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Aus allen Erdtheilen.
Aus allen Erdtheilen.
Afrika.
— Ein wahrhaftes Verdienst hat sich Dr. G.A. Fisch er,
der bekannte Arzt und Afrikareisende, durch seine Broschüre
„Mehr Licht im dunklen Welt theil. Betrachtungen
über die Kolonisation des tropischen Afrika unter besonderer
Berücksichtigung des Sansibar-Gebiets" (Hamburg, L. Frie
derichsen u. Co., 1885) erworben. Es ist wie ein kalter
Wasserstrahl auf die unverständigen Afrikawüthigen, die in
dem dunklen Erdtheile schon jetzt alles Heil für das noth-
leidende Europa erblicken möchten. Ob die Warnung nutzen
wird? Dr. Fischer ist kein Gegner der Kolonisation, sondern
im Gegentheil deren warmer Fürsprecher; aber er ist ein
Feind der übertriebenen Erwartungen, die nur aus Unkennt-
niß, wenn nicht Schlimmerem, entspringen. Daß der Handel,
namentlich im Osten, einer besonderen Steigerung fähig sein
sollte, ist nicht wahrscheinlich; vielmehr ist in gewisser
Beziehung ein Rückgang zu befürchten. Denn infolge des
Verbots der Sklaveneinfuhr fehlen für manche Unternehmun
gen die Arbeitskräfte, und der Elfenbeinhandel, der „Krebs
schaden Afrikas", muß durch die Ausrottung der Elefanten
abnehmen. Die Fruchtbarkeit des Bodens ist nur stellen
weise groß, und selbst dort ist die Unregelmäßigkeit in der
Regenmenge ein großes Hinderniß; auch sind die bisher in
dieser Hinsicht gesammelten Erfahrungen noch durchaus unzu
reichend. Von einer Acclimatisirung des Europäers im
Tropengebiete kann ferner nicht die Rede sein; er kann sich
dort nicht fortpflanzen, ohne zu degeneriren, und ebenso
wenig vermag er dort den Boden zu bebauen. Denn in den
Tropen sind eben die gesunden Gebiete die unfruchtbaren
und die fruchtbaren sind die ungesunden. Dr.Pogge, welcher
behauptete, der deutsche Bauer könne am Kassai ebenso gut
sein Land bestellen tvie daheim, ist selbst nach verhältnißmäßig
kurzer Zeit dem Klima erlegen. Die Malaria wird stets
das Haupthinderniß für die Wirksamkeit des Europäers in
Afrika bleiben; nur der Neger ist dort zu verwenden, und
derselbe ist auch nach Fischer bildungsfähig und zu den
mannigfachsten Arbeiten tauglich, zu denen er sich freilich
nicht ohne Zwang verstehen wird. Der Zwang allerdings,
welchen die englischen Missionen den Eingeborenen gegen
über zum Theil in schändlicher Weise (vergl. S. 59) anwen
den, hat bis heute nicht das Geringste genutzt; ihm ist sogar
die Sklaverei, wie sie die Mohammedaner ausüben, bei
weitem vorzuziehen. Die Neger in schonender, verständiger
Weise zur Arbeitsleistung heranzuziehen, darin wird die
große Kunst derer, die Afrika „civilisiren" wollen, sich der
einst zeigen; denn in der unerschöpflichen Arbeitskraft der
Eingeborenen besteht allein der große Schatz, den dieser
Erdtheil birgt. Wie das zu geschehen hat, darüber giebt
Fischer manchen nützlichen Wink, und es ist gewiß richtig,
wenn er es für überflüssig erklärt, in neu erworbenen Gebie
ten, welche von friedfertigen Stämmen bewohnt werden, als
bald Gesetze für die Eingeborenen zu erlassen. Solche sind
nur für die sich niederlassenden Europäer nothwendig.
Fischer empfiehlt Anlage von „Kulturmissionen" und zwar
besonders in solchen Gebieten, wo Boden und Eingeborene
sich zur Plantagenwirthschaft eignen- „Sind erst die Europäer
die herrschende Klasse geworden, dann werden den Missionaren
die Früchte, deren Erlangung ihnen jetzt so schwer wird, von
selbst zufallen; dann wird der Neger Christ werden, nicht
aus Ueberzeugung, sondern aus Großthuerei und Eitelkeit.
Er wird so mit der Zeit ein Bcrerbungs- und Gewohnheits
christ, wie so mancher andere auch ist. Er wird ein christ
licher Kulturmensch; deshalb wird er nicht glücklicher, auch
nicht moralischer." Besonders räth der Autor auch, für
unser ostafrikanisches Schutzgebiet eine Verbindung mit dem
Victoria-Nyanza herzustellen und vorn Congobecken abzu
sehen.
Das sind so einige der leitenden Gedanken in der vor
trefflichen Schrift; wollten wir alles, was uns in derselben
der Beachtung werth erscheint, berühren, so wäre der drei
fache Raum nicht ausreichend. Aber betonen wollen wir
doch, daß soeben ein anderer Asrikareisender, Victor Giraud,
welcher das Gebiet zwischen den vier Seen Njassa, Bangwcolo,
Moöro und Tanganyika durchwandert hat, ungefähr dieselben
wenn nicht gar schärfere Ansichten wie Dr. Fischer über den
geringen Werth Centralafrikas ausgesprochen hat (s. Société
de Géographie. Compte rendu des séances. 1885. No. 7
et 8. p. 241 ff.)
— Von Lient. W iß mann (vergl. oben S. 272) ist ein
neuer Brief, datirt Lnluaburg, 1. December 1884, in Brüssel
eingetroffen. Danach langte derselbe am 10. November in
Lubnku, der Residenz des Kalamba-Mukenge unweit des
Lulua (ca. go s. Br.) an, und sechs Tage später kam auch
Lient. Müller von seinem Abstecher zum Lunda-Fürsten
Mnata Kumpana nach dort. Wißmann fand bei seinem
alten Bekannten Mukenge freundliche Aufnahme und legte
eine Tagereise von dessen Dorf entfernt, am linken Ufer des
Lulua unter 5° 58' südl. Br. und 22" 20' östl. L. Gr. eine
Station an, die er Lulnaburg taufte, wo er drei Monate
verweilen wollte. Dann soll Lient. Müller das Kommando
daselbst übernehmen, während Lient. Wißmann die Thalfahrt
auf dem Kassai antritt, auf welcher ihn Mukenge selbst mit 200
Kriegern bis zum Congo begleiten will. Von letzterem Umstande
verspricht sich Wißmann großen Erfolg hinsichtlich der
„Civilisirung" der Baluba-Neger. — Dr. Wolf rüstete sich
zu einer mehrmonatlichen Reise zum Häuptling Lukengo
(nördlich von der Station), in dessen Lande noch arge Bar
barei herrscht; so sollen beim Tode von Lukengo's Vater
nicht weniger als 2000 Menschen auf dessen Grabe geschlach
tet worden sein.
— Eine Gesellschaft Antwerpener Kaufleute, au deren
Spitze der Fabrikant de Roubaix steht, hat eine Expedition
unter Leitung von Dr. Chavanne nach dem Congo gesendet,
um dort eine Pflanzung und eine Faktorei zu errichten.
Zu derselben gehört ein holländischer Landwirth, welcher lange
Zeit eine Kaffeeplantage in Ostindien geleitet hat.
Inhalt: G. Révoil's Reise im Lande der Benadir, Somali und Bajun 1882 bis 1883. HI. (Mit sechs Abbildungen.) —
Thomson's Reise ins Land der Massai. I. — Das Feuerland und seine Bewohner. — Dr. Wilhelm Breitenbach:
Italienische Kolonisation in Rio Grande do Snl. — Aus allen Erdtheilen: Afrika. (Schluß der Redaktion: 5. Mai 1885.)
Redakteur: Dr. R. Kiepert in Berlin, S. W. Lindenstraße 11, III Tr.
Druck und Verlag von Friedrich View cg und Sohn in Braunschweig.