Skip to main content
Page Banner

Full Text: Globus, 47.1885

336 
Aus allen Erdtheilen. 
Aus allen Erdtheilen. 
Afrika. 
— Ein wahrhaftes Verdienst hat sich Dr. G.A. Fisch er, 
der bekannte Arzt und Afrikareisende, durch seine Broschüre 
„Mehr Licht im dunklen Welt theil. Betrachtungen 
über die Kolonisation des tropischen Afrika unter besonderer 
Berücksichtigung des Sansibar-Gebiets" (Hamburg, L. Frie 
derichsen u. Co., 1885) erworben. Es ist wie ein kalter 
Wasserstrahl auf die unverständigen Afrikawüthigen, die in 
dem dunklen Erdtheile schon jetzt alles Heil für das noth- 
leidende Europa erblicken möchten. Ob die Warnung nutzen 
wird? Dr. Fischer ist kein Gegner der Kolonisation, sondern 
im Gegentheil deren warmer Fürsprecher; aber er ist ein 
Feind der übertriebenen Erwartungen, die nur aus Unkennt- 
niß, wenn nicht Schlimmerem, entspringen. Daß der Handel, 
namentlich im Osten, einer besonderen Steigerung fähig sein 
sollte, ist nicht wahrscheinlich; vielmehr ist in gewisser 
Beziehung ein Rückgang zu befürchten. Denn infolge des 
Verbots der Sklaveneinfuhr fehlen für manche Unternehmun 
gen die Arbeitskräfte, und der Elfenbeinhandel, der „Krebs 
schaden Afrikas", muß durch die Ausrottung der Elefanten 
abnehmen. Die Fruchtbarkeit des Bodens ist nur stellen 
weise groß, und selbst dort ist die Unregelmäßigkeit in der 
Regenmenge ein großes Hinderniß; auch sind die bisher in 
dieser Hinsicht gesammelten Erfahrungen noch durchaus unzu 
reichend. Von einer Acclimatisirung des Europäers im 
Tropengebiete kann ferner nicht die Rede sein; er kann sich 
dort nicht fortpflanzen, ohne zu degeneriren, und ebenso 
wenig vermag er dort den Boden zu bebauen. Denn in den 
Tropen sind eben die gesunden Gebiete die unfruchtbaren 
und die fruchtbaren sind die ungesunden. Dr.Pogge, welcher 
behauptete, der deutsche Bauer könne am Kassai ebenso gut 
sein Land bestellen tvie daheim, ist selbst nach verhältnißmäßig 
kurzer Zeit dem Klima erlegen. Die Malaria wird stets 
das Haupthinderniß für die Wirksamkeit des Europäers in 
Afrika bleiben; nur der Neger ist dort zu verwenden, und 
derselbe ist auch nach Fischer bildungsfähig und zu den 
mannigfachsten Arbeiten tauglich, zu denen er sich freilich 
nicht ohne Zwang verstehen wird. Der Zwang allerdings, 
welchen die englischen Missionen den Eingeborenen gegen 
über zum Theil in schändlicher Weise (vergl. S. 59) anwen 
den, hat bis heute nicht das Geringste genutzt; ihm ist sogar 
die Sklaverei, wie sie die Mohammedaner ausüben, bei 
weitem vorzuziehen. Die Neger in schonender, verständiger 
Weise zur Arbeitsleistung heranzuziehen, darin wird die 
große Kunst derer, die Afrika „civilisiren" wollen, sich der 
einst zeigen; denn in der unerschöpflichen Arbeitskraft der 
Eingeborenen besteht allein der große Schatz, den dieser 
Erdtheil birgt. Wie das zu geschehen hat, darüber giebt 
Fischer manchen nützlichen Wink, und es ist gewiß richtig, 
wenn er es für überflüssig erklärt, in neu erworbenen Gebie 
ten, welche von friedfertigen Stämmen bewohnt werden, als 
bald Gesetze für die Eingeborenen zu erlassen. Solche sind 
nur für die sich niederlassenden Europäer nothwendig. 
Fischer empfiehlt Anlage von „Kulturmissionen" und zwar 
besonders in solchen Gebieten, wo Boden und Eingeborene 
sich zur Plantagenwirthschaft eignen- „Sind erst die Europäer 
die herrschende Klasse geworden, dann werden den Missionaren 
die Früchte, deren Erlangung ihnen jetzt so schwer wird, von 
selbst zufallen; dann wird der Neger Christ werden, nicht 
aus Ueberzeugung, sondern aus Großthuerei und Eitelkeit. 
Er wird so mit der Zeit ein Bcrerbungs- und Gewohnheits 
christ, wie so mancher andere auch ist. Er wird ein christ 
licher Kulturmensch; deshalb wird er nicht glücklicher, auch 
nicht moralischer." Besonders räth der Autor auch, für 
unser ostafrikanisches Schutzgebiet eine Verbindung mit dem 
Victoria-Nyanza herzustellen und vorn Congobecken abzu 
sehen. 
Das sind so einige der leitenden Gedanken in der vor 
trefflichen Schrift; wollten wir alles, was uns in derselben 
der Beachtung werth erscheint, berühren, so wäre der drei 
fache Raum nicht ausreichend. Aber betonen wollen wir 
doch, daß soeben ein anderer Asrikareisender, Victor Giraud, 
welcher das Gebiet zwischen den vier Seen Njassa, Bangwcolo, 
Moöro und Tanganyika durchwandert hat, ungefähr dieselben 
wenn nicht gar schärfere Ansichten wie Dr. Fischer über den 
geringen Werth Centralafrikas ausgesprochen hat (s. Société 
de Géographie. Compte rendu des séances. 1885. No. 7 
et 8. p. 241 ff.) 
— Von Lient. W iß mann (vergl. oben S. 272) ist ein 
neuer Brief, datirt Lnluaburg, 1. December 1884, in Brüssel 
eingetroffen. Danach langte derselbe am 10. November in 
Lubnku, der Residenz des Kalamba-Mukenge unweit des 
Lulua (ca. go s. Br.) an, und sechs Tage später kam auch 
Lient. Müller von seinem Abstecher zum Lunda-Fürsten 
Mnata Kumpana nach dort. Wißmann fand bei seinem 
alten Bekannten Mukenge freundliche Aufnahme und legte 
eine Tagereise von dessen Dorf entfernt, am linken Ufer des 
Lulua unter 5° 58' südl. Br. und 22" 20' östl. L. Gr. eine 
Station an, die er Lulnaburg taufte, wo er drei Monate 
verweilen wollte. Dann soll Lient. Müller das Kommando 
daselbst übernehmen, während Lient. Wißmann die Thalfahrt 
auf dem Kassai antritt, auf welcher ihn Mukenge selbst mit 200 
Kriegern bis zum Congo begleiten will. Von letzterem Umstande 
verspricht sich Wißmann großen Erfolg hinsichtlich der 
„Civilisirung" der Baluba-Neger. — Dr. Wolf rüstete sich 
zu einer mehrmonatlichen Reise zum Häuptling Lukengo 
(nördlich von der Station), in dessen Lande noch arge Bar 
barei herrscht; so sollen beim Tode von Lukengo's Vater 
nicht weniger als 2000 Menschen auf dessen Grabe geschlach 
tet worden sein. 
— Eine Gesellschaft Antwerpener Kaufleute, au deren 
Spitze der Fabrikant de Roubaix steht, hat eine Expedition 
unter Leitung von Dr. Chavanne nach dem Congo gesendet, 
um dort eine Pflanzung und eine Faktorei zu errichten. 
Zu derselben gehört ein holländischer Landwirth, welcher lange 
Zeit eine Kaffeeplantage in Ostindien geleitet hat. 
Inhalt: G. Révoil's Reise im Lande der Benadir, Somali und Bajun 1882 bis 1883. HI. (Mit sechs Abbildungen.) — 
Thomson's Reise ins Land der Massai. I. — Das Feuerland und seine Bewohner. — Dr. Wilhelm Breitenbach: 
Italienische Kolonisation in Rio Grande do Snl. — Aus allen Erdtheilen: Afrika. (Schluß der Redaktion: 5. Mai 1885.) 
Redakteur: Dr. R. Kiepert in Berlin, S. W. Lindenstraße 11, III Tr. 
Druck und Verlag von Friedrich View cg und Sohn in Braunschweig.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.