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Dr. W. Sievers: Die „Floresta“ des Nicolas de la Rosa.
Ihre beliebteste Nahrung ist Fisch und Fleisch des Hoch
wildes, denn diese allein kann ihnen durch ihre Lieblings
beschäftigungen des Fischens und Jagens verschafft werden,
welche für ihre ganze Naturanlage ebenso bequem als an
genehm sind. Bei einer oder der anderen Speise muß ganz
besonders viel Salz vorhanden sein, denn sie sind so sehr
danach begierig, daß, falls ihnen Nahrung fehlt, sie dem
Mangel durch ein Stuck Maiskuchen und einen Haufen
Salz abzuhelfen Pflegen. Ihre Kochtöpfe kennen „ keine
Gemüse außer der Auca, der Banane, der Batate, der Name
und während des Essens trinken sie sehr viel, besonders
Chicha, Guarapo und Palmwein. Die Chicha bereiten sie
aus gekochtem Mais, welcher der Gährung ausgesetzt wird,
den Guarapo aus dem Zuckerrohrsaft; den Palmwein
gewinnen sie aus der Curua-Palme und endlich haben sie
noch ein Getränk, welches aus gekochter und gekauter Auca
hergestellt und „Vocana" genannt wird. Zum Anbau dieser
wenigen Pflanzen bedürfen sie nur geringer Mühe, zumal
da die Männer sich daraus beschränken, den Boden zu jäten
und zu säen, während es Sache der Frauen ist, sei es der
Mutter, Schwester oder Tochter des Besitzers, die Ernte
arbeit zu verrichten, die Früchte auf dem Rücken nach Hause
zu tragen und dort zu verarbeiten, ferner Wasser und Holz
zu holen und alle übrige Arbeit zu besorgen. Der Indianer-
selbst fischt oder jagt, aber auch nur so viel, als er für den
Tag selbst braucht, nachher legt er sich in die Hängematte,
bis das Essen fertig ist. Ihre Kleidung beschränkt sich auf
eine weite Jacke und eine Hofe von grobem Baumwollcn-
zeug und die Frauen tragen ein weißes Tuch und weiße
Unterröcke mit schwarzen Streifen oder Kanten. Im Hause
gehen sie übrigens nackt, vom Gürtel aufwärts, nur die
Kaziken selbst besitzen Hemd und Schuhe und die Frauen
der Kaziken eine Art Pantoffeln als Unterscheidungszeichen
gegenüber den anderen Indianerinnen.
Die hauptsächlichsten Berufsarten, zu denen sie sich
herbeilassen, sind Rudern und Maulthicrtreiben, auch gehen
sie als Eilboten zu Fuß, und der Tagelohn, den sie dabei
verdienen, muß für ihre Sättigung ausreichen und gestattet
auch noch dem Laster der Trunksucht verschwenderisch zu
fröhnen, doch kann nichts für den Unterhalt der Familie
zurückgelegt werden; dieser ist denn auch sehr dürftig, denn
dafür sorgt nur die Frau mit ihrer spärlichen Handarbeit,
bestehend in der Anfertigung von Baumwollenzeugen, Hänge
matten, Mänteln, Strohhüten, Fächern und Besen. Andere
verfertigen grobe Töpferwaaren, Töpfe, Schalen und Tiegel,
auch ziehen sie Hühner und andere Hausthiere und alles
dies laden sie sich auf den Rücken, um es in der Stadt zu
verkaufen. Die Indianerinnen der Provinz im Biunen-
lande verfertigen Seile, Stricke, Bindfaden, wirken Netze,
Taschen und Säcke sowie auch Sandalen, und treiben auch
andere Industriezweige, je nach dem Boden, auf welchem sie
leben, so daß sie, in ununterbrochener Arbeit befindlich, viel
thätiger und nutzbringender sind, als ihre Männer. Letztere
haben, um weniger auf ihren Feldern arbeiten zu müssen,
eine Art Wechsel in der Arbeit eingeführt, den sie Chagua
nennen und auf folgende Weise vollführen: au einem Tage
in der Woche versammeln sich die Indianer eines Dorfes
oder ein Theil derselben, jeder mit einer Axt und einem
Messer bewaffnet in dem Hause desjenigen, dem die zu
bestellenden Felder gehören und bearbeiten dann zusammen
das Land und machen es für die Aussaat tauglich. Dafür
hat daun der Herr der jedesmaligen Chagua die Verpflichtung,
ihnen zu essen und zu trinken zu geben, worauf er sich mit
Jagen und Fischen und seine Frau mit den Chicha-Krügen
vorher einzurichten haben. Das ist für sie dann ein Fest
tag, wofür sie meistens den Sonntag auswählen und es ist
dann nöthig, daß der Geistliche früh die Messe liest und
aufpaßt, daß sie dieselbe hören. Abends kommen sie zurück,
und wenn Getränk übrig geblieben, so trinken und tanzen
sie so lange, bis nichts mehr vorhanden ist. Dann erholen
sie sich wieder und wenn einer von den anderen seine
Chagua macht, so ist jeder, welcher bereits diese Dienst
leistung empfing, verpflichtet, dem Anderen beizuspringen.
Denselben Wechsel üben sie aus, wenn sie ein Haus bauen
wollen und pflegen daher, falls das Material, Holz, Rohr,
Palmblätter und Weiden, bereits vorhanden ist, ein Haus
in zwei Tagen der Chagua herzustellen.
Die Vorbereitungen, welche die Indianerin für ihre
Niederkunft trifft, beschränken sich darauf, daß sie an dem
Tage, wo sie Schmerzen fühlt, ihre Hängematte aufhängt
und zwei Schalen mit lauwarmem Wasser daneben stellt.
Wenn dann ihre Stunde herangekommen ist, schließt sie sich
ein und hilft sich selbst, bis das Kind auf den Boden füllt,
dann hebt sie es auf, schneidet ihin die Nabelschnur ab und
badet es mit lauwarmem Wasser; darauf legt sie glühende
Kohlen in die Tiegel, stellt dieselben unter die Hängematte
und bleibt neun Tage liegen, worauf sie nach dem nächsten
Bache geht, sich und ihr Kind badet und dann, nach wie
vor, an ihre Arbeit geht. Hierauf besuchen sie die anderen
Frauen und wenn die junge Mutter in Folge des heftigen
Schmerzes einen Schrei ansgestoßen, oder gejammert hatte,
so wird sie deshalb von den Frauen beschimpft, damit sie
das nächste Mal den Schmerz ertragen lerne. Nachdem
das Kind geboren ist, geben sie ihm den Namen des Vogels,
welcher fang, oder des Thieres, welches brüllte oder
grunzte, als die Geburt erfolgte, und unter den Indianern
ist das Kind unter diesem Namen bekannter, als unter dem,
welcher ihm bei der christlichen Taufe gegeben wird. Nur
einige behalten Eigennamen ihrer Herren und Gebieter,
von der Eroberung her, wie z. B. Majarrez, Hincapié,
Bustamante, Sandoval, Mendoza, Nnñez, Mejia u. s. w.
oder, wenn der Gebieter irgend ein Amt befaß, so heißt
der Indianer danach z. B. Bischof, Gouverneur, Schatz-
meister u. s. w.
Alle diese Indianer sprechen die spanische Sprache ziem
lich klar, wenn auch mit Weglassung einiger Buchstaben,
vergessen aber deshalb doch nicht ihre eigene Sprache, welche
in jedem Dorfe verschieden ist, und benutzen dieselbe auf
ihren Versammlungen, Tänzen und Festlichkeiten, obwohl
sie sich unter einander nicht immer verstehen, sondern zu
weilen nur einige Worte aus dem anderen Dialekte gelernt
haben. Sammt und sonders brauchen sie Bogen und
Pfeile für die Jagd und den Fischfang.
Im Grunde sind sie alle undankbar und eigensüchtig,
aber in Ansehung ihrer Elendigkeit, Unwissenheit und
Geistesarmuth sollte man sie gut behandeln, damit, wenn
der Grabstichel der Nächstenliebe und Barmherzigkeit lang
sam an ihnen feilt, wie der Tropfen den Stein höhlt, die
zarte Pflanze des katholischen Glaubens tiefere Wurzel bei
ihnen schlage.
Für friedlich und seßhaft werden auch die Aurohuacos-
Jndinner angesehen, weil sie in Glauben, Vasallenschaft
und Unterthanenverhültniß in der Sierra Nevada zwischen
Santa Marta und dem Rio de la Hacha leben, von wo
der berühmte Fluß Don Diego herabkommt; doch haben sie
noch verschiedenartige Sitten und wenig Verbindungen mit
den Spaniern. Dieses Wort „Aurohuaco“ heißt im
Spanischen verborgenes Gold, weil dieses Gebirge in
Bezug auf Reichthum an Gold, Silber, Kupfer, Blei und
vielen anderen kostbaren Gesteinen das Potosi der ganzen
Küste ist. Nicht nur in den Gräbern und Huacas, welche
die alten Bewohner zu ihrer Bestattung graben ließen,
finden sich diese Erze, sondern auch in Adern im Gesteine
selbst, und zwar ist von beiden Fundorten das Gold mit'