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Full Text: Globus, 53.1888

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Dr. W. Sievers: Die „Floresta“ des Nicolas de la Rosa. 
Ihre beliebteste Nahrung ist Fisch und Fleisch des Hoch 
wildes, denn diese allein kann ihnen durch ihre Lieblings 
beschäftigungen des Fischens und Jagens verschafft werden, 
welche für ihre ganze Naturanlage ebenso bequem als an 
genehm sind. Bei einer oder der anderen Speise muß ganz 
besonders viel Salz vorhanden sein, denn sie sind so sehr 
danach begierig, daß, falls ihnen Nahrung fehlt, sie dem 
Mangel durch ein Stuck Maiskuchen und einen Haufen 
Salz abzuhelfen Pflegen. Ihre Kochtöpfe kennen „ keine 
Gemüse außer der Auca, der Banane, der Batate, der Name 
und während des Essens trinken sie sehr viel, besonders 
Chicha, Guarapo und Palmwein. Die Chicha bereiten sie 
aus gekochtem Mais, welcher der Gährung ausgesetzt wird, 
den Guarapo aus dem Zuckerrohrsaft; den Palmwein 
gewinnen sie aus der Curua-Palme und endlich haben sie 
noch ein Getränk, welches aus gekochter und gekauter Auca 
hergestellt und „Vocana" genannt wird. Zum Anbau dieser 
wenigen Pflanzen bedürfen sie nur geringer Mühe, zumal 
da die Männer sich daraus beschränken, den Boden zu jäten 
und zu säen, während es Sache der Frauen ist, sei es der 
Mutter, Schwester oder Tochter des Besitzers, die Ernte 
arbeit zu verrichten, die Früchte auf dem Rücken nach Hause 
zu tragen und dort zu verarbeiten, ferner Wasser und Holz 
zu holen und alle übrige Arbeit zu besorgen. Der Indianer- 
selbst fischt oder jagt, aber auch nur so viel, als er für den 
Tag selbst braucht, nachher legt er sich in die Hängematte, 
bis das Essen fertig ist. Ihre Kleidung beschränkt sich auf 
eine weite Jacke und eine Hofe von grobem Baumwollcn- 
zeug und die Frauen tragen ein weißes Tuch und weiße 
Unterröcke mit schwarzen Streifen oder Kanten. Im Hause 
gehen sie übrigens nackt, vom Gürtel aufwärts, nur die 
Kaziken selbst besitzen Hemd und Schuhe und die Frauen 
der Kaziken eine Art Pantoffeln als Unterscheidungszeichen 
gegenüber den anderen Indianerinnen. 
Die hauptsächlichsten Berufsarten, zu denen sie sich 
herbeilassen, sind Rudern und Maulthicrtreiben, auch gehen 
sie als Eilboten zu Fuß, und der Tagelohn, den sie dabei 
verdienen, muß für ihre Sättigung ausreichen und gestattet 
auch noch dem Laster der Trunksucht verschwenderisch zu 
fröhnen, doch kann nichts für den Unterhalt der Familie 
zurückgelegt werden; dieser ist denn auch sehr dürftig, denn 
dafür sorgt nur die Frau mit ihrer spärlichen Handarbeit, 
bestehend in der Anfertigung von Baumwollenzeugen, Hänge 
matten, Mänteln, Strohhüten, Fächern und Besen. Andere 
verfertigen grobe Töpferwaaren, Töpfe, Schalen und Tiegel, 
auch ziehen sie Hühner und andere Hausthiere und alles 
dies laden sie sich auf den Rücken, um es in der Stadt zu 
verkaufen. Die Indianerinnen der Provinz im Biunen- 
lande verfertigen Seile, Stricke, Bindfaden, wirken Netze, 
Taschen und Säcke sowie auch Sandalen, und treiben auch 
andere Industriezweige, je nach dem Boden, auf welchem sie 
leben, so daß sie, in ununterbrochener Arbeit befindlich, viel 
thätiger und nutzbringender sind, als ihre Männer. Letztere 
haben, um weniger auf ihren Feldern arbeiten zu müssen, 
eine Art Wechsel in der Arbeit eingeführt, den sie Chagua 
nennen und auf folgende Weise vollführen: au einem Tage 
in der Woche versammeln sich die Indianer eines Dorfes 
oder ein Theil derselben, jeder mit einer Axt und einem 
Messer bewaffnet in dem Hause desjenigen, dem die zu 
bestellenden Felder gehören und bearbeiten dann zusammen 
das Land und machen es für die Aussaat tauglich. Dafür 
hat daun der Herr der jedesmaligen Chagua die Verpflichtung, 
ihnen zu essen und zu trinken zu geben, worauf er sich mit 
Jagen und Fischen und seine Frau mit den Chicha-Krügen 
vorher einzurichten haben. Das ist für sie dann ein Fest 
tag, wofür sie meistens den Sonntag auswählen und es ist 
dann nöthig, daß der Geistliche früh die Messe liest und 
aufpaßt, daß sie dieselbe hören. Abends kommen sie zurück, 
und wenn Getränk übrig geblieben, so trinken und tanzen 
sie so lange, bis nichts mehr vorhanden ist. Dann erholen 
sie sich wieder und wenn einer von den anderen seine 
Chagua macht, so ist jeder, welcher bereits diese Dienst 
leistung empfing, verpflichtet, dem Anderen beizuspringen. 
Denselben Wechsel üben sie aus, wenn sie ein Haus bauen 
wollen und pflegen daher, falls das Material, Holz, Rohr, 
Palmblätter und Weiden, bereits vorhanden ist, ein Haus 
in zwei Tagen der Chagua herzustellen. 
Die Vorbereitungen, welche die Indianerin für ihre 
Niederkunft trifft, beschränken sich darauf, daß sie an dem 
Tage, wo sie Schmerzen fühlt, ihre Hängematte aufhängt 
und zwei Schalen mit lauwarmem Wasser daneben stellt. 
Wenn dann ihre Stunde herangekommen ist, schließt sie sich 
ein und hilft sich selbst, bis das Kind auf den Boden füllt, 
dann hebt sie es auf, schneidet ihin die Nabelschnur ab und 
badet es mit lauwarmem Wasser; darauf legt sie glühende 
Kohlen in die Tiegel, stellt dieselben unter die Hängematte 
und bleibt neun Tage liegen, worauf sie nach dem nächsten 
Bache geht, sich und ihr Kind badet und dann, nach wie 
vor, an ihre Arbeit geht. Hierauf besuchen sie die anderen 
Frauen und wenn die junge Mutter in Folge des heftigen 
Schmerzes einen Schrei ansgestoßen, oder gejammert hatte, 
so wird sie deshalb von den Frauen beschimpft, damit sie 
das nächste Mal den Schmerz ertragen lerne. Nachdem 
das Kind geboren ist, geben sie ihm den Namen des Vogels, 
welcher fang, oder des Thieres, welches brüllte oder 
grunzte, als die Geburt erfolgte, und unter den Indianern 
ist das Kind unter diesem Namen bekannter, als unter dem, 
welcher ihm bei der christlichen Taufe gegeben wird. Nur 
einige behalten Eigennamen ihrer Herren und Gebieter, 
von der Eroberung her, wie z. B. Majarrez, Hincapié, 
Bustamante, Sandoval, Mendoza, Nnñez, Mejia u. s. w. 
oder, wenn der Gebieter irgend ein Amt befaß, so heißt 
der Indianer danach z. B. Bischof, Gouverneur, Schatz- 
meister u. s. w. 
Alle diese Indianer sprechen die spanische Sprache ziem 
lich klar, wenn auch mit Weglassung einiger Buchstaben, 
vergessen aber deshalb doch nicht ihre eigene Sprache, welche 
in jedem Dorfe verschieden ist, und benutzen dieselbe auf 
ihren Versammlungen, Tänzen und Festlichkeiten, obwohl 
sie sich unter einander nicht immer verstehen, sondern zu 
weilen nur einige Worte aus dem anderen Dialekte gelernt 
haben. Sammt und sonders brauchen sie Bogen und 
Pfeile für die Jagd und den Fischfang. 
Im Grunde sind sie alle undankbar und eigensüchtig, 
aber in Ansehung ihrer Elendigkeit, Unwissenheit und 
Geistesarmuth sollte man sie gut behandeln, damit, wenn 
der Grabstichel der Nächstenliebe und Barmherzigkeit lang 
sam an ihnen feilt, wie der Tropfen den Stein höhlt, die 
zarte Pflanze des katholischen Glaubens tiefere Wurzel bei 
ihnen schlage. 
Für friedlich und seßhaft werden auch die Aurohuacos- 
Jndinner angesehen, weil sie in Glauben, Vasallenschaft 
und Unterthanenverhültniß in der Sierra Nevada zwischen 
Santa Marta und dem Rio de la Hacha leben, von wo 
der berühmte Fluß Don Diego herabkommt; doch haben sie 
noch verschiedenartige Sitten und wenig Verbindungen mit 
den Spaniern. Dieses Wort „Aurohuaco“ heißt im 
Spanischen verborgenes Gold, weil dieses Gebirge in 
Bezug auf Reichthum an Gold, Silber, Kupfer, Blei und 
vielen anderen kostbaren Gesteinen das Potosi der ganzen 
Küste ist. Nicht nur in den Gräbern und Huacas, welche 
die alten Bewohner zu ihrer Bestattung graben ließen, 
finden sich diese Erze, sondern auch in Adern im Gesteine 
selbst, und zwar ist von beiden Fundorten das Gold mit'
	        
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