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Full Text: Globus, 48.1885

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Der Schlangentanz der Moqui in Arizona. 
der Fall gewesen sei, was insofern auch vielleicht anzuneh 
men ist, da, wie schon erwähnt, die Schlangen größtentheils 
zu den giftigen gehören und man daher voraussetzen darf, 
daß die Indianer ihre ganze Erfahrung und Geschicklichkeit 
aufboten, um nicht gebissen zu werden. Die Moqui theilen 
Folgendes ohne Rückhalt über den Tanz mit: Die Geheim 
nisse desselben sind nur den Eingeweihten bekannt; man 
hat jedoch beobachtet, daß die Personen, welche am Tanz 
theilnehmen, einen Tag vorher nichts essen, daß sie eine 
Medicin gegen etwaige Bisse besitzen und nach Ablauf der 
Feierlichkeit einen Trank nehmen, der schnelles und starkes 
Erbrechen verursacht. — Vergebens suchten die-Fremden 
etwas von dem bei dem Feste gebrauchten Ausputz zu 
erhalten; nur durch Bestechung glückte es, sich einiger 
Steingeräthe zu bemächtigen, als man jedoch den Versuch 
wiederholen wollte, wurde derselbe mit Entrüstung zurück 
gewiesen. Die Röcke und Federbüsche wurden verbrannt; 
wo und wie, konnte man nicht erfahren; die befragte Person 
fürchtete lahm und blind zu werden, wenn sie etwas aus 
plauderte. 
Wir wollen nun nicht weiter über die negativen Resul 
tate der Nachforschungen berichten, da, wie wir gleich sehen 
werden, sich später doch ein Verrüther fand. Mit Beziehung 
auf die vor dem Altar bemerkten Seemuschcln erzählte 
einer der Moqui folgende Legende: „Vor vielen Jahren 
lebten die Moqui noch auf der anderen Seite des hohen 
Gebirges jenseits des San Jnanflusses. Der Häuptling 
dachte, er wolle einmal einen Ausflug auf dem großen 
Flusse machen, um zu sehen, wo derselbe mündete. Er 
machte nun ein Boot aus einem ausgehöhlten Baumstämme, 
lud einige Lebensmittel da hinein und fuhr ab. Der 
Strom führte ihn an die Seeküste, wo er die Muscheln 
fand. Als er am Strande hinging, kam er an eine Klippe, 
auf der eine Gruppe Häuser stand, in denen Männer und 
Frauen lebten; dieselben hatten Weiß unter ihren Augen 
und darunter ein weißes Zeichen. Der Häuptling nahm 
nun dort eine Frau, mit der er nach seiner Heimath 
zurückkehrte; kurze Zeit nachher gebar sie Schlangen und 
von diesen stammen die Mitglieder der Schlangenfamilie, 
welche den Tanz aufführen. Die neugeborenen Schlangen 
nämlich bissen die Kinder der Moqui und letztere zogen 
zu ihren jetzigen Dörfern, wo sie den mehrerwähnten Tanz 
einführten, um die Schlangen zu besänftigen, damit die 
selben ihre Kinder nicht mehr bissen." 
Bourke selbst sieht in der ganzen Aufführung einen 
Versuch, die Erinnerung an den Ursprung und das Auf 
blühen der Moquifamilie durch Dramatisirung lebendig 
zu erhalten. So sind vielleicht das Salzwasser, der Sand 
und die Muscheln, die bei den Festlichkeiten gebraucht wer 
den, Symbole der Herkunft des Volkes von dem Ocean 
(die Landung an der Westküste Amerikas); ihr Zusammen 
kriechen mit den Schlangen (vor dem Feste) deutet das Zu 
sammenleben mit Schlangen in vorhistorischen Zeiten und 
in Höhlen an, woraus dann bessere Zeiten folgten. Ob 
der Schlangentanz einfach die Verehrung der Ahnen oder 
die der Geister in ausgedehntem Sinne zum Zweck hat, 
muß durch weitere Untersuchung entschieden werden; beiläufig 
möge bemerkt sein, daß nach der Ansicht Bourke^s bei den 
Moquis auch der Glaube an Scelenwanderung bestanden hat. 
Noch verschiedene Versuche wurden gemacht, von In 
dianern Näheres über das Fest zu erfahren, die alle mehr 
oder weniger erfolglos blieben, bis es endlich glückte, einen 
Eingeweihten zu bestimmen, ausführliche -Mittheilungen 
über die Geheimnisse seines Stammes zu machen. Ueber 
den Schlangentanz theilte er Folgendes mit: „Wir haben 
vier Arten Medicin für den Tanz: die rothe, die gelbe, die 
blaue und endlich diese Wurzel, von der ich hier eine Probe 
habe; die Mitglieder des Ordens tragen diese Medicin 
immer bei sich und, wenn sie einer Klapperschlange begeg 
nen, beten sie zuerst zu ihrem Vater, der Sonne, und 
sagen: „Vater, mache, daß er zahm ist!" Dann wenden 
sie sich an die Schlange und sagen: „Vater, sei gut gegen 
mich, denn ich bete jetzt." Dann wird die Schlange ge 
fangen, aber durchaus nicht in gewallthütiger oder sorgloser 
Weise, und nach Hause gebracht. Die rothe Wurzel wird 
fein gemacht wie Kornmehl und ausgestreut, um eine gute 
Ernte zu bekommen. Die gefangene Schlange wird in 
gutem kaltem Wasser, dem die gelbe Wurzel beigemischt ist, 
gewaschen, woraus sich der Moqui, der sich ganz nackt aus 
kleidet, in demselben Wasser wäscht; dann fastet er einen 
Tag und tanzt während der Nacht." Hierauf folgte eine 
Angabe über die Gebräuche des Schlangenordens und die 
wiederholte Versicherung, wie segensreich dieses Geheimniß 
sei; daun beugte der Indianer, welcher diese Mittheilungen 
machte, seinen Kopf zum Gebete, nach dessen Beendigung 
er sich an die Weißen wendete mit den Worten: „Möge 
das Licht unserer Medicin und unserer Götter über euch 
ausgegossen werden und euch erleuchten, meine Kinder"; 
durch die Mittheilung, die er gemacht, und diesen Segen, 
seien die Amerikaner Ehrenmitglieder des Ordens geworden, 
sagte er. Es würde zu weit führen, auf die Mittheilungen 
anderer Art, die der Indianer z. B. über die Vorgeschichte 
seines Stammes machte, einzugehen; bemerken wollen wir 
nur noch, daß nach seiner Mittheilung jedes Mitglied des 
Ordens, welches etwa von einer Schlange gebissen wird, 
einen Ordensbruder rufen laßt und ein Opfer anbietet, 
worauf ein Gebet über dasselbe gesprochen wird; dann 
gebraucht man die Medicin und der Kranke wird gleich 
wieder gesund. 
Das Werk Bourke's enthält sehr wichtiges, ethnographi 
sches Material, auf welches wir hier jedoch nicht weiter 
eingehen können, da wir ja den Lesern des „Globus" nur 
eine einzelne Episode vorzuführen, nicht'deren Bedeutung 
in Verbindung mit dem Leben des Volkes nachzuweisen 
beabsichtigten. 
Wir wollen nur noch anführen, daß Dr. Edw. B.Tylor 
in einer Besprechung des Bourke'schen Buches („Nature", 
vom 12. März 1855) zu dem Resultate kommt, daß die 
Pueblo-Indianer, wie schon Buschmann vor langer Zeit 
aus linguistischen Gründen behauptet hat, zu der Sonora- 
Familie gehören, die einigermaßen den Einfluß der Azteken 
erkennen läßt.
	        
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