Die Lötzsauna tu der heutigen Wolga steppe.
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Viktoria - Nyansa durch Speke (30. Juli 1858). Letzteren
See, den Speke bei Muansa erreicht hatte, weiter zu er
forschen und seinen möglichen Zusammenhang mit dem Nil
festzustellen, zog die neue Expedition aus. Am 25. Sep
tember 1860 erfolgte die Abreise von Sansibar, durch Iln-
janjembe (wo heute im deutschen Ostafrika der große Kara
wanenplatz Tabora liegt) und von da nach dem Reiche
Karagws im Westen des Viktoria Nyansa. Hier schloß
man Freundschaft mit dem Könige Nnmanika, den Grant
vortrefflich schildert, und gelangte dann (Januar 1862) nach
dem noch nie von Weißen betretenen, jetzt so oft genannten
Reiche Uganda, über welches damals der Tyrann Mtesa
gebot. Im Juli desselben Jahres standen die Reisenden
an ihrem Hauptziele: sie sahen den Nil nach Norden ab
fließen ans dem Viktoria-Nyansa. Sic folgten nun dem
Laufe des Flusses und zogen im Februar 1863 in Gondo-
kow ein, wo zu ihrer Überraschung auch Samuel Baker
eintraf, den man, über Spckes und Grants langes Aus
bleiben beunruhigt, ihnen entgegengeschickt hatte.
Groß waren die Ehren, mit denen beide Reisende bei
ihrer Heimkehr überschüttet wurden für die gelungene That.
Grant erhielt die goldene Medaille von der geographischen
Gesellschaft und als er vom alten Lord Palmcrston empfangen
wurde, redete ihn dieser mit den Worten an: „Eie haben
einen langen Spaziergang (a long walk) durch Afrika ge
macht." Die trockenen Worte des alten Ministers wählte
der bescheidene Grant zum Titel seines ReisewerkeS: A walk
across Africa (London n. Edinburg, Blackwood, 1864).
Dieses Werk ist von den beiden, die über ihre große
Expedition erschienen, bei weitem das bedeutendere, weit
besser geschrieben, geographisch und ethnographisch inhalt
reicher als dasjenige Spekes. Unzweifelhaft war Grant
der tüchtigere von den beiden Entdeckern, wiewohl sein
"Name weniger genannt wird als jener Spekes, der der
Führer der Expedition war. Besonders auch ist ihm die
Botanik zu Tank verpflichtet; die botanischen Ergebnisse
der Reise veröffentlichte er in den Transactions of tlie
Linnean Society.
In der Afrikaforschung, der er noch immer sein Interesse
zuwandte, ist Grant jedoch nicht mehr genannt worden. Im
Jahre 1868 diente er in Lord Napiers Armee im abessini-
schen Kriege, er heiratete dann und zog sich auf sein Gut
Househill bei Nairn zurück, wo er auch gestorben ist.
R. Andrer.
Die Löstfauna in der heutigen Wolgastcppc.
Mehr und mehr bat sich herausgestellt, daß man mit
dem Begriffe „Steppe" bei uns zum Teil ganz irrige Vor
stellungen verbunden hat. Eine Steppe schlechthin, wie sie
das von unsern Gelehrten immer noch vielfach benutzte
Kohlsche Reisewerk schildert, giebt cs wahrscheinlich gar nicht,
sicherlich nicht in den russischen Steppengebieten, die durchaus
nicht völlig einförmige, von einer gleichartigen Vegetation be
deckte, jeglichen Baumwuchscs entbehrende Ebenen darstellen.
Den Bemühungen unsres unermüdlichen Nchring ist es
wesentlich zu danken, daß da mancherlei Vorurteile beseitigt
wurden. Nachdem er uns erst kürzlich in seinen „Tundren
und Steppen" mit der Eigenart der nordöstlichen Steppen
gebiete hauptsächlich auch in faunistischer Hinsicht bekannt
gemacht hat. vermittelt er uns heute die Kenntnis der süd-
russischen Steppe aus einem überaus wichtigen russischen
Werke, das, obwohl seit 1871 erschienen, in der westeuropäi
schen Litteratur kaum bekannt geworden und doch jetzt die
wichtigste, ja fast einzige wissenschaftliche Quelle unsrer
Kenntnis dieser Gebiete mit ihrem Tierleben bilden dürfte.
Das Werk betitelt sich: Die Vögel und Säugetiere des
Schwarzerdegebietes der Wolgagegenden und des
Thales der mittleren und unteren Wolga von Mo
dest Bogdanow, Kasan 1871. (In russischer Sprache.)
Diese Gegenden, wo Wald und Steppe vielfach combiniert
auftreten, können geradezu als Steppe bezeichnet werden.
Bogdanow stellte eine gewisse regionale Gliederung derselben
fest. Im Norden und Nordwesten grenzt an das Tschernoscm-
gebiet ziemlich scharf absetzend die Region der Fichte, ganz
dem echten Erraticum angehörig. Tschernosem fehlt inner
halb dieses Gebietes vollständig. Daran schließt sich der
Strich der ehemaligen Eichen- und Lindenwälder auf sand-
nnd lehmhaltigem Tschernosem, welcher, gegen das eigentliche
Schwarzerdegebiet nur verschwommen sich abgrenzend, den
Übergang zu diesem bildet. Die schwarzerdigen Stipasteppen
(charakterisiert durch die Pfriemengräser: Stipa capillata
und pennata) sind im Gouvernement Kasan und Simbirsk
typisch entwickelt, auch in das Gouvernement Saratow über
gehend, wo sich schon oberhalb der Stadt Saratow auf den
niederen Partiten der Gehänge Stipasteppen mit lehmigem
Boden finden. Im Zentrum der schwarzerdigen Steppen,
etwa unter 53°, trifft man in hochgelegenen Bezirken auf
eintönige Kiefernwälder mit sandigem Boden und in den
dschcgulewskischen Bergen Striche mit echtem Waldcharakter,
das Gleiche auch in den oberen Partiten der Hügelreihen im
Gouvernement Saratow. Die Steppe selbst variiert, je nach
dem die Tschernosemschicht dick und zähe, jedoch itidjt' über
1,8 m mächtig oder weniger mächtig ist. Der letztere Um
stand scheint zusammen mit einer gewissen Untergrunds
beschaffenheit der Waldcntwickelung förderlich zu sein. Im
mächtigeren Tschernosem ist der Waldtvuchs dagegen spärlich.
An der Südgrenze des Tschcrnosemgcbietes zieht sich dieser
auf die oberen Teile der Hügelreihen zurück, die unteren
Partieen sind lehmig und mit Artemisia bewachsen; auf den
Überschwemmungsstächen der Flüsse endlich findet man hier
und da Salzstellen mit Salzpflanzen, z. B. im Thäte der
Wolga, an der Jlowla re. Weiter nach Süden verschwindet
der Tschernosem auch auf den Höhenrücken und die Stipa-
Lehmstcppe hat die Herrschaft. Im allgemeinen bildet der
49. Breitengrad die Südgrcnze des Tschernosemgebietes. Das
Auffälligste an dieser Verteilung ist, daß, von den Flußthälern
abgesehen, welchen der Banmwuchs weit nach Süden folgt,
gerade die höchsten Teile des Landes bewaldet sind, während
die Hauptverbreitung der schwarzerdigen Stipasteppe wesent
lich an das Niveau zwischen 200 bis 250 m gebunden ist,
aber unter 200 m lokal in die Lehmsteppe übergeht.
Was seine Entstehung anbetrifft, so hält man den Tscher
nosem gemeinhin für pctrographisch einheitliches Gebilde und
vergleicht ihn, von dem Humusgehalt abgesehen, nach Structur
und Zusammensetzung mit Löß (v. Richthofen, Führer für
Forschungsreisende, S. 483). Nach Bagdanow ist der
Tschernosem dagegen in erster Linie als eine eluviale Bildung,
ein lehmiges Verwitterungsprodukt des Untergrundes zu be
trachten, welches demgemäß mit der Zusammensetzung dieses
wechselt, auf einem Untergründe von Kreideschichten mager
und dünn, auf jurassischen Thonen fett und plastisch ist, und
hier zugleich seine größte Mächtigkeit, nämlich eine solche
von 1,8 m erreicht. — Angaben über größere Mächtigkeiten
des Tschernosems beruhen auf Irrtum. Der echte Tscher
nosem geht nie unter eine Höhe von 170 m über Meer
herab, auf keinen Fall darf bei seiner Ablagerung
an die Mitwirkung fließenden Wassers gedacht
werden, sein Humusgehalt, welcher gegenwärtig noch in
Bildung und Vermehrung begriffen ist, ist das Verwesungs
produkt der Pflanzendecke an seiner Oberfläche.
Faunistisch gliedert sich das ganze Tschernosemgcbiet
wesentlich in zwei Teile, einen nördlichen und einen südlichen.
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