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Full Text: Zeitschrift für Volkskunde, 88.1992

Berichte 
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sollte der natürliche, vollkommene Körper aus der Unterwerfung unter allerhand 
asketische Regeln und schmerzendes technisches Gerät hervortreten. Gudrun 
Silberzabn-Jandt schließlich lieferte eine in die Geschichte hineinleuchtende Ana 
tomie der Wascharbeit. In einer geradezu unerbittlichen Offenlegungsdiktion er 
läuterte die Referentin, womit die Augen, die Nase und die Hände der waschenden 
Hausfrau im einzelnen konfrontiert sind Dieser Tagungsnachmittag, der von Sabi 
ne Künsting geleitet wurde, bleibt außer durch die Referate aufgrund des unge- 
spreitzten, konstruktiven und kollegialen Gesprächsklimas in guter Erinnerung. 
Gegen Abend ging es dann vom Haupttagungsort, der Südwestfälischen Han 
delskammer zu Hagen, hinüber in die Ricarda-Huch-Schule, zu Hermann Bausin 
gers Schlußvortrag. Darin stellte er eine üppig mit Beispielen gespickte Kosten- 
Nutzen-Analyse des Fortschritts auf. Eisenbahn, Nähmaschine, Telefon, Haus 
haltsgerät und anderes mehr kamen auf den Prüfstand: Was haben sie uns gebracht, 
und was haben sie uns genommen? Welcher kultureller Techniken und welcher 
Lernprozesse bedarf es an den Schnittstellen zwischen Mensch und Maschine, um 
gleichermaßen das Überleben und das Glück zu ermöglichen? Der kühle Kopf 
und der unabhängige, die Systemwirkungen analysierende Verstand seien hier ge 
fragt, nicht der Götzendienst der Technik und auch nicht die Teufelsaustreibung 
des Fortschritts. Zu denken sei etwa an einen auf solche Kosten-Nutzen-Analysen 
spezialisierten „Fortschritts-TÜV“. 
In Hermann Bausingers Vortrag fanden sich noch einmal die verschiedenen 
Aspekte versammelt, die in den vorangegangenen Tagen im einzelnen erörtert wor 
den waren. Die historische Dimension des industrialisierten Menschen wurde 
ebenso behandelt wie die Problemlagen der Gegenwart; theoretische Überlegun 
gen wurden mit praktischen Lösungsvorschlägen verknüpft und der technisierte 
Alltag des einzelnen wurde mit dem Strukturwandel der industriellen Gesellschaft 
zusammengeschaut; die Wahrnehmungs- und Verhaltensänderungen, die physi 
schen und die psychischen Modellierungen, die sichtbaren Verheißungen und ihre 
oft unsichtbaren, dafür aber um so wirkmächtigeren Folgen: all dies kam zur Spra 
che und eng damit verbunden auch die Gewalt, deren kulturwissenschaftliche 
Analyse so notwendig ist. 
So endete der Kongreß mit einer handwerklich meisterhaften Darbietung ideen 
reicher, unterhaltsamer und zugleich ganz ernster Volkskunde. Das hinterließ Op 
timismus. Nach Abschluß der Hagener Tage trug das Phantombild des industriali 
sierten Menschen wie auch das der volkskundlichen Sprech- und Denkweisen zu 
nehmend deutliche, wenngleich durchaus gespannte Züge. Ihre Rekonstruktion, ja 
selbst die bloße Chronik ihres Sichtbarwerdens bleibt hier unvollständig, wo der 
Bericht über all jene Referate fehlt, die in den parallel stattfindenden Sektionen 
gehalten wurden. Ein Blick auf das Programm zeigt, daß vor allem die Themen 
Arbeit, Museum und Erzählen eine eingehendere Behandlung erfuhren. 
Göttingen Andreas Hartmann
	        
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