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Aus allen Erdtheilen.
historischen Hausthiere. Der genannte Herr hat im
Gegensatze zu Rütimeyer und Nathusius ein sehr umfassendes
Material (insbesondere mehrere Hundert von Wildschweiu-
nnd Hausschweinschädeln) zu seinen Untersuchungen zur Ver
fügung gehabt, und er gelangt auf Grund desselben zu dem
Schlüsse, daß das Pfahlbauer-Schwein (Sus palustris) nicht
als eine besondere Spezies, sondern als die in primitiver
Weise gezähmte Form des einheimischen Wildschweines (8ns
scrofa ferus) zu gelten habe. Die Vernachlässigung der
Pflege der Hausthiere und die damit Hand in Hand gehende
Inzucht führe noch heute in Ländern von geringer Kultur-
entwickelung (in Nordrnßland, in den Ländern der Balkan-
halbinsel rc.) zn einer Verkümmerung der Rassen. Daraus
erkläre sich auch die Uebereinstimmung in dem Knochenbau
des Pfahlbauer-Schweines und des indonesisch-melanesischen
Schweines. In beschränktem Maße konnten allerdings durch
griechisch-römischen Einfluß Kreuzungen zwischen den asiati
schen mtb europäischen Formen stattgefunden haben.
— Der französische Geist ist rastlos am Werke, neue
Bravourstücke zn erdenken, durch die er die Fehler, die die
Natur bei der Gestaltung der Erdräume begangen hat, zn
verbessern strebt. Da das große Projekt des Kanaltunnels
an dem Widerstreben der Engländer bis auf weiteres ge
scheitert ist, so hat der ehemalige Präsident der Pariser Ge
sellschaft der Civil-Jngenieure, Herr Herseut, den noch viel
größer ausschauenden Plan einer Kanalbrücke zur Dis
kussion gestellt. Die Brücke soll circa 30 km lang werden,
50 m über den Meeresspiegel emporragen, in Intervallen
von l / 2 km von Pfeilern getragen werden, und 800 Millionen
Francs kosten. Sobald das Projekt von einer internationalen
Ingenieur-Kommission geprüft und gebilligt worden ist, will
man an die Gründung einer Kanalbrückeu-Gesellschaft gehen,
und die Erlaubniß zn dem Bau bei der französischen und
englischen Regierung nachsuchen. — Auch wenn der Plan tech
nisch mtb finanziell ausführbar sein sollte, ist cs aber zu
vörderst sehr lvahrscheinlich, daß dieselben politischen Bedenken,
die sich in England gegen den Kanaltunnel erhoben haben,
sich auch gegen die Kanalbrücke erheben werden. Ihre voll
kommene insulare Abgeschlossenheit ist den Engländern zn lieb.
A s i e n.
— M. Ganthier hat eine interessante Fahrt von
Luang Prabang denMekhoug hinab bis nach Kambodscha
unternoulnlen. Dieselbe datierte 40 Tage, mtb der Reisende
hatte dabei nicht weniger als 20 Katarakte zu überwinden,
die ihn wiederholt in äußerste Gefahr brachten. Auf dem
Wege gewann er unter attderem auch einen Einblick in das
Treiben der Laos, die er als ein lustiges und träges Völkchen
schildert, das kaum etwas anderes thut, als lacht, singt und
raucht. Handel und Gewerbe befinden sich bei ihnen in den
Händen der Chinesen.
— Unserm Aufsatze über die asiatischen Eisenbahnen
haben wir nachzutragen, daß der türkische Sultan die Ge
nehmigung ertheilt hat, die Eisenbahnlinie Smyrna-Aidiu-
Danizli nach Dincir, im oberen Menderesthale, weiter zu
führen. Es wird dadurch nicht nur einem reichen Distrikte
Kleinasiens die lauge entbehrte Abzugsstraße für seine Pro-
ditktion gewährt, sondern es geschieht dailtit zugleich ein ernst
hafter Schritt zur Verbindung des großen kleinasiatischeu
Hafeuplatzes mit Karahissar, Kouia, Kaisarieh und anderen
namhaften Verkehrscentren des Binnenlandes. Die Weiter-
führung der Linie Skutari-Jsmid nach Engürieh (Angora) —
eilte Strecke von 480 km — hat ebenfalls gute Aussichten
auf baldige Verwirklichung gewonnen. Man geht' wohl nicht
irre, wenn man diese wichtigen verkehrspolitischen That
sachen mit der Fertigstellung der Eisenbahn von Wien nach
Konstantinopel in Zusammenhang bringt.
— Der allgemeine Plan der großen sibirischen
Eisenbahn scheint gegenwärtig ebenfalls festzustehen. Dem
nach würden die Hauptstationen der Linie östlich von Tomsk
sein: Mariinsk, Aschinsk, Krasnojarsk, Nishnij-Udinsk, Irkutsk,
Posolsk, Werchne-Udinsk, Tschita, Nertschinsk, Srjetensk,
Grafskiport, Nikolskoi und Wladiwostok. Die Linie verliefe
also genau, wie die in Nr. 20 enthaltene Uebersichtskarte der
asiatischen Eisenbahnen und Eiscubahnprojecte es zeigt.
A f r i k a.
— I. F. Ingram, der bereits das Pondo-Land, Zulu-
Land und Swazi-Land bereist hat, plant eine neue Expedition
nach Umzila's Reiche, nördlich von dem Liinpopo. Er
beabsichtigt daselbst insbesondere die Forschungen unseres Karl
Manch fortzusetzen.
— Das jüngst herausgekommene englische Blaubuch über
Betschnanaland enthält unter anderem einen Bericht F.
Johnsons über eine Explorationstour nach dein
Matabcle- und Ma schonn lande, welcher constatirt,
daß sich auch in diesen Ländern reiche Goldlager befinden.
Besonders führt das Alluvium des Amazon, des Goura-
mapontsie und Umlobordju große Mengen des edlen Bie
talls , dasselbe fehlt aber in der Gegend nordöstlich von dem
Hanyaue - River in keinem Bachlaufe und in keinem aus
getrockneten Flußbette gänzlich. Die Gegend ist gebirgig und
nur sehr spärlich bewohnt.
P o l a r r e g i o n e n.
— Der norwegische Reisende Dr. Frithjof Nansen
Hatseine Grönlandfahrt thatsächlich angetreten mtb sich am
9. Mai in Leith zunächst nach Island eingeschifft. Seine
Begleiter sind Lieutenant Dietrichson, Herr Sverdrnß, Herr
Kristiansen und die beiden Lappen Balta und Ravna.
— Prof. Baklund, Mitglied der Kaiser!, russischen Aka
demie der Wissenschaften, beabsichtigt in Gemeinschaft mit dem
Geologen Tschernyschew nach Nowoja Semlja zu gehen
mtb eine Durchquerung dieser arktischen Lande ztt versuchen.
— Ueber die Temperaturverhältnisse von Nord
grönland (Upernivik) enthalt ein Vortrag des Grönland
fahrers Ryder vor der dänischen geographischen Gesellschaft
nachstehende bemerkenswerthe Daten: Die mittlere Jahres
temperatur war — 11,40 C.; die absolute Maximaltcmperatur
des Juli betrug (1886) ff- 15,3°, die absolute Minimal-
temperatnr des Februar sowie des März (1887) dagegen
— 40,3°. Sehr charakteristisch für das nordgrönländische
Klima sind die Föhnwinde, bei denen das Thermometer zu
weilen ganz plötzlich vou — 30° C. ans 0° und darüber
steigt. (Bergl. „Geografisk Tidskrift" 9, p. 82 ff.)
Inhalt : Dr. H. Zschalig: Rouen. II. (Mit vier Abbildungen.) — Wanderungen durch das außertropische Süd
amerika. XI. (Mit drei Abbildungen.) — Theodor Kirchhofs: Südkalifornien im Jahre 1887. II. — Kürzere
Mittheilungen: Ueber den Erd- und den Himmelsglobus von G. I. Blaeu, Amsterdam 1559 bis 1603. — Die Eisenbahn
von Antosagasta nach Bolivien. — Aus allen Erdtheilen: Europa. — Asien. — Afrika. — Polarregionen. (Schluß der
Redaktion am 28. Alai 1888.)
Redakteur: Dr. E. Dcckert in Berlin W., Nürnberger-Straße 2.
Druck und Verlag von Friedrich Vieweg und Sohn in Braunschweig.