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Der Schlangentanz der Moqui in Arizona.
der Fall gewesen sei, was insofern auch vielleicht anzuneh
men ist, da, wie schon erwähnt, die Schlangen größtentheils
zu den giftigen gehören und man daher voraussetzen darf,
daß die Indianer ihre ganze Erfahrung und Geschicklichkeit
aufboten, um nicht gebissen zu werden. Die Moqui theilen
Folgendes ohne Rückhalt über den Tanz mit: Die Geheim
nisse desselben sind nur den Eingeweihten bekannt; man
hat jedoch beobachtet, daß die Personen, welche am Tanz
theilnehmen, einen Tag vorher nichts essen, daß sie eine
Medicin gegen etwaige Bisse besitzen und nach Ablauf der
Feierlichkeit einen Trank nehmen, der schnelles und starkes
Erbrechen verursacht. — Vergebens suchten die-Fremden
etwas von dem bei dem Feste gebrauchten Ausputz zu
erhalten; nur durch Bestechung glückte es, sich einiger
Steingeräthe zu bemächtigen, als man jedoch den Versuch
wiederholen wollte, wurde derselbe mit Entrüstung zurück
gewiesen. Die Röcke und Federbüsche wurden verbrannt;
wo und wie, konnte man nicht erfahren; die befragte Person
fürchtete lahm und blind zu werden, wenn sie etwas aus
plauderte.
Wir wollen nun nicht weiter über die negativen Resul
tate der Nachforschungen berichten, da, wie wir gleich sehen
werden, sich später doch ein Verrüther fand. Mit Beziehung
auf die vor dem Altar bemerkten Seemuschcln erzählte
einer der Moqui folgende Legende: „Vor vielen Jahren
lebten die Moqui noch auf der anderen Seite des hohen
Gebirges jenseits des San Jnanflusses. Der Häuptling
dachte, er wolle einmal einen Ausflug auf dem großen
Flusse machen, um zu sehen, wo derselbe mündete. Er
machte nun ein Boot aus einem ausgehöhlten Baumstämme,
lud einige Lebensmittel da hinein und fuhr ab. Der
Strom führte ihn an die Seeküste, wo er die Muscheln
fand. Als er am Strande hinging, kam er an eine Klippe,
auf der eine Gruppe Häuser stand, in denen Männer und
Frauen lebten; dieselben hatten Weiß unter ihren Augen
und darunter ein weißes Zeichen. Der Häuptling nahm
nun dort eine Frau, mit der er nach seiner Heimath
zurückkehrte; kurze Zeit nachher gebar sie Schlangen und
von diesen stammen die Mitglieder der Schlangenfamilie,
welche den Tanz aufführen. Die neugeborenen Schlangen
nämlich bissen die Kinder der Moqui und letztere zogen
zu ihren jetzigen Dörfern, wo sie den mehrerwähnten Tanz
einführten, um die Schlangen zu besänftigen, damit die
selben ihre Kinder nicht mehr bissen."
Bourke selbst sieht in der ganzen Aufführung einen
Versuch, die Erinnerung an den Ursprung und das Auf
blühen der Moquifamilie durch Dramatisirung lebendig
zu erhalten. So sind vielleicht das Salzwasser, der Sand
und die Muscheln, die bei den Festlichkeiten gebraucht wer
den, Symbole der Herkunft des Volkes von dem Ocean
(die Landung an der Westküste Amerikas); ihr Zusammen
kriechen mit den Schlangen (vor dem Feste) deutet das Zu
sammenleben mit Schlangen in vorhistorischen Zeiten und
in Höhlen an, woraus dann bessere Zeiten folgten. Ob
der Schlangentanz einfach die Verehrung der Ahnen oder
die der Geister in ausgedehntem Sinne zum Zweck hat,
muß durch weitere Untersuchung entschieden werden; beiläufig
möge bemerkt sein, daß nach der Ansicht Bourke^s bei den
Moquis auch der Glaube an Scelenwanderung bestanden hat.
Noch verschiedene Versuche wurden gemacht, von In
dianern Näheres über das Fest zu erfahren, die alle mehr
oder weniger erfolglos blieben, bis es endlich glückte, einen
Eingeweihten zu bestimmen, ausführliche -Mittheilungen
über die Geheimnisse seines Stammes zu machen. Ueber
den Schlangentanz theilte er Folgendes mit: „Wir haben
vier Arten Medicin für den Tanz: die rothe, die gelbe, die
blaue und endlich diese Wurzel, von der ich hier eine Probe
habe; die Mitglieder des Ordens tragen diese Medicin
immer bei sich und, wenn sie einer Klapperschlange begeg
nen, beten sie zuerst zu ihrem Vater, der Sonne, und
sagen: „Vater, mache, daß er zahm ist!" Dann wenden
sie sich an die Schlange und sagen: „Vater, sei gut gegen
mich, denn ich bete jetzt." Dann wird die Schlange ge
fangen, aber durchaus nicht in gewallthütiger oder sorgloser
Weise, und nach Hause gebracht. Die rothe Wurzel wird
fein gemacht wie Kornmehl und ausgestreut, um eine gute
Ernte zu bekommen. Die gefangene Schlange wird in
gutem kaltem Wasser, dem die gelbe Wurzel beigemischt ist,
gewaschen, woraus sich der Moqui, der sich ganz nackt aus
kleidet, in demselben Wasser wäscht; dann fastet er einen
Tag und tanzt während der Nacht." Hierauf folgte eine
Angabe über die Gebräuche des Schlangenordens und die
wiederholte Versicherung, wie segensreich dieses Geheimniß
sei; daun beugte der Indianer, welcher diese Mittheilungen
machte, seinen Kopf zum Gebete, nach dessen Beendigung
er sich an die Weißen wendete mit den Worten: „Möge
das Licht unserer Medicin und unserer Götter über euch
ausgegossen werden und euch erleuchten, meine Kinder";
durch die Mittheilung, die er gemacht, und diesen Segen,
seien die Amerikaner Ehrenmitglieder des Ordens geworden,
sagte er. Es würde zu weit führen, auf die Mittheilungen
anderer Art, die der Indianer z. B. über die Vorgeschichte
seines Stammes machte, einzugehen; bemerken wollen wir
nur noch, daß nach seiner Mittheilung jedes Mitglied des
Ordens, welches etwa von einer Schlange gebissen wird,
einen Ordensbruder rufen laßt und ein Opfer anbietet,
worauf ein Gebet über dasselbe gesprochen wird; dann
gebraucht man die Medicin und der Kranke wird gleich
wieder gesund.
Das Werk Bourke's enthält sehr wichtiges, ethnographi
sches Material, auf welches wir hier jedoch nicht weiter
eingehen können, da wir ja den Lesern des „Globus" nur
eine einzelne Episode vorzuführen, nicht'deren Bedeutung
in Verbindung mit dem Leben des Volkes nachzuweisen
beabsichtigten.
Wir wollen nur noch anführen, daß Dr. Edw. B.Tylor
in einer Besprechung des Bourke'schen Buches („Nature",
vom 12. März 1855) zu dem Resultate kommt, daß die
Pueblo-Indianer, wie schon Buschmann vor langer Zeit
aus linguistischen Gründen behauptet hat, zu der Sonora-
Familie gehören, die einigermaßen den Einfluß der Azteken
erkennen läßt.