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Harry Schewe
sie gerade finden konnte, erhalten haben. Hierbei kommen wieder einige . . .“ Die
Frage ist: hat sich irgendwo der Begleitbrief dieser unbestätigten Sendung erhalten?
Gleich in seiner ersten Tagebuchaufzeichnung über Bettina vom 5.x. 44 11 hat
Rudolf Baier, der in ihrem Auftrag die beiden ersten Bände der vierbändigen Neu
ausgabe des Wunderhorns betreute, sich über das ihm nach Hause mitgegebene hs.
Wunderhornmaterial geäußert. Er hat „herrliche Sachen“ gefunden, „auch Briefe an
Arnim und Brentano mit Zusendungen von Volksliedern.“ „Von allen Manuscripten
zeichnen sich die von der Hand Grimms (welches ? 12 ) am meisten aus durch Innigkeit
und Gedankenfülle.“ „Grimm macht in mehreren Briefen auf die Wichtigkeit einer
Untersuchung der Volkslieder aufmerksam und nennt zu dem Behufe die Varianten
bemerkenswert!!.“ Kurz, außer dem undatierten Brief, den wir durch Bode kennen,
befindet sich auch der jetzt gesuchte Begleitbrief, leider nur in Abschrift, in dem Greifs-
walder Teil des Baier-Nachlasses. Gassen druckt (a. a. O. S. 84) einen Passus daraus
ab, der volle Wortlaut ist m. W. noch nicht veröffentlicht, auch nicht durch Wilh.
Schoof in den „Unbekannten Briefen der Brüder Grimm“ (Bonn i960). Jacob
Grimm (offenbar nicht Wilhelm) schreibt:
Caßel am 2 ten September 1806.
Nach Ihrem gütigen Verlangen schicke ich Ihnen hierbei alles, was ich habe finden
können, aber mehr, um meinen guten Willen zu bezeigen, als daß ich wirklich etwas
bedeutendes, Ihnen Werthes schickte. Denn das meiste werden Sie schon haben,
oder anders woher besser erhalten. Ich glaube überhaupt, daß in diesem biertrinken
den, u. vielleicht in ganz Norddeutschland viel weniger von Volksliedern steckt,
als in dem südlichen Theil, u. ich hoffe Sie werden von Ihren dortigen Sammlern
recht viel bekommen, wenn diese anders eine solche Neigung als ich für Ihr Vorhaben
gefaßt haben, woran nicht gezweifelt werden darf. Meine besten Quellen haben mir
nur das wieder gebracht, was Sie bereits kennen, und selbst manches von dem, was
ich Ihnen dennoch sende, sind nur mehr oder minder abweichende Variationen be
kannter Lieder, und insofern Ihrer Sammlung unnütz, ob schon in anderer Hinsicht
wenn man will zu einer Abhandlung über Volkslieder interessant. Welches ich Ihnen
alles aber nicht zu sagen brauche.
Den Draud [s. o.] u. einige andere literärische Bücher habe ich fleißig excerpirt,
und sowohl auf der Bibliothek Liederbücher gefodert, als mich anderer Orte danach
umgethan, aber gar nichts bisher erhalten können.
Sagen Sie mir aber doch, wie lange es noch Zeit hat, Ihnen das, was ich in Zukunft
auftreiben werde, schicken zu können. — Ich wünschte sehr zuweilen bei Ihnen
zu seyn, um Ihre schönen Sammlungen in solchen u. anderen Sachen recht zu ge
nießen, u. Ihre Meinung über vieles zu hören. Mein Bruder ist in diesem Stück völlig
gleichgesinnt, u. empfiehlt sich mit mir dem guten Andenken Ihrer Frau sowohl,
welche sich sonst in Marburg so gütig gegen uns bezeigt hat, als dem Ihren ergebenst
Grim
11 Bettina von Arnim und Rudolf Baier. Unveröffentlichte Briefe und Tagebuchauf
zeichnungen hg. von Kurt Gassen. Greifswald 1937, S. 18.
12 Er war also unsicher in der Bestimmung der Handschrift.