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Full Text: Globus, 47.1885

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Dr. Wilhelm Breitenbach: Italienische Kolonisation in Rio Grande do Sul. 
Italienische Kolonisation in Rio Grande do Sul. 
Von Dr. Wilhelm Breitenbach. 
Die blühenden deutschen Kolonien in der Provinz Rio 
Grande do Sul haben in der jüngsten Zeit in Deutschland 
mehr und mehr die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich 
gezogen. Nach langjährigen, zum Theil recht harten Kämpfen 
von Seiten der Freunde und Kenner Süd-Brasiliens bricht 
sich endlich die Erkenntniß Bahn, daß hier, im Süden des 
großen südamerikanischen Kaiserreiches, in den Provinzen 
Rio Grande do Sul und Santa Catharina, ein sehr geeig 
netes Feld für deutsche Ackerban-Kolonien ist, vielleicht das 
beste, welches es giebt. Nachdem man erkannt hat, daß es 
nicht mehr rathsam ist, die große Masse unserer Aus 
wanderer nach Nordamerika gehen zu lassen, da sie dort 
dem Vaterlande und der heimischen Industrie national und 
wirthschaftlich in kürzester Zeit verloren gehen, ja wohl 
selbst Konkurrenten der deutschen Industrie werden, seit 
dieser Zeit ist die Propaganda für Süd-Brasilien lebhafter 
denn jemals geworden. Hier bewahren die ausgewanderten 
Landsleute ihr Deutschthum reiner und treuer wie irgendwo 
auf der Welt, auch gehen sie uns nicht wirthschaftlich ver 
loren, sondern bleiben Käufer unserer Jndustrieprodukte. 
Von Jahr zu Jahr kaun man eine Steigerung des deutschen 
Exportes nach Süd-Brasilien wahrnehmen. Fast der ganze 
Großhandel der Provinz Rio Grande do Sul ist in deut 
schen Händen. Englische, französische und nordamerikanische 
Waaren sind mehr und mehr durch deutsche ersetzt worden. 
Der deutsche Export nach Rio Grande do Sul mag sich 
schon jetzt auf etwa 30 Millionen Mark belaufen. Die 
zahlreichen deutschen Kolonien sind zum großen Theile in 
blühendem Zustande und tragen alle Vorbedingungen zu 
einer gedeihlichen Weiterentwickelung in sich. 
Gerade in den letzten Jahren und ganz kürzlich sind 
einige Specialwerke über Rio Grande do Sul und seine 
deutschen Kolonien erschienen, so von Dr. Henry Lange, 
Dr. H. v. Jhering und mir; außerdem sind kürzere Ab 
handlungen und Notizen in verschiedenen Zeitschriften 
publicirt worden, namentlich im „Export", dem Organ des 
„Centralvereius für Handelsgeographie und Förderung 
deutscher Interessen im Auslande zu Berlin". Hierdurch 
sind die Verhältnisse der deutschen Kolonisation in Rio 
Grande do Sul auch in weiteren Kreisen bekannt geworden, 
und wenn man heute von jener Provinz spricht, so denkt 
man in erster Linie eben an die daselbst befindlichen deut 
schen Kolonien. Viel weniger bekannt, ja den meisten 
wohl kaum dem Namen nach, sind die schnell empor 
blühenden italienischen Kolonien in Rio Grande do Sul, 
die gewissermaßen als Konkurrenten der deutschen aufgefaßt 
werden müssen. Es mag daher am Platze sein, gerade 
jetzt, wo so viel über die deutsche Kolonisation in Rio 
Grande do Sul gesprochen wird, auch einmal die italienische 
mit kurzen Worten zu beleuchten. 
Ueber diese italienischen Kolonien liegt uns ein authen 
tischer Bericht des italienischen Konsuls iu Porto Alegre, 
des Herrn Dr. Pascale Corte, vor, der im vergangenen 
Jahre genaue statistische Erhebungen angestellt hat. Dr. Corte 
gilt als die erste italienische Autorität in Auswanderungs 
fragen, ''und daß die italienische Regierung einen solchen 
Mann gerade nach Süd-Brasilien gesandt hat, scheint 
deutlich genug zu sagen, welchen Werth sie auf die Koloni 
sation daselbst legt. Dies geht auch noch daraus hervor, 
daß die Regierung im Februar des verflossenen Jahres die 
Provinz Santa Catharina durch ihren Generalkonsul Conte 
da Gloria bereisen ließ, augenscheinlich, um sich nach für 
eine italienische Ansiedelung geeigneten Ländereien umzu 
sehen. 
Die italienische Einwanderung in Rio Grande do Sul 
begann im Jahre 1875 mit der Gründung der Kolonien 
Caxias, Conde d'Eu und Donna Isabel, zu denen dann 
später die Kolonie Silveira Martins hinzukam. In meiner 
Schrift: „Die Provinz Rio Grande do Sul und die deutsche 
Auswanderung dahin" I, welche im Sommer 1883 wäh 
rend der Seereise von Rio Grande nach England nieder 
geschrieben wurde, sagte ich bereits, daß die Zahl der 
Italiener in Rio Grande do Snl 30 000 bis 40 000 Seelen 
betrage. Durch die Angaben Dr. Corte's wird diese Zahl 
bestätigt, denn nach den statistischen Erhebungen desselben 
beläuft sich die Zahl der Italiener auf 37 101 Seelen, die 
sich in folgender Weise auf die einzelnen Kolonien ver 
theilen: Caxias 13 680; Conde d'Eu 6287; Donna Isabel 
9595; Silveira Martins 6001; dazu kommen dann noch 
1531 Italiener, welche sich auf verschiedenen deutschen 
Kolonien niedergelassen haben. 
Die Kolonie Caxias besitzt 3866 Kolonieplätze; von 
diesen sind nur noch 193 unbesetzt. Die Kolonie zählt 
bereits 3373 Wohnungen. Der augenblickliche Viehstand 
der Kolonie ist folgender: Maulesel 4800, Pferde 5900, 
Kühe 3500, Schweine 12 000, Ziegen 1500. 
Im Jahre 1883 belief sich die Ernte auf folgende 
Quantitäten: Roggen 1 200 000 kg, Hafer 600 000 kg, 
Bohnen 1 600 000 kg, Mais 3 200 000 kg, Wein 
2 900 000 1. 
Unter der Bevölkerung von Caxias befinden sich nach 
Dr. Corte 62 Franzosen und 315 Deutsche. 
Die Kolonie Conde d'Eu besitzt 819 Kolonieplätze, 
welche bereits sämmtlich besetzt sind und zwar mit 1395 
Wohnungen. Der Viehbestand der Kolonie ist folgender, 
Maulesel 1046, Pferde 686, Kühe 701, Schweine 8422: 
Ziegen 547. 
Die Ernte betrug im Jahre 1883: Roggen 791 500 kg, 
Hafer 1 433 000 kg, Bohnen 1 608 600 kg, Mais 
3 556 400 kg, Reis 42 000 kg, Wein 2 759 600 1. 
Unter der Bevölkerung befinden sich 404 Deutsche, 56 
Franzosen, und 128 gehören verschiedenen anderen Natio 
nalitäten an. 
Die Kolonie Donna Isabel hat 1323 Kolonicplütze, 
wovon nur 40 unbesetzt sind. An Vieh ist vorhanden: 
Maulesel 5700, Pferde 6000, Kühe 3800, Schweine 
12 000, Ziegen 8000. 
ft Heidelberg, C. Winter's Universitätsbuchhandlung, 1885. 
Dieselbe schildert die Verhältnisse in jener Provinz, soweit sie 
mit der deutschen Einwanderung und Kolonisation zu thun 
haben; der Versasser beschränkt sich dabei lediglich aus sein 
eigenes, ganz selbständiges und interesseloses Urtheil, wie er es 
sich während eines mehrjährigen Aufenthaltes im Lande ge 
bildet hat.
	        
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