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F. Blumentritt: Die neuen Erwerbungen
Spaniens an der Atlantischen Küste Nordafrikas.
in dem Fiord des Rio Oro in großen Mengen lebt. Dies
ist ungemein wichtig, denn der Stockfisch spielt in der spa
nischen Küche beinahe dieselbe Nolle, wie das Rindfleisch in
der österreichischen. Jährlich werden große Massen Stock
fisch französischer Provenienz in Spanien. eingeführt, die
Ausbeutung der Bänke und Fischereiplätze vom Rio Oro
würde Spanien wenigstens zum Theil von dem fremden
Importe befreien. Auch Aeschen-Species sind durch zahl
reiche Individuen in den Binnengewässern vom Rio Oro
vertreten. Einige Monate in jedem Jahre wimmelt es
hier von einem sehr schmackhaften Fische, welcher dem
„Bonito" Spaniens ähnlich ist und von den kanarischen
Seeleuten Tasarte genannt wird. Er kommt in solchen
Mengen vor, daß ein mit primitiven Angeln operirendes
Fischerboot in drei Tagen fünfzig Tonnen hiervon laden
kann. Nicht minder häufig sind Sardellen, Makrelen und
eine dem Häringe sehr ähnliche, wenn nicht mit ihm iden
tische Fischart. Vier kanarische Fischerboote fingen in drei
Monaten mit ihren großmaschigen, unbeholfenen Netzen
zweihundert Tonnen dieser zuletzt erwähnten drei Fischarten.
Die Spanier behaupten, daß auch der Kabeljau sich hier
in großen Mengen vorfände. Da man auch Thunfische
beinahe zu jeder Jahreszeit hier antrifft, so verspricht die
regelrechte Ausbeutung dieser Bänke für Spanien, speciell
für die Kanarischen Inseln, eine Quelle des Reichthums und
für seine Marine eine gute Uebnngsschule zu bilden.
Diese reichen Fischereiplätze wurden von den kanarischen
Inseln und zwar erst vor nicht allzu langer Zeit entdeckt.
Die Bewohner jenes Archipels, die sogenannten „Jslenos",
waren wohl schon seit Jahrhunderten als tüchtige Seeleute
bekannt, sie befaßten sich aber nicht mit der Hochseefischerei
und dies darf einen Kenner der spanischen Verhältnisse,
wie sie sich im Laufe der Jahrhunderte entwickelt haben,
nicht Wunder nehmen. Im Mittelalter galten zwar die
Katalanen als kühne Schiffer und die Basken lagen der
Walfischjagd in den jetzt von Spaniern und Portugiesen
gemiedenen nordischen Meeren ob, die Entdeckung Amerikas
lenkte aber den Kiel der spanischen Schiffe nach den
Gewässern der Neuen Welt. Jetzt schien Gelegenheit, die
spanische Handelsmarine zur ersten der Welt sich entwickeln
zu lassen, indem man den Handel zwischen dem Mutter-
lande und seinen Kolonien freigab. Leider geschah dies
nicht, eine Legion unsinniger Gesetze legten sich hemmend
auf den Verkehr der Pyrenäischen Halbinsel mit Amerika;
statt sich zu heben, verfielen Schiffahrt und Rhederei und
den Rest gaben Engländer, Holländer und die Freibeuter
Westindiens. An dem Verfalle des Mutterlandes nahmen
auch die Kanarien theil; indeß so lange das Zuckerrohr,
die Cochenille und der Wein die Bewohner der einst „glück
lichen" Inseln hinreichend nährte, gab man sich zufrieden.
Aber es kam ein „Krach" nach dem anderen, und als weder
der Zucker, noch das Karmin, noch der Wein Absatz fanden,
da mußten die Kanariotcn wohl oder übel dem alten
Schlaraffenleben entsagen und sich neue Erwerbszweige
suchen, und einer von diesen war die Fischerei an den nahen
Küsten des afrikanischen Erdtheiles.
Den Publikationen der spanischen afrikanischen Gesell
schaft zu Folge beschäftigen sich mit der Hochseefischerei
30 kanarische Fahrzeuge mit 1000 Mann Besatzung,
welche 8000 Menschen ernähren. Im Vergleiche zu dem
Reichthume der afrikanischen Bänke ist, wie man sieht, die
Betheiligung der Kanariotcn eine schwache zu nennen. Die
Schuld trägt aber die Unwirthlichkeit der wasserlosen Sa
haraküste, wo bei Schiffbrüchen die Ueberlebenden entweder
verdursten müssen oder in die Hände der fanatischen Mauren
fallen. So muß jedes kanarische Fischerboot nach erlangter
Beute wieder heimfahren; von einer Verwerthung der Abfall
produkte, Thrangewinnung, Guanofabrikation, war bisher
keine Rede. Eben deshalb bestand die spanische Regierung,
dem Willen der Nation Rechnung tragend, darauf, die von
Niemand begehrte Küste des Saharagebietcs zu annektiren,
um die dortigen Häfen den kanariotischen Fischern zugänglich
zu machen und ihnen so eine Zufluchtsstätte bei stürmischem
Wetter zu bieten und durch Anlage von Leuchtthürmen die
Schiffahrt in diesen gefährlichen Meeren zu erleichtern.
Dies ist denn auch geschehen, Spanien hat das zwischen
dem Kap Bojador und Kap Blanco gelegene Küstengebiet
in Besitz genommen und demselben in der Person des
Herrn Bonelli einen Gouverneur gegeben, der des Arabischen
mächtig und durch seine Reisen in Marokko und seiner-
nunmehrigen Provinz auch befähigt ist, die neue Besitzung
Spaniens ordentlich zu verwalten, eine Seltenheit in
Spanien, denn man schickt sonst in die Kolonien Beamte
und Würdenträger, die für das von ihnen verwaltete Land
nicht nur kein Interesse besitzen, sondern sogar eine be
schämende Unwissenheit über die Verhältnisse desselben auf
Schritt und Tritt offenbaren. Man hat eben in Spanien
nichts gelernt und alles vergessen, man betrachtet eben die
Kolonien als eine Melkkuh des Mutterlandes, als Länder,
deren Beamtenstellcn als Sinekuren für Protektions
kinder und Parasiten der Minister und Negierenden ver
geben werden. ¿>tcr endlich hat die spanische Regierung
einen glücklichen Wurf gethan, denn Bonelli ist ein Mann
von gründlicher wissenschaftlicher Bildung, er kennt Land
und Leute aus eigener Anschauung und ist. überdies für
seinen Beruf begeistert.
Betrachten wir uns nun die neue Provinz näher, auf
Grund der Angaben von Bonelli, de la Puente, Perez bet
Toro rc., der 8o6Í6da.d Española de Africanistas, Socie
dad de pesquerías Canario - Africanas und Sociedad
mercantil Hispano - Africana. Der nördliche Theil der
Küste ist schwer zugänglich, besonders beim Kap Bojador
selbst. Als Zufluchtsplätze für die Fischerboote gelten La
Bumbalda, El Monito, La Meseta de la Gabiota, Las
Puntas, Buen Jardin und die Angra á Caballo. Die
Bucht von Buen Jardin genießt eines besonders guten
Rufes, da es dort nicht nur Wasser, sondern auch Vege
tation giebt, wenn auch dieselbe sich nicht in so üppiger
Fülle präsentirt, als man nach dem Namen (Unen dardin =
guter oder schöner Garten) schließen möchte. In der Um
gebung der Bahia de Cintra stößt man zwar auch ans
Wasser, der enge Eingang macht aber bei dem starken
Wellenschläge die Einfahrt gefährlich; deshalb ziehen die
kanarischen Fischer vor, die nahe Bahia de Corey aufzu
suchen. Ebenso vermeiden sie die Bai St. Ciprian oder
Bahia de los Apuros, weil der Zugang durch widrige
Winde leicht versperrt wird, so daß in einem solchen Falle
die armen Fischer einem elenden Tode entgegensehen.
Alle diese genannten Punkte sind an und für sich nicht
geeignet, der kanarischen Fischerei sich besonders dienlich zu
erweisen, wenn man nicht Trinkwasserdepots errichtet, eine
Sache, deren Durchführung eine erhebliche Summe jährlich
in Anspruch nehmen würde. Besser steht es mit dem Rio
Oro (Rio Ouro) und der Bahia bet Galgo beim Cabo
Blanco.
Wie so der Rio Oro zu seinem Namen, „der Gold
fluß", gekommen, ist unerfindlich; gründliche Untersuchungen
haben hier keine Spuren dieses edlen Metalles zu entdecken
vermocht. Auch den Namen Rio, d. h. Fluß, wendet
man hier falsch an, denn ein solcher ist hier nicht vorhanden,
der „Rio" ist vielmehr eine fjordartige Bucht, welche durch
eine 4 bis 6 Irrn breite Landzunge gebildet wird, die sich