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Dr. M. Geyer: Die Altenburger Bauern.
wendischen Sprache vor Gericht verboten. Wann die Ger-
manisierung vollendet war, wissen wir nicht; jedenfalls ist
der Sieg des Deutschen ein entschiedener gewesen: slawische
Sprachreste müssen heute mit der Lupe gesucht werden l ).
Wie dicht schon in frühen Zeiten die Besiedelung im Alten
burgischen war, zeigt die Notiz des Chronisten Kourad Stolle,
daß bei der Länderteilung des Jahres 1445 „zu stadt vnd
floß Aldemborg" 400 Dörfer gehörten.
Altenburger Bauern sinde ich als Leute besondern Schlages
zuerst in Schuldramen vorgeführt, die zwischen 1660 und
1700 von den damaligen Rektoren des Altenburger Gym
nasiums verfaßt und durch Schüler der Anstalt aufgeführt
wurden. Die Bauern treten, wie ausdrücklich bezeugt wird,
in ihrer Tracht auf und reden ihren Dialekt. — Im Jahre
1703 widmete ihnen der hiesige Gymnasialprofessor Friese ein
besonderes Büchlein: „Historische Nachricht von denen merk
würdigen Ceremonien derer Altenburgischen Bauern", und
errichtete ihnen damit ein Denkmal, wie es wenig Stämme
unseres deutschen Vaterlandes aufzuweisen haben. Er be
richtet in sieben Kapiteln, wie die Bauern es „bey Hochzeiten,
Heimführung der Braut, Kindtaufen, Gesindemieten, Beerdi
gungen, Kleidung und Tracht, wie auch mit ihrer Sprache
gemeiniglich zu halten pflegen". Wertvoll ist eine Stelle der
Vorrede, aus der wir erfahren, daß große Potentaten an den
Zeremonien dieses Landvolks vielmals einen so gnädigen Ge
fallen gefunden hätten, daß sie bei Tafel sich dessen Auf
wartung bedient hätten oder ihre Kleidung, Tänze und Ge
bräuche sich gnädig gefallen lassen 1 ). — Die Nachrichten über
Altenburger Bauern fließen im Laufe des 18. Jahrhunderts
recht spärlich. Ende desselben wandte ihnen ein Maler
Kronbiegel sein Interesse zu und ließ 1793 über Kleider
trachten, Sitten und Gebräuche derselben ein Buch mit
12 illuminierten Kupfern erscheinen. Kronbiegel war kein
Eingeborner und wurde bei seinen Nachforschungen vielfach
Altenburger Bauern im Jahre 1703.
Aus F. Friese: „Historische Nachricht von denen merkwürdigen Ceremonien derer Alteuburgischen Bauern."
hintergangen. Er sagte später selbst, daß der Stoff in Eile zu
sammengerafft und das Buch sowohl bezüglich des litterarischen
als des artistischen Inhalts voller Fehler und Mängel sei.
Dennoch fand es Beifall und — was die Hauptsache ist —
guten Absatz „bis in die entferntesten Gegenden Europas".
Die häufige Nachfrage führte 1806 zu einer neuen ver
besserten Auflage; diesmal hatte er sich der Unterstützung
einiger „Volkslehrcr dieser Nation", d. h. Dorfschullehrer, zu
erfreuen. — „Die fortdauernde Aufmerksamkeit des In- und
Auslandes und besonders der Reisenden" auf die Altenburger
Bauernschaft und ihre Eigentümlichkeiten, sowie buchhändle
rische Nachfrage bewogen ein Menschenalter später den Pastor
Hempel in Stünzhain bei Altenburg, das Buch von Kron
biegel neu zu bearbeiten. Die Bearbeitung erschien 1839,
an Stelle der Kupfer sind kolorierte Lithographieen getreten,
Kronbiegels Name ist vom Titel verschwunden. Eine neue
Auflage hat das Buch nicht erlebt.
Der Ostkreis des Altenburger Landes hat 118 000 Ein
wohner, darunter 62 000 Landbewohner. Nach Seifert
(Die Landwirtschaft im Herzogtum Altcnburg, Altenb. 1886)
hat der Ostkreis 1345 Mittelbauern mit Gütern von 5 bis
20 ha, 919 Großbauern mit 20 bis 100 ha und 29 Groß
grundbesitzer mit 100 bis 400 ha Grundbesitz. Über Klein
bauern (2 bis 5 ha) und Parzellenbesitzer (unter 2 ha) fehlen
mir die Angaben, aber mit Einschluß derselben und mit
Ausschluß der Großgrundbesitzer beträgt die Durchschnitts
größe eines bäuerlichen Gutes 24 ha. Bedenkt man, daß
ein Hektar guter Boden im Altenburgischen mit 2500 bis
Z Prof. Weise in Eisenberg zählt sie in seiner schöne,
Programmabhandlung (1883) über die slaw. Ansiedlungen in
Herzogtume Altenburg auf (S. 13 f.).
Z Von dem seltenen Buche Frieses (ich kenne nur 2 Exem
plare) habe ich 1887 einen Neudruck besorgt (Verlag von
R. Bauer, Schmölln. Preis 1 Mk.), .