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Thomson's Reise ins Land der Massai.
losen und anmaßenden Leuten führten; sie betrachten alle
anderen Stämme in Afrika als unter ihnen stehend; selbst
wir mit unserer großen Karawane waren gezwungen, uns
mit der Geduld und Unterwürfigkeit von Märtyrern jeder
erdenklichen Erniedrigung zu unterziehen. Die weitere
Beschreibung, die er von den herrschenden Verhältnissen
giebt, ist halb komisch, halb traurig und zeichnet in kräf
tigen Zügen die Lage einer Karawane gegenüber einem
mächtigen Stamme; weiterhin hatte man noch eine Wüste zu
passiren, worauf man auf der sich daran anschließenden Hoch-
stäche in der Höhe von 6150Fuß Ngongo-a-Bagas erreichte.
Hier genoß die Karawane eine wohlverdiente, vierzehntägige
Ruhe.
Nachdem der Lebensmittelvorrath ergänzt war, wurde
die Reise fortgesetzt; aber die erste Nacht schon brachte
Abenteuer, bei denen zwei Träger und mehrere Wakikuju
getödtet wurden; die nächste Nacht war wo möglich noch
unruhiger; Löwen tödteten einige der Esel und die Leute
liefen in panischem Schrecken davon. Am zweiten Tage
erreichte man einen erloschenen Vulkan, Doenje-Longonot
oder Suswa, der sich bis zu einer Höhe von 9000 Fuß
erhebt; der Berg hat die Gestalt eines abgestumpften
Kegels, der Krater, der etwa zwei Meilen im Durchmesser
hat, ist viele hundert Meter tief, sein Rand ungemein
scharf. Die Aussicht von dem Berge ist wunderbar; im
Süden erhebt sich ans der großen Wüste ein zweiter Krater,
Doenje-la-Njuki, im Osten die Berge von Kapts und da
hinter die Kette von Settima. Nördlich liegt der Naiwascha-
See, und bald war das Nordufer desselben erreicht, wo
man erfuhr, daß man nun schon zum zweiten Male Dr.
Fischer's Route kreuzte. Der Süßwasser-See liegt etwa in
der Höhe von 6000 Fuß, ist 9 Meilen lang und 5 breit; um
denselben zeigen sich die verhältnißmäßig frischen Spuren
vulkanischer Thätigkeit, worunter heiße Quellen, Nachdem
die Karawane zehn Tage lang von den Massai beinahe
ausgeplündert worden war, glückte es ihr, sich einen Weg
zu bahnen; dann entschloß sich Thomson, einen gefährlichen
Abstecher zu machen, um den Kenia zu sehen; mit dreißig
Mann begab er sich am 6. Oktober auf die Reise, während
Martin die Aufsicht über die mit der Karawane weiter
ziehenden Träger hatte. Man stieg wieder zu 6400 Fuß Höhe
hinauf zu der hier Leikipia genannten Hochfläche, welche
mit Wakwafi, einem Stamme der Massai, dicht bevöl
kert ist; hier kam man in eine ganz nordeuropäische Land
schaft. Man erfuhr viele Schwierigkeiten, deren Größe sich
daraus ermessen läßt, daß der auf zehn Tage veranschlagte
Abstecher dreißig Tage dauerte; doch war die Sache der
Anstrengung werth; der Weg führte durch Coniferen-
Waldungen, über Heiden und zwischen Kalodendron hindurch,
über Hügel und dann wieder über baumlose aber gut
bewässerte Flächen, deren Wasserläufe sich in den geheimniß-
vollcn Guaso -Njiro ergießen. Einer Bergkette, die über
schritten wurde, gab Thomson den Namen des Präsidenten
der Geographischen Gesellschaft, Lord Aberdare; die Höhe
derselben beträgt ungefähr 14000 Fuß; endlich als beinahe
alle Waaren weggegeben und die Leute durch die fortwäh
rende Wachsamkeit ganz erschöpft waren, befand man sich
gegenüber dem gigantischen Kenia. Er erhebt sich als ein
kegelförmiger Berg, dessen Basis etwa dreißig Meilen
Durchmesser hat, ans einer mit Dornen bewachsenen 5700
Fuß hohen Ebene. Bis zur Höhe von 15000 Fuß sind
seine Abhänge ziemlich sanft; von da an hat der Berg
ungefähr die Form eines Zuckerhutes, der sich noch 3000
Fuß erhebt; die glänzenden Schnecstreifen, die an demselben
herablaufen, erhöhen die Ähnlichkeit; die Böschungen des
oberen Theiles sind so steil, daß der Schnee nicht liegen
bleiben kann. Thomson blieb nicht viel Zeit, sich am An
blick des Berges zu erfreuen, die Massai wurden immer
zudringlicher, zu verschenken hatte er nichts mehr als einige
falsche Zähne und etwas Brausepulver, beides Artikel, die
keine besondere Anziehungskraft bewährten, aber noch ärger
war der Mangel an Nahrung, da eine Viehseuche die
Herden der Massai heimgesucht hatte, so daß, wie Thomson
sagt, um weiter vordringen zu können, man sich die Nase
zuhalten mußte. Es blieb nichts anderes übrig, als die
Reise so schnell wie möglich fortzusetzen, wobei dafür gesorgt
wurde, seine Spur nicht zu verrathen; nach einem vierund-
zwanzigstündigen Gewaltmärsche war man außer dem Be
reich der Feinde, befand sich jedoch in einer sonderbaren
Lage: man wünschte den Baringo-See zu erreichest, wußte
jedoch nicht, in welcher Richtung er lag. Aber das Glück
war den Reisenden hold; am sechsten Tage lag der
Baringo-See zu ihren Füßen, einige tausend Fuß niedriger
als ihr Standpunkt. Das ganze Bild war herrlich; von
der Leikipia-Hochebene übersieht man das Land bis zum
Naiwascha-See; im Westen erhebt sich die schmale, steile
Kette von Kamasia, im Rücken der Elgejo, dessen Schatten
über die baumlose Ebene des Flusses Guas'-Ngischu fällt;
im Norden endlich wird das Bild abgeschlossen durch den
Doenje - Silali und die hohe Kette der Snk-Berge. Am
folgenden Tage erreichte Thomson die Karawane und traf
sofort seine Maßregeln zur Reise nach Kawirondo am
Victoria-See, einer, wie es schien, gefährlichen Unterneh
mung ; hatte doch die letzte Expedition, welche dort eindrang,
Uber hundert Mann verloren, beinahe mehr, als die Zahl
der Leute betrug, über welche Thomson verfügen konnte.
Am 16. November brach er, unter Zurücklassung der
Kranken, in beinahe westlicher Richtung aus. Zunächst
überstieg die Karawane die Kamasia-Berge und klomm
dann die Abhänge des Elgejo bis zu einer Höhe von 7750
Fuß hinauf, worauf sie auf die baumlose, ausgedehnte
Fläche von Guas'-Ngischu kam; im N. W. sah man einen
hohen Berg, Donjo-Lekakisera, der zeitweise mit Schnee
bedeckt sein soll; die Bewohner, wiewohl den Massai ver
wandt, unterscheiden sich von ihnen dadurch, daß sie feste
Niederlassungen besitzen und Ackerbau treiben. Endlich nach
fünf Tagen erreichte man Kawirondo, wo man sich erholen
konnte. Die Bewohner waren, wiewohl gefährlich im Rausch
und in der Aufregung, sonst recht gute, sanfte Menschen.
Das Land erstreckt sich bis ans 40 Meilen vom Nil; am
10. December endlich trank Thomson das Wasser des
Victoria-Nyanza, etwa 45 Meilen von der Stelle, wo der
Nil austritt. Eine Ausnahme unter bcu afrikanischen
Binnenseen, ist dieser See nicht von Bergen eingeschlossen,
sondern hat ein niedriges, zum Theil sumpfiges Ufer,
welches sich allmählich erhebt. Auf dem Wege, einen Vor
stoß nach dem Nil zu machen, erkrankte der Reisende und
das Glück, welches ihm so lange treu geblieben war, schien
ihn verlassen zu wollen; als er nun Weihnachten sich etwas
besser fühlte, entschloß er sich, den Rückweg über den Berg
Elgon und den Baringo-See anzutreten. Zu bemerken
sind am Elgon die künstlichen Höhlen; sie sind außer
gewöhnlich zahlreich und geräumig; im vulkanischen Gestein
eingeschnitten, liegen sie alle in einer Ebene in der Nähe
der Basis des Berges und viele von ihnen werden von
einer zahlreichen Bevölkerung mit ihren Herden bewohnt.
Uebrigens war dies nicht ihre ursprüngliche Bestimmung;
es scheint, als ob sic dem Bergbau gedient hätten, doch
das Wann und Wie und Wem bleibt unbeantwortet. Eine
Begegnung mit einem wilden Stier am Sylvesterabcnd
machte es Thomson einige Wochen unmöglich zu marschiren,
dann aber untersuchte er das Land um den Baringo-See