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Full Text: Globus, 47.1885

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E. Metzger: Haiti. 
hoffte man in einer anderen Richtung, als man gekommen war, 
einen Ausweg zu finden; wirklich traf man einen solchen 
Kanal, der nach dem Ucayali hinüberführte, aber er war fo eng, 
daß kein Dampfer ihn, außer vielleicht zur Zeit des Hoch 
wassers, befahren könnte. Die Umstände, namentlich die Noth 
wendigkeit, zu S. Negis Lebensmittel einzunehmen, zwangen 
Wiener, hier alle weiteren Untersuchungen aufzugeben. 
Alle diese unbewohnten Landstriche find mit Kautschuk- 
bäumen und Safsaparille, die in außerordentlicher Menge 
vorkommt, bedeckt; aus Mangel an Händen verfaulen diese 
Schätze. Aber welche Zukunft könnte über diesem Lande 
aufgehen, wie Viele könnten hier eine glückliche Zukunft 
finden! 
Haiti. 
Von E. Metzger. 
I. Einleitung. 
In nicht zu großer Entfernung von uns, drüben in 
Westindien, in nächster Nähe von europäischen Kolonien 
und nicht gar weit von dem unter dem Schutze des Sternen 
banners stehenden Kontinent liegt die Insel Haiti. Sie 
hat ihren Namen der ans ihrer westlichen Hälfte liegenden 
kleineren Negerrepublik gegeben, während der größere, öst 
lich gelegene Mulattenstaat San Domingo heißt; mit der 
zuerst genannten wollen wir uns hier beschäftigen. 
Die Republik Haiti ist äußerlich ein wohl geordnetes 
Staatswefen, mit einem Präsidenten, dessen Sessel aller 
dings manchen Schwankungen unterworfen zu sein scheint, 
mit Ministern, hohen und niederen Gerichtshöfen, mit 
einem Erzbischof und einem zahlreichen diplomatischen 
Korps, einer Armee mit Garde- und Linientruppen — mit 
einem Worte, ans dem Papier scheint alles dort aufs Beste, 
wenigstens ganz nach europäischem Muster, eingerichtet zu 
sein, und wenn man mit der Geschichte des Landes be 
kannt ist, möchte man staunen über die Entwickelung eines 
Staates, dessen Entstehung vor noch nicht hundert Jahren 
mit blutigen Zügen in den Annalen verzeichnet wurde, die 
von Mord, von Greueln aller Art begleitet war, welche 
die aufrührerischen Neger nach ihrer Empörung am 
25. August 1791 gegen die Weißen begingen, gegen ihre 
ehemaligen Herren, die sie nach der Einnahme von Cap 
Frantzais in den Tagen vom 21. bis 23. Juni 1793 
grausam abschlachteten. Unter Toussaint L'Ouverture, 
dem kühnen Neger, der durch das Direktorium als Ober- 
general aller „französischen" Truppen auf San Domingo 
anerkannt worden war, riß es sich von Frankreich los und 
nach L'Ouvertnre's Sturz wurde Dessalines, der Napoleon 
der Neger, Kaiser; daun finden wir einen König, sehen das 
Land wieder als Republik, bis ein neuer Monarch auftritt, 
Faustin I. (1849), der zehn Jahre lang das Scepter führte; 
nach dieser Zeit ist Haiti Republik geblieben, wiewohl man 
die liebgewordene Gewohnheit der inneren Streitigkeiten 
und Revolutionen noch nicht aufgegeben hat. 
Wie unbeständig die Zustände auch gewesen sein mögen — 
die eben angeführten wenigen Daten haben es wohl in 
genügender Weise nachgewiesen — so finden wir dort, wie 
schon erwähnt, ein äußerlich wohl geordnetes Staatswefen, 
was gewiß interessant ist, da dasselbe von Söhnen Afrikas 
gegründet und entwickelt wurde, welche die Grausamkeit 
des weißen Mannes ihrem heimathlichen Boden entrissen 
hatte. Welche Stellung man auch dem Neger einräumen 
will, man wird gestehen müssen, daß ein vertrauenswürdiger 
Bericht eines ruhigen, gründlichen Beobachters, gerade über 
diese Negerrepublik und ihre Bewohner einen höchst wich 
tigen Beitrag für die Erweiterung unseres Wissens liefern 
muß. Haiti unterscheidet sich nämlich von der Schwester 
republik San Domingo dadurch, daß man zur Zeit der 
Stiftung des Staates bei der Ausrottung des weißen Ele 
ments noch etwas gründlicher verfuhr, als dort der Fall 
war; seit jenen blutigen Tagen hat das unvermischte Neger 
element fortwährend den größten Einfluß besessen und hat 
rücksichtslos das weiße und das mischblütige Element zu 
entfernen gesucht. Das ist ihm geglückt. Mit wenigen 
Ausnahmen sind die Weißen von der Insel verschwunden, 
sind ausgerottet oder vertrieben; die Zahl der Mulatten 
beträgt kaum den zehnten Theil der Bevölkerung, die 
übrigen Bewohner sind Vollblut-Afrikaner, und man kann 
sie mit vollem Recht als einen echten Zweig der Neger 
rasse betrachten, der vom Stamme losgelöst, sich hier unter- 
günstigen natürlichen Verhältnissen weiter entwickelt hat. 
Günstiger nämlich als das Klima der heimathlichen Guinea 
küste ist der Himmel Westiudieus, und die fruchtbaren, gut 
bewässerten Niederungen Haitis sind ein ausgesuchtes Fleck 
chen Erde, selbst in jenen so überaus üppigen Gärten der 
westindischen Inseln, und bieten dem Bewohner ein viel 
vortheilhafteres Feld für seine Thätigkeit, als die afrika 
nische Küste. Gewiß ist es also von mehr als einem Ge 
sichtspunkt aus betrachtet interessant zu erfahren, wie denn 
jetzt der Zustand der Nachkommen jener aufrührerischen 
Neger ist, nachdem sie seit drei Menschenaltern unter den 
oben angedeuteten Verhältnissen gelebt haben und mit 
großem Interesse haben wir darum das Buch Spenser 
St. Johns i) begrüßt. Der Verfasser hat sich nämlich 
lange in jenem Lande aufgehalten (zwölf Jahre lang als 
englischer Geschäftsträger) und hatte Gelegenheit, sich mit 
den Zustünden desselben bekannt zu machen, dann aber hat 
er im Ganzen fündunddreißig Jahre lang unter verschie 
denen farbigen Stämmen zugebracht und hat kein Vor- 
urtheil gegen Menschen, welche keine weiße Haut haben; 
dies ist sehr begreiflich, denn, wie er mittheilt, hat er seine 
Laufbahn unter Sir James Brooke begonnen, dessen unbe 
fangene Ansichten nicht gestatteten, daß in seiner Umgebung 
auf Rasse oder Farbe begründete Einseitigkeit sich geltend 
machte; das Urtheil eines Mannes, der in solcher Schule 
erzogen ist, hat gewiß Anspruch auf volle Beachtung. 
Im Vorhergehenden haben wir ungefähr die leitenden 
Gedanken ausgedrückt, welche uns bestimmten, das Buch 
Spenser St. John's mit besonderer Aufmerksamkeit zur 
Hand zu nehmen in der Absicht, ans demselben Material 
zu schöpfen, um den Lesern des „Globus" eine Uebersicht 
von dem gegenwärtigen Zustande jener Republik zu geben; 
vorher sei es uns aber erlaubt, noch ein Paar Worte über 
i) Hayti, or the Black Republic. By Sir Spenser 
St. John, K. C. M. G., London 1884.
	        
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