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Full Text: Globus, 59/60.1891

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Dr. M. Weigel: Das Gräberfeld von Reichenhall in Bayern. 
sehr bald, mit Hinzuziehung mancher ans alter Zeit übrig 
gebliebener nationaler Elemente so eigenartig entwickelte, 
daß bald kaum mehr noch etwas von römischen Einflüssen 
zu erkennen ist. 
Auch von der Kultur der Franken und Allemanuen, die, 
obwohl sie nur einen verhältnismäßig kleinen Teil im Westen 
unsres heutigen Vaterlandes innehatten, doch bisher immer 
als Haupt-, wenn nicht als einzige Repräsentanten dieser 
Kulturperiodc nach den Völkerwanderungen angesehen wurden, 
unterscheiden sich diese Reichenhaller Funde in mehrfacher 
Beziehung, wenn auch zum Teil nur in negativer Weise. 
Charakteristisch für Reichenhall ist das Überwiegen des 
Eisens, das häufige Vorkommen sorgfältig gearbeiteter Silber- 
und Goldtauschierungen, der zahlreichen kleinen bunten Glas 
perlen und der Klappmesser. Die kleinen einfachen Schnallen 
ohne daranhängende Riemenbeschläge sind meist bedeutend 
seiner und zierlicher als die fast immer sehr massiven bei 
den Franken und erinnern mehr au römische Formen. 
Die einheimische Reichenhaller Keramik ist eine gänzlich 
andre und vielleicht wohl etwas primitivere als diejenige am 
Rhein; kein einziger Scherben zeigt die merkwürdigen einge 
stempelten Ornamente der fränkischen Gefäße; das Material 
ist weniger fein geschlemmt und zum Teil sogar recht reich 
lich mit Kies untermischt, wie die alten Töpfe aus der vor 
römischen Zeit, was bei den fränkischen, fein profilierten Ge 
fäßen kann: vorkommen dürfte. Ausfallend ist dann die 
außerordentlich geringe Zahl von Fibeln; die drei Exemplare, 
eine römische Bügelfibel, eine mit bunten Glasstückchen und 
Goldplättchen belegte runde Scheibenfibel unb die bereits 
besprochene Fibel vom fränkischen Typus kommen bei einer 
Anzahl von 525 Gräbern gar nicht in Betracht. Auch die 
Scheibenfibel ist wohl ein allemannisches, fränkisches oder 
longobardisches Importstück, so daß bei den alten Bajuwaren 
die Schnalle zum Zusammenhalten des Mantels gewöhnlich 
vollständig die Fibel ersetzt zu haben scheint. Beachtenswert 
ist ferner unter so vielen zum Teil so reich ausgestatteten 
Kriegergräbern die geringe Zahl der Schildbuckel, nur ein 
einziger mit einem kleinen flachen Knopf auf der Mitte ist 
im gut erhaltenen Zustande, ein andrer vollständig verrostet 
und zerbrochen gesunden worden. 
Vollständig fehlen in Reichenhall, ebenso wie ganz er 
haltene Thongefäße, Glasgesäße, die am Rhein in den Gräber 
feldern dieser Zeit keineswegs zu den Seltenheiten gehören, 
und, was für ein kriegerisches Volk wie die Bajuwaren 
eigentlich am merkwürdigsten ist, eiserne Äxte, die, sowohl 
als Kriegswaffe und als auch zum praktischen Hausgebrauch 
verwandt, so sehr häufig in den verschiedensten Formen in 
den fränkischen und allemannischen Gräbern gefunden wer 
den. Die eigentümliche Form der Franziska scheint doch 
sonst nicht bloß ans die Franken beschränkt zu sein, sondern 
stitcs) bei Allemannen und Thüringern vorzukommen, und 
die flacheren breiteten Äxte mit gewöhnlich gerundeter Schneide 
haben eine außerordentlich weite Verbreitung, wir finden sie 
sowohl am Rhein wie in den Gräbern der Wikinger, in den 
Bnrgwällen der Slawen wie in den Gräbern der Preußen 
und Littauer. 
Was schließlich die Zeitsteünng dieses Gräberfeldes an 
betrifft, so setzt Herr von Ehlingensperg dasselbe, wie bereits 
mitgeteilt, in das sechste und siebente Jahrhundert nach 
Christi, vielleicht sogar noch bis in den Anfang des achten, 
und glaubt in der letzten Periode des Gräberfeldes bereits 
Spuren des Christentums erkennen zu können. Das letztere 
scheint mir etwas gewagt zu sein; es sind nirgends Kreuze 
gefunden, wie z. B. die bekannten longobardischen Gold- 
kreuze, oder wie sie von Bronze in den altlivischen Gräbern 
der ersten christlichen Zeit vorkommen, und dann dürste cs 
immerhin unwahrscheinlich sein, daß die zum Christentum 
Bekehrten ihre Toten ans demselben Felde begraben haben
	        
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