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Dr. W. Sievers: Die „Floate“ des Nicolas de la Rosa.
Vermittlung des Herrn A. Kappeler, des Chefs der Firma
Aepli Eberbach & Co. in Barranquilla, das gewünschte
Buch. Herr Kappeler konnte dasselbe erst nach sehr langem
Suchen und vielen vergeblichen Bemühungen erlangen, da
die Besitzer es meist unter keiner Bedingung und zu keinem
Preise hergeben wollten, weil cs eben theils außerordentlich
selten ist, theils fast die einzigen authentischen Nachrichten
über das nördliche Colombia, und speciell über das jetzige
Departement» Magdalena, giebt. Ich bin daher dem Herrn
Kappeler wegen seiner beharrlichen Anstrengungen zu doppel
tem Danke verpflichtet.
Dieses überaus seltene und auf unserem Kontinent
wahrscheinlich nur in wenigen Exemplaren verbreitete Buch
führt den Titel:
„Floresta ele la Santa Iglesia Catedral de la Ciudad
de Santa Marta, por el Alférez Don José Nicolas de
la Rosa; dedicada al Ilustrisimo Señor Doctor Don
José Ignacio de Mijares de Solorzano, obispo digna
mente electo de la misma iglesia. Valencia, Imprenta
de D. M. de Cabrerizo 1833.“ Zu deutsch: „Blumenlese
aus der heiligen Kathedralkirche der Stadt Santa Marta,
von dem Fähnrich Don José Nicolas de la Nosa; gewidmet
Seiner Gnaden dem Herrn Doctor Don José Ignacio de
Mijares de Solorzano, ehrbar erwähltem Bischof derselben
Kirche. Valencia, Druck von D. M. de Cabrerizo, 1833.“
Das Buch ist 284 Seiten stark, im Jahre 1740 ge
schrieben und unter dem 4. April 1741 dem Bischof von
Santa Marta gewidmet. 1833 wurde dann in Valencia
obiger Neudruck veranstaltet.
Das Werk zerfällt in drei Abschnitte (Bücher); der erste
enthält in 20 Kapiteln eine allgemeine Einleitung, eine Ueber
sicht über die Entdeckung der Küste, und besonders des
Hafens von Santa Marta, dann eine Beschreibung der
Thaten der ersten Bischöfe der Stadt Santa Marta und
Fortsetzung der Bischofs-Chronik bis 1740. Im zweiten
Buche befindet sich die Beschreibung der Stadt Santa Marta
und ganz besonders der Kathedrale, dann eine Uebersicht
über die einzelnen Sprengel der Pfarreien des Bischofssitzes.
Im dritten Buche endlich geht der Verfasser zu einer Natur
geschichte der Sierra Nevada und ihrer Umgebung über,
giebt genaue Nachrichten über Pflanzen, Thiere und Sitten der
Indianer, und schließt mit einer Liste der Gouverneure und
Bischöfe in Santa Marta, sowie der kirchlichen Feste in dem
Sprengel.
Was uns hier interessirt, ist erstens der Abschnitt über
die Sitten der Indianer, und zweitens die Bemerkung über
die vorhandenen Ortschaften und namentlich über die
erloschenen Dörfer und Ansiedlungen.
Ich gebe im Folgenden — unter Weglassung bereits mit
getheilter Stellen — die getreue Uebersetznng der Kapitel III
und IV des dritten Buches, indem ich bemerke, daß bereits
in meinem vor der Naturforscher-Versammlung zu Berlin
1886 gehaltenen, in der Zeitschrift der Gesellschaft für
Erdkunde zu Berlin 1886 (S. 394) veröffentlichten Vortrage
indirekt auf Nicolas de la Rosa zurückgegangen worden ist,
insofern der Padre Celedón aus Rio Hacha in seiner
„Dramática de la Lengua Köggaba“, welche die Arhuaco-
Jndianer behandelt, den Nicolas de la Rosa benutzt hat.
Ich übersetze daher hier nur diejenigen Stellen, welche sich
in beiu Berliner Vortrage nicht finden.
Nicolas de la Rosa sagt S. 194 wie folgt:
Die Indianer werden im Allgemeinen alle Cariben
genannt, weil sie das abscheuliche Laster des Menschenflcisch-
fressens haben, welche Gewohnheit viele der Unterjochten bis
heute beibehalten haben; aber im klebrigen hatten alle ein-
elnen Stämme ihre bestimmten gesonderten Namen, von
encn einige ihnen wegen ihrer eigenthümlichen Sitten von
Globus bin. Nr. 15.
den Spaniern gegeben worden sind, wie z. B. den Moscas
des neuen Königreichs, für die sie ihrer ungeheuren Zahl
wegen keinen geeigneteren Namen fanden *); aber da ich
hier nur von denjenigen in der Provinz Santa Marta zu
reden habe, wird cs nöthig sein, zuerst Rechenschaft von den
Sitten und Gebräuchen der schon Unterworfenen zu geben,
die in den Dörfern, welche in ihren Gebieten errichtet
worden sind, der Lehenspslicht und der Demora unter
stehend leben, und dieses Wort zu erklären, in wie fern es
abzuleiten ist, und dann ans die noch freien Indianer über
zugehen, wobei zu bemerken ist, daß diese zahlreiche Namen
führen, wie Chimilas, Alcoholados, Aurohuacos, Goagiros,
Cosinas, Tupes, Acanayutos, Pampanillas, Orejones,
Motilones und Pintados.
Das Wort „Demora“ bedeutet die Abgabe, welche den
Indianern bei der Eroberung als Zeichen ihrer Vasal
lenschaft auferlegt und den Eroberern und ihren Nach-
kommen als Vorrecht zugestanden wurde, denen sie sich an
vertrauten, damit sie von ihnen in dem Evangelium, den
Lehren der Kirche unterwiesen, in Bezug aus Kirchen, Schmuck
und ärztliche Heilmittel unterhalten würden.
Im Anfang hatten die Indianer pro Jahr einem Jeden
12 Pesos zu geben, aber da der Gerechtigkeitssinn, der christliche
Eifer und die Frömmigkeit unserer Vorfahren alles zu thun
suchte, was die Vasallen erleichtern konnte, so wurde der
Tribut bald auf den Werth von 4 Pesos pro Jahr herab
gesetzt, was sie auch heute noch bezahlen. Demora 2 ) heißt
diese Abgabe wohl deshalb, weil damit die Verzögerung
und Zurückhaltung bezeichnet werden sollte, mit welcher die
Indianer im Anfang dem Gehorsam gegen die Spanier
widerstrebten, wofür sie ihnen später bezahlen mußten. Mit
Ausnahme der Kaziken bezahlen jetzt alle Leute von 18 Jahren
an diese Demora und zwar bis zum 58sten Jahre; doch sind
die Frauen im Allgemeinen davon befreit, und vor allem
die Häuptlinge, Ortsvorsteher, Befehlshaber und Aufseher
für die Dauer ihres Amtes. Daher heißen denn auch die
schon im Vasallenverhältniß lebenden Indianer gewöhnlich
Demorados.
Die Indianer der Provinz Santa Marta sind im
Ganzen und Großen von mittelgroßer Gestalt, untersetzt,
breit in den Hüften; sie haben kleine aber breite Hände,
rothbraune Farbe und schwarzes, straffes, dickes Haar. Sic
sind schnell zum Bösen, langsam zum Guten bereit, elend
und schwach von Geist, aber in ihren Lastern ganz
zügellos. Sie essen ganz unmäßig, wenn es ans fremder
Tasche geht und schlafen von Sonnenuntergang bis zum
ersten Hahnenschrei, denn vor Sonnenaufgang müssen sie
sich baden. Auch am Tage setzen sie diese Beschäftigung
häufig fort, weil ihre heiße Gemüthsart sie dazu veranlaßt,
und in Folge dessen erbauen sie ihre Wohnungen an den
Flußufern. und sind sehr gewandt im Schwimmen und
Fischen; die zu letzterer Arbeit nöthigen Werkzeuge bilden
das vorzüglichste Hausgerüth ihrer Hütten. Auch erfinden
pe Netze, Harpunen, Stricke, Fischkörbc, Fischangeln und
Wurfgarne, auf deren Anfertigung sie sehr viele Mühe ver
wenden. Sie haben weder Bartwuchs noch auch irgend
welches andere Haar auf dem Körper, und wer solches hat,
gilt bei ihnen als Mischling. Dennoch erkennen sic solche
alv vUldianer an, denn in ihrer Ansicht wiegt die mütterliche
Abstammung schwerer, als etwa die besonderen Fähigkeiten
des Betreffenden. Sie sind überzeugt, daß die Spanier
ohne sie nicht viel taugen und pflegen daher oft zu sagen:
„Zu was nützen die Weißen ohne die Indianer.“
plo§ca§ heißt Mücken. Es sind hier die Muyscas,
Chibchas gemeint.
2 ) Deutsch: Verzug.
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