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Full Text: Globus, 47.1885

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Thomson's Reise ins Land der Massai. 
losen und anmaßenden Leuten führten; sie betrachten alle 
anderen Stämme in Afrika als unter ihnen stehend; selbst 
wir mit unserer großen Karawane waren gezwungen, uns 
mit der Geduld und Unterwürfigkeit von Märtyrern jeder 
erdenklichen Erniedrigung zu unterziehen. Die weitere 
Beschreibung, die er von den herrschenden Verhältnissen 
giebt, ist halb komisch, halb traurig und zeichnet in kräf 
tigen Zügen die Lage einer Karawane gegenüber einem 
mächtigen Stamme; weiterhin hatte man noch eine Wüste zu 
passiren, worauf man auf der sich daran anschließenden Hoch- 
stäche in der Höhe von 6150Fuß Ngongo-a-Bagas erreichte. 
Hier genoß die Karawane eine wohlverdiente, vierzehntägige 
Ruhe. 
Nachdem der Lebensmittelvorrath ergänzt war, wurde 
die Reise fortgesetzt; aber die erste Nacht schon brachte 
Abenteuer, bei denen zwei Träger und mehrere Wakikuju 
getödtet wurden; die nächste Nacht war wo möglich noch 
unruhiger; Löwen tödteten einige der Esel und die Leute 
liefen in panischem Schrecken davon. Am zweiten Tage 
erreichte man einen erloschenen Vulkan, Doenje-Longonot 
oder Suswa, der sich bis zu einer Höhe von 9000 Fuß 
erhebt; der Berg hat die Gestalt eines abgestumpften 
Kegels, der Krater, der etwa zwei Meilen im Durchmesser 
hat, ist viele hundert Meter tief, sein Rand ungemein 
scharf. Die Aussicht von dem Berge ist wunderbar; im 
Süden erhebt sich ans der großen Wüste ein zweiter Krater, 
Doenje-la-Njuki, im Osten die Berge von Kapts und da 
hinter die Kette von Settima. Nördlich liegt der Naiwascha- 
See, und bald war das Nordufer desselben erreicht, wo 
man erfuhr, daß man nun schon zum zweiten Male Dr. 
Fischer's Route kreuzte. Der Süßwasser-See liegt etwa in 
der Höhe von 6000 Fuß, ist 9 Meilen lang und 5 breit; um 
denselben zeigen sich die verhältnißmäßig frischen Spuren 
vulkanischer Thätigkeit, worunter heiße Quellen, Nachdem 
die Karawane zehn Tage lang von den Massai beinahe 
ausgeplündert worden war, glückte es ihr, sich einen Weg 
zu bahnen; dann entschloß sich Thomson, einen gefährlichen 
Abstecher zu machen, um den Kenia zu sehen; mit dreißig 
Mann begab er sich am 6. Oktober auf die Reise, während 
Martin die Aufsicht über die mit der Karawane weiter 
ziehenden Träger hatte. Man stieg wieder zu 6400 Fuß Höhe 
hinauf zu der hier Leikipia genannten Hochfläche, welche 
mit Wakwafi, einem Stamme der Massai, dicht bevöl 
kert ist; hier kam man in eine ganz nordeuropäische Land 
schaft. Man erfuhr viele Schwierigkeiten, deren Größe sich 
daraus ermessen läßt, daß der auf zehn Tage veranschlagte 
Abstecher dreißig Tage dauerte; doch war die Sache der 
Anstrengung werth; der Weg führte durch Coniferen- 
Waldungen, über Heiden und zwischen Kalodendron hindurch, 
über Hügel und dann wieder über baumlose aber gut 
bewässerte Flächen, deren Wasserläufe sich in den geheimniß- 
vollcn Guaso -Njiro ergießen. Einer Bergkette, die über 
schritten wurde, gab Thomson den Namen des Präsidenten 
der Geographischen Gesellschaft, Lord Aberdare; die Höhe 
derselben beträgt ungefähr 14000 Fuß; endlich als beinahe 
alle Waaren weggegeben und die Leute durch die fortwäh 
rende Wachsamkeit ganz erschöpft waren, befand man sich 
gegenüber dem gigantischen Kenia. Er erhebt sich als ein 
kegelförmiger Berg, dessen Basis etwa dreißig Meilen 
Durchmesser hat, ans einer mit Dornen bewachsenen 5700 
Fuß hohen Ebene. Bis zur Höhe von 15000 Fuß sind 
seine Abhänge ziemlich sanft; von da an hat der Berg 
ungefähr die Form eines Zuckerhutes, der sich noch 3000 
Fuß erhebt; die glänzenden Schnecstreifen, die an demselben 
herablaufen, erhöhen die Ähnlichkeit; die Böschungen des 
oberen Theiles sind so steil, daß der Schnee nicht liegen 
bleiben kann. Thomson blieb nicht viel Zeit, sich am An 
blick des Berges zu erfreuen, die Massai wurden immer 
zudringlicher, zu verschenken hatte er nichts mehr als einige 
falsche Zähne und etwas Brausepulver, beides Artikel, die 
keine besondere Anziehungskraft bewährten, aber noch ärger 
war der Mangel an Nahrung, da eine Viehseuche die 
Herden der Massai heimgesucht hatte, so daß, wie Thomson 
sagt, um weiter vordringen zu können, man sich die Nase 
zuhalten mußte. Es blieb nichts anderes übrig, als die 
Reise so schnell wie möglich fortzusetzen, wobei dafür gesorgt 
wurde, seine Spur nicht zu verrathen; nach einem vierund- 
zwanzigstündigen Gewaltmärsche war man außer dem Be 
reich der Feinde, befand sich jedoch in einer sonderbaren 
Lage: man wünschte den Baringo-See zu erreichest, wußte 
jedoch nicht, in welcher Richtung er lag. Aber das Glück 
war den Reisenden hold; am sechsten Tage lag der 
Baringo-See zu ihren Füßen, einige tausend Fuß niedriger 
als ihr Standpunkt. Das ganze Bild war herrlich; von 
der Leikipia-Hochebene übersieht man das Land bis zum 
Naiwascha-See; im Westen erhebt sich die schmale, steile 
Kette von Kamasia, im Rücken der Elgejo, dessen Schatten 
über die baumlose Ebene des Flusses Guas'-Ngischu fällt; 
im Norden endlich wird das Bild abgeschlossen durch den 
Doenje - Silali und die hohe Kette der Snk-Berge. Am 
folgenden Tage erreichte Thomson die Karawane und traf 
sofort seine Maßregeln zur Reise nach Kawirondo am 
Victoria-See, einer, wie es schien, gefährlichen Unterneh 
mung ; hatte doch die letzte Expedition, welche dort eindrang, 
Uber hundert Mann verloren, beinahe mehr, als die Zahl 
der Leute betrug, über welche Thomson verfügen konnte. 
Am 16. November brach er, unter Zurücklassung der 
Kranken, in beinahe westlicher Richtung aus. Zunächst 
überstieg die Karawane die Kamasia-Berge und klomm 
dann die Abhänge des Elgejo bis zu einer Höhe von 7750 
Fuß hinauf, worauf sie auf die baumlose, ausgedehnte 
Fläche von Guas'-Ngischu kam; im N. W. sah man einen 
hohen Berg, Donjo-Lekakisera, der zeitweise mit Schnee 
bedeckt sein soll; die Bewohner, wiewohl den Massai ver 
wandt, unterscheiden sich von ihnen dadurch, daß sie feste 
Niederlassungen besitzen und Ackerbau treiben. Endlich nach 
fünf Tagen erreichte man Kawirondo, wo man sich erholen 
konnte. Die Bewohner waren, wiewohl gefährlich im Rausch 
und in der Aufregung, sonst recht gute, sanfte Menschen. 
Das Land erstreckt sich bis ans 40 Meilen vom Nil; am 
10. December endlich trank Thomson das Wasser des 
Victoria-Nyanza, etwa 45 Meilen von der Stelle, wo der 
Nil austritt. Eine Ausnahme unter bcu afrikanischen 
Binnenseen, ist dieser See nicht von Bergen eingeschlossen, 
sondern hat ein niedriges, zum Theil sumpfiges Ufer, 
welches sich allmählich erhebt. Auf dem Wege, einen Vor 
stoß nach dem Nil zu machen, erkrankte der Reisende und 
das Glück, welches ihm so lange treu geblieben war, schien 
ihn verlassen zu wollen; als er nun Weihnachten sich etwas 
besser fühlte, entschloß er sich, den Rückweg über den Berg 
Elgon und den Baringo-See anzutreten. Zu bemerken 
sind am Elgon die künstlichen Höhlen; sie sind außer 
gewöhnlich zahlreich und geräumig; im vulkanischen Gestein 
eingeschnitten, liegen sie alle in einer Ebene in der Nähe 
der Basis des Berges und viele von ihnen werden von 
einer zahlreichen Bevölkerung mit ihren Herden bewohnt. 
Uebrigens war dies nicht ihre ursprüngliche Bestimmung; 
es scheint, als ob sic dem Bergbau gedient hätten, doch 
das Wann und Wie und Wem bleibt unbeantwortet. Eine 
Begegnung mit einem wilden Stier am Sylvesterabcnd 
machte es Thomson einige Wochen unmöglich zu marschiren, 
dann aber untersuchte er das Land um den Baringo-See
	        
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