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Full Text: Zeitschrift für Volkskunde, 88.1992

Buchbesprechungen 
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sind in der Tat diese „marginal men (und women)“ im Wissenschaftsbetrieb — gerade auch 
der Anthropologie —, welche die Disziplinen gestalten und nicht nur verwalten. Ihre De- 
konstruktion von Begriffen und Erklärungsmustern trägt dazu bei, der gemütlichen Ver- 
spießbürgerung der Stadt und der globalen Vervorstädterung mit der Universität einen Ort 
des Zweifelns entgegenzusetzen. Dies, Lindners Arbeit macht es deutlich, müßte die perma 
nente Entdeckung der Stadtkultur nicht nur in Chicago begleiten. 
Frankfurt Heinz Schilling 
DIETER KRAMER, Theorien zur historischen Arbeiterkultur. Marburg: Verlag Arbeiterbe 
wegung und Gesellschaftswissenschaft, 1987. 398 S. (Schriftenreihe der Studiengesellschaft 
für Sozialgeschichte u. Arbeiterbewegung, Bd. 57). 
Dieter Kramer, einer der Protagonisten volkskundlich-kulturwissenschaftlicher Arbeiter 
kulturforschung der letzten zwanzig Jahre, hat 1987, sozusagen als Summe seiner langjähri 
gen Auseinandersetzung mit dem Thema, diese umfangreiche Arbeit vorgelegt (die von 
Wolf gang Jacoheit in einer eingehenden Würdigung einem „Lehrbuch“ gleichgestellt wur 
de). Der verstorbene Wiener Volkskundler Helmut P. Fielhauer ermutigte den Autor nicht 
nur zur Abfassung (die neben andersgearteten beruflichen Verpflichtungen erfolgen mußte), 
sondern hat auch noch die Vorlage und Annahme als Habilitationsschrift an der Geisteswis 
senschaftlichen Fakultät der Universität Wien in die Wege leiten können (an welcher Kra 
mer seither als Dozent für Europäische Volkskunde lehrt). 
Das Buch, ausgestattet mit einem nützlichen Personen- und Sachregister und mit einem 
über vierzigseitigen Verzeichnis zitierter Literatur auch einen ausgezeichneten bibliographi 
schen Überblick bietend, ist einer Reise vergleichbar — einer Reise „durch die Theorie der 
Arbeiterkultur“, „durch die Vielzahl von möglichen theoretischen Zugängen“, „durch die 
verschiedenen Ansätze zum Begreifen von Arbeiterkultur“. Diese Reise, in den neun klar 
und überlegt gegliederten Kapiteln des Buches nachvollziehbar und zum Schluß von Kra 
mer nochmals zusammengefaßt, bezieht sich primär (aber keineswegs nur) auf die deutsch 
sprachige Forschung, erfolgt weitgehend chronologisch, historisch („Thema ist somit nicht 
die Theorie zur Kultur und Lebensweise der Lohnabhängigen in der Gegenwart“) und kul 
turwissenschaftlich (geht also von einem ethnologisch-kulturanthropologischen Kulturbe 
griff aus, der Kultur als normsetzendes System der Lebenstätigkeit, als deren organisieren 
den und strukturierenden Aspekt begreift; kulturwissenschaftlich ist die Reise, d. h. das 
Buch auch, weil im Vordergrund die Frage steht, wie die eigentlichen Kulturwissenschaften 
— Volkskunde/Europäische Ethnologie/Kulturanthropologie/Kulturgeschichte — und die 
einschlägig interessierten historischen Teildisziplinen, voran die Sozialgeschichte, sich mit 
der neuen sozialen Klasse auseinandergesetzt haben). Arbeiterkultur ist in diesem Werk hi 
storischer Gegenstand; ihre Auflösung setzt Kramer 1933/34 mit der Machtergreifung von 
Nationalsozialismus und Austrofaschismus — also der Zerschlagung der Organisationen 
der Arbeiterbewegung — an, nicht ohne zu erkennen, daß sich nach 1945 neue Formen ent 
wickelt haben, andere Formen, die einen geänderten Begriff von Arbeiterkultur zur Folge 
haben müßten.
	        
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