal oder einen ent 
sprechenden Jahresbeitrag zahlt. Dafür wird er, so oft er 
erkrankt, unentgeltlich aufgenommen und liebevoll gepflegt. 
Selbst Reiche und Vornehme sind Mitglieder; so z. B. 
war auch Königin D. Maria II. „Irma“ einer solchen 
Brüderschaft. Das Kapital derselben vermehrt sich durch 
Legate verstorbener Mitglieder in erfreulicher Weise. Alte 
Leute erwerben durch Einzahlung einer bestimmten Summe 
das Recht, sich bis zum Tode verpflegen zu lassen. 
Ueber den Largo de S. Ildefonso, in dessen Umgebung 
die Sattler und Hutmacher ihre Läden haben, gelangen 
wir nun zur Italienischen Oper auf dem Largo da Batalha. 
Die Arbeiter haben hier dem Musterkönig D. Pedro V. 
mittelst Subskription eine Statue errichtet. Von hier ist 
es nicht weit zu der mit Anlagen bepflanzten großen Praxa 
de S. Lazaro, von welcher wir rechts zum Passeio das 
Fontainhas hinabsteigen, einem aussichtsreichen Spazier 
gange, wie ihn nur wenige Städte aufweisen können. Er 
ist in den Abfall des 90 m hohen Ufers geschnitten, aber 
merkwürdigerweise nur von den unteren Volksklassen besucht. 
Wir stehen gerade dem auf dem anderen Ufer malerisch 
gelegenen Kloster Serra gegenüber, zu unseren Füßen 
tief unten den belebten Fluß, rechts die Kettenbrücke, ein 
durch seine kühne Anlage und Höhe imponirendes Werk, 
links hohe, hier und da mit Bäumen bepflanzte Klippen. 
Nur schwer trennen wir uns von dem bezaubernden 
Panorama und suchen die Kathedrale auf, welche sich aus 
der Spitze eines Hügels erhebt, der ehedem ein fuevisches 
Kastell trug. Portugal ist im ganzen arm an hervor 
ragenden Kirchen, daher will es nicht viel sagen, wenn die 
Kathedrale eine der interessantesten des Landes ist. Jm- 
ponirender als diese nimmt sich jedoch die Jgreja de 
S. Francisco aus. Sie — oder vielmehr das anstoßende 
Kloster — ist berühmt durch das während der Belagerung 
von 1832 dort ausgebrochene Feuer, welches zur Auf 
hebung aller portugiesischen Klöster führte. Die Pfaffen, 
welche natürlich auf Seite des ehrlosen D. Miguel standen, 
hatten nämlich beschlossen, gleichzeitig sämmtliche Klöster 
Portos anzuzünden, um sowohl die in ihnen einquartierten 
Truppen zu verbrennen, als auch um den Herzog von 
Bragantzñ zu ermorden. Durch Irrthum wurde jedoch das 
Kloster S. Francisco um eine Stunde zu früh angezündet, 
in Folge dessen scheiterte der teuflische Plan und ver 
brannten bloß drei Soldaten mit ihrer Fahne. Von den 
Pfaffen wurde einer sofort niedergeschossen, zwei andere 
eingekerkert, aber trotz ihres Geständnisses sonderbarerweise 
nicht hingerichtet. Dagegen dekretirte der Kaiser D. Pedro 
als Regent Portugals die Aufhebung aller Klöster. So 
hatte also diese Schandthat ihre segensreiche Wirkung. 
Neben diesem Kloster erhebt sich die Börse, das schönste 
Gebäude der Stadt und deren Stolz. Ihre Räumlich 
keiten sind so ausgedehnt, daß die Ausstellung von 1861 
dort untergebracht wurde. Von der Börse haben wir nicht 
weit zum Passeio das Virtudes, wörtlich: „Spaziergang 
der Tugenden“, offenbar von irgend einem Spötter so ge 
tauft, denn die hier promenireuden Damen schienen mir 
eher der Demimonde anzugehören. Auch dieser Passeio ist 
auf einer steilen Felsenterrasse des Ufers angelegt und mit 
Bäumen und Steinsitzen versehen. Man genießt von hier 
eine prächtige Aussicht über die Douromüudung. 
Durch die Travessa do Calvario gelangen wir auf den 
großen Platz, Campo dos Martyres da Patria, dessen 
schöne Bäume während der Belagerung als Brennmaterial 
benutzt wurden; doch ist er jetzt wieder in einen prächtigen 
Volksgarten verwandelt worden. Hier befindet sich die 
Relaoäo (Gerichtshof), wo zahlreiche Sträflinge eingesperrt 
sind, welche nur durch kleine glaslose Fenster Licht erhalten. 
Daneben steht das Findelhaus, welches jährlich 1000 bis
	        
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