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Aus allen Erdteilen.
Herausgeber: Dr. R. And ree in Heidelberg, Leopoldstraße 27.
Druck von Friedrich Vieweg und Sohn in Braunschweig.
Aus allen Erdteilen.
— Über die Verbreitung von Märchen und Er
zählungen unter den Eingebornen Nordamerikas
hat Franz Boas eine belangreiche Abhandlung veröffentlicht.
Dieses fand in Amerika ganz ähnlich statt wie in der Alten
Welt, z. B. von Indien naeh Europa. Freilich auf Grund
litterarischer Quellen, wie bei uns, ist die Verbreitung dort
nicht nachweisbar und wir kennen nur die Volksmärchen der
heutigen Stämme. Daraus ergiebt sieh, daß nur der Ver
gleich des gegenwärtig vorhandenen Stoffes uns zu Schlüssen
über die Verbreitung führen kann. Doch hier taucht wieder die
Schwierigkeit ans, daß solche Märchen auch, wie wir wissen,
unabhängig voneinander entstanden sein können. So ist
z. B. sicher die Geschichte vom Manne, der den Fisch ver
schlingt, trotz dieses charakteristischen Zuges eine unabhängig
bei verschiedenen Völkern entstandene, schon deshalb, weil die
Sache eine ganz einfache, natürliche ist. Jonas wird vom
Walfisch verschlungen, unser Däumling von der Kuh, der
Menaboschu der Rothäute vom Fisch, ein indischer Prinz vom
Fisch u. s. w. Findet sich aber eine Kombination ver
schiedener Elemente in verschiedenen Gegenden, so darf inan
auf Entlehnung schließen. Wie hier nun die Kritik zu ver
fahren hat, zeigt uns Professor Boas an verschiedenen Bei
spielen. Namentlich haben die Eskimos mit den Indianern
an der Küste des Stillen Weltmeeres viele gemeinsame Er
zählungen und es bestehen auch solche Übereinstimmungen
zwischen den Algonqninstämmen (im Osten) mit denen der
Indianer an der Westküste, die, wie ihre Elemente beweisen,
nur aus einer Quelle stammen können.
yiod) weiter greift Boas aus, durch Vergleich mancher
Erzählungen der Alten mit jenen der Neuen Welt. Die iden
tische Geschichte vom Menschenfresser, welcher Kinder verfolgte
und die Caströn bei den Samojeden fand, ist mit überraschen
den Einzelheiten nach Boas an der nordpazifischen Küste
Amerikas bekannt. Desgleichen finden sich hier Erzählungen
der Ainos (Nordjapan) und von den Pelauinseln wieder.
Für Folkloristen ist die Abhandlung des Prof. Boas von
Wichtigkeit. A.
— Die englische Mission in Uganda. Bischof
Tucker von der Church Missionary Society hat eine In
spektionsreise nach dem vielbesprochenen Uganda unternommen,
wo er am 27. Dezember 1890 eintraf. Die Reise über
den Viktoriasee von Usambiro aus hatte 23 Tage gedauert.
Schon am Tage nach seiner Ankunft predigte er vor 1000
evangelischen Ehristen, von denen aber viele, ans Furcht vor
einem Überfall durch die katholische Partei, mit Flinten be
waffnet waren. Unter den Zuhörern befand sich der Kati-
kiro, der höchste Würdenträger des Staates. Der König,
bei dein Tucker seinen Besuch abstattete, machte auf ihn keinen
günstigen Eindruck, auch war er unzufrieden, weil Tuckers
Geschenke durch ein Versehen iu Usambiro zurückgeblieben
waren. Hauptsächlich ließ es sich Tucker angelegen sein, die
Streitigkeiten zwischen den beiden christlichen Parteien beizu
legen. Französisch und katholisch, englisch und protestantisch
gelten als gleich und der erbitterte Streit hat politischen Bei
geschmack. Da aber Uganda jetzt zur englischen Interessen
sphäre gehört, so hofft Tucker auf Beilegung durch den englischen
Kommissar (damals Kapitän Lugard). Sein Hauptaugen
merk richtete er auf die Erziehung eingeborner Lehrer (Pre
diger), von denen er eine Anzahl weihte. „Die Waganda
sind als Lehrer sehr geschickt." Bischof Tucker sieht alles
im günstigsten Lichte und betont die Opferwilligkeit der Ein-
gebornen, welche unentgeltlich Häuser für die Missionare
bauten. Mit dem Vorstande der katholischen Mission, Pore
Brard, hatte Tucker eine Zusammenkunft, in welcher die
Grundlagen für einen Ausgleich zwischen beiden Parteien
angenommen wurden. Die englische Mission wird auch jetzt
auf das durch Peters bekannt gewordene Nachbarland Usoga
ausgedehnt. Am 22. Januar 1891 verließ Tucker Uganda
wieder. (Nach dem „Church. Miss. Inteil.“, Mai 1891.)
— Die Goldgräber in Matebeleland. Die große
englische Expedition von 700 Menschen, welche im verstossenen
Jahre nach dem Matebelelande im Norden von Transvaal
zog, hofft dort gute Ergebnisse zu erlangen. Der Geistliche,
welcher dieselbe begleitete, F. H. Surridge, hielt darüber
kürzlich einen Vortrag im Royal-Colonial-Jnstitnte. Danach
wird die Umgebung der Hartley-Berge (vergl. die Karte in
den Proc. Geogr. Soc. , Februar 1891) als besonders
goldreich geschildert. Die besten Qnarzgoldriffe liegen au der
Vereinigung des Umfuli und Simbo, wo bereits 2000 „Claims"
ausgeteilt sind. Etwa 160 Irin nordöstlich davon befinden
sich die Mazoe-Goldfelder, welche auch gute Ergebnisse ver
sprechen. Überall trifft man auf alte Goldbergwerke. Das
Waschen des Goldes in den Strömen ist bisher nicht sehr
lohnend gewesen. Die Maschona, von Natur ein fleißiges
Volk, erweisen sich als sehr nützlich bei den Arbeiten. Sur
ridge hofft, daß bald ein großer christlicher Staat in Mate-
bele- und Maschonaland sich bilden werde.
— Die größten Tiefen im Mittelmeere find nach
einer von einer Karte begleiteten Mitteilung G. Coras im
Kosmos 1891 vom italienischen Dampfer Washington im
Ionischen Meere gelotet worden. Zwischen 35° 39' und
36° 56' nördl. Breite unter 18° 18' bis 18° 38' östl. Länge
findet sich hier eine Tiefenzone von durchschnittlich 4000 in
Tiefe. Der tiefste Punkt befindet sich unter 35° 52' 25"
nördl. Breite und 18° 18' 30" östl. Länge mit 4067 in.
Der Boden ist äußerst schlammig. Cora schlägt für dieses
Gebiet nach dem Leiter der Sondierungen, dem Kontreadmiral
Magnaghi, den Namen „Abisso Magnaghi" vor. Eine Er
forschung dieser Einsenkung mit dem Schleppnetz wäre von
der allergrößten Wichtigkeit, da sie durch die flacheren Teile
des Mittelmeeres und die Schnelle von Gibraltar von dem
Tiefwasser des Ozeans getrennt, jedenfalls eine ganz eigen
tümliche Fauna hat und vielleicht noch manche Relikten aus
der Tertiärzeit beherbergt.
— War der vorgeschichtliche Mensch linkshändig?
Diese Frage hat Gabriel de Mortillet in der Pariser
anthropologischen Gesellschaft am 3. Juni zu beantworten
gesucht. Er stützt sich dabei auf die vorgeschichtlichen Schaber
und Geräte in den Sammlungen, die er unter dem erwähnten
Fragepunkte untersuchte und an denen er unter 354 unter
suchten Stücken nachzuweisen sucht, daß 197 für den Gebrauch
der linken und nur 105 für den Gebrauch der rechten Hand
eingerichtet waren, während bei 52 sich eine Entscheidung
über die Frage nicht treffen ließ. Danach schließt er, daß
in vorgeschichtlicher Zeit mehr die linke als die rechte Hand
benutzende Menschen lebten. Übrigens warnt Mortillet selbst
vor zu hastiger Verallgemeinerung seiner Beantwortung der
Frage und fordert zu weiterer Prüfung ans. Würde sich
seine Lösung bestätigen, so wäre dann weiter zu forschen, wie
aus den linkshändigen rechtshändige Menschen wurden.