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Dr. M. Geyer:
Die Altenburger Bauern.
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6000 Mk. bezahlt wird oder 90 bis 240 Mk. Pacht trägt 1 ),
so bekommt man ein Bild von dem durchschnittlichen Kapital-
werte eines altenburgischen Gutes. Verkäufe kommen übri
gens äußerst selten vor. Bei Vererbungen kommt ein Gut
ungeteilt an den jüngsten Sohn. Ter Preis, zu dem dieser
es übernimmt, ist meist niedrig, und so ist die Rolle der
älteren Söhne und der Töchter, die durch Kapitalzahlungen
abgefunden werden, nicht immer beneidenswert. Die das
Gut nicht erbenden Söhne lassen entweder ihr Geld auf dem
Gute stehen und arbeiten unter dem Rcgimcute des Bruders
weiter, oder sehen zu, daß sie ein anderes Gut kaufen, pachten
oder erheiraten. Die geschilderte Art der Vererbung hat
bisher 2) den Altenburger Bauernstand leistungsfähig und
lebenskräftig erhalten. Selbstredend hat auch die Intelligenz
der Bauern dazu das Ihre
gethan. Ich führe nur
an, daß die Altenburger
Bauern längst die künst
liche Düngung allgemein
eingeführt haben, und daß
sie in Altenburg ihre eigene
Getreidebörse haben. Wer
sehen will, auf wie hoher
Stufe Ackerbau und Vieh
zucht bei ihnen stehen, mag
in dem erwähnten Buche
von Seifert nachlesen.
Die Wohnungen wer
den heutzutage massiv ge
baut. Die alten Bohlcn-
stuben bieten mit ihrem
nach der Straße gerichteten
Giebel, dessen Holzwerk
dunkelbraun, dessen Felder
weiß gestrichen sind, einen
freundlichen Anblick. Bei
alten wie neuen Bauten
ist vor dem Wohnhause
nach der Straße zu ein
Ziergarten (Klenzegarten)
angelegt, der musterhaft
sauber gehalten wird; unter
den Fenstern des Wohn
hauses hin bis zur Haus
thüre streckt sich die Heiste,
ein mit Steinplatten be
legter Gang, und jedes
Gut hat seinen Backofen.
Ich wüßte nicht, was das
Äußere sonst Bemerkens
wertes böte. Treuer hält
sich die alte Art im Inneren der Bauerstubcn. Neben der
Thüre hängt die Ouühle (mhd. twehele, französ. touaille),
das ist das Paradchandtuch, unter dem das Gebrauchs
handtuch sich birgt; daneben steht das hölzerne Handfaß, das
die Stelle des Waschbeckens vertritt. Am Ofen darf die
Ofenbank nicht fehlen; in Mannshöhe sind Stangen um
den Ofen gezogen, an denen nasse Kleider u. dgl. getrocknet
werden. Der Raum zwischen Ofen und Wand heißt Hölle.
In der Nähe des wärmenden Ofens steht der lederbezogene
Großvatcrstuhl. Überall findet man den Seiger (Standuhr)
1) In der Nähe der Stadt Altenburg werden bei Parzcllen-
verkauf 7500 Mk., bei Parzellenverpachtung 300 Mk. für den
Hektar erzielt.
2 ) In neuerer Zeit zeigt sich doch das Bestreben, die Erb
teile gleichmäßiger zu gestalten, wodurch stärkere Berschuldung
der Gitter unausbleiblich wird.
mit seinem stubenhohen Holzgehäuse, dem Behälter für Stöcke
und Schirme. Der Tisch ist von Holzbüuken umgeben; in
seiner Nähe ist das Schlüsselbrett an der Wand befestigt, das
die blankgeschencrten Teller aus Ahornholz trägt. Beim
Ofen steht die Käsebauk. An der Holzwand der alten Bohlen
stuben sind Lederriemen angenagelt, hinter welche Messer und
Gabeln gesteckt werden. Die Spalten des deckentragenden
Balkens dienen als Aufbewahrungsort für Gevattcrbriefe,
Forderzettel und ähnliche kostbare Papiere. Den Wandschmuck
bilden die auf kleine Glasplatten gemalten Vornamen der
Familienmitglieder.
Gesinde und Herrschaft essen in derselben Stnbe, wenn
auch nicht an demselben Tische. Man betet mittags laut
ein gemeinsames, nicht eben kurzes Tischgebet; auch Ab- und
Zugehende sprechen, so
lange sie in der Stube
sind, ein Bruchstück mit.
Eine Stelle des Dank
gebetes klingt mir noch in
den Ohren:
Wir danken Gott für seine
Gaben,
Die wir von ihm empfangen
haben;
Wir bitten unsern lieben
Herrn,
Er woll' uns hinfort mehr
beschern.
Gesindemärkte, die wäh
rend der Zwölfnächte in
Altenburg und Schmölln
abgehalten werden, sind
schon von Friese erwähnt.
In den letzten Jahren hat
sich Mangel an Dienst
boten fühlbar gemacht, da
her sind vielfach bayerische
und schlesische Leute ein
gestellt worden; freilich
haben diese bei weitem
nicht die Leistungsfähigkeit
von Altenburgern.
Wieviel von den Land
bewohnern die alte Tracht
bewahrt haben, vermag
ich nicht anzugeben, das
könnte nur eine Zählung
von Ort zu Ort fest
stellen. Bei dieser müßte
auf die große Zahl derer
besonders acht gegeben
werden, die in einem Übcr-
gaugszustande sich befinden und teils „bürgersch", teils „bauersch
gehen". Man kann im allgemeinen sagen, daß, je weiter
ein Dorf von Städten und Eisenbahnen entfernt liegt, desto
treuer es an der von den Vätern vererbten Tracht fest
hält, sodann daß die Frauen zäher an ihr halten, als die
Männer. Letzteres hat einen inneren und einen äußeren
Grund: 1. hängen auch Hierlands Frauen mit viel treuerem
Gemüt am Althergebrachten, als Männer (Schwankungen der
Mode natürlich ausgeschlossen); 2. ist die Kleidung praktisch
für Haus- und Feldwirtschaft. In vielen Familien hat sich
der Mann „umgekleidet", die Frau nicht. Unter dem heran
wachsenden Geschlecht schwindet die Tracht mehr und mehr.
Das Bauernreiten, das vor zwei Jahren bei Anwesenheit
des Kaisers Wilhelm II. in Altenburg stattfand, ein glänzen
der Aufzug von Altenburgern in Nationaltracht zu Roß und
Wagen, darf nicht irre machen: diese großartige Schaustellung
Altenburger Bäuerinnen im 18. Jahrhundert.
Nach L. I. Kronbicgel: „Sitten u. s. w. der Altcnb. Bauern". Taf. V.