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Full Text: Zeitschrift für Volkskunde, 88.1992

Buchbesprechungen 
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risierungsfaktor. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der linguistischen Darstellung dieser Son 
dersprache; ein Wörterverzeichnis ist beigefügt. Eine zum erheblichen Teil aus Hessen 
stammende, deutschsprachige Gruppe im heutigen Ungarn analysiert Zsigmond Csoma in 
seinem Beitrag über das Fest des „Emmausgehens“, eines volksreligiösen Brauchs am Oster 
montag. Den Umgang mit Zigeunern in der Grafschaft Solms im 18. Jahrhundert und die 
verschiedenen Phasen der Zigeunerpolitik dokumentieren Reimer Gronemeyer und Georgia 
A. Rakelmann anhand einer Auswertung von Quellen aus hessischen Archiven. Dabei 
reicht die offizielle Politik von der Ansiedlung anpassungsbereiter bis zur Vertreibung 
durchziehender fremder Zigeuner. 
Im Gegensatz zu dem genannten Band konzentriert sich das von Andreas Kuntz und Bea 
trix Pfleiderer herausgegebene Sammelwerk fast ausschließlich auf das 20. Jahrhundert, wei 
tet dafür aber den Untersuchungsbereich teilweise auf andere Länder aus: In einer Mikrostu 
die belegt Michael Knieriem am Beispiel der aufkommenden Textilindustrie des Wuppertales 
den Zusammenhang von Protoindustrialisierung und Migration. Peter Höher analysiert die 
besondere Problematik der Fremdheit am Beispiel Sauerländischer Wanderhändler, deren 
dreifache Fremdheit das Entstehen einer spezifischen Kultur geprägt hat: Sie gelten in ihrem 
Herkunftsort wegen ihrer langen Abwesenheit als Fremde, sind in den Wandergebieten be 
argwöhnte Eindringlinge und begegnen sich schließlich untereinander als Fremde, da sie als 
Konkurrenten auftreten. Die scheinbar exotische Schwarzwaldhaus-Architektur in einem 
Hamburger Vorort ist Ausgangspunkt der Betrachtungen von Michael Holtmann. Er legt 
dar, warum das Schwarzwaldhaus für die 1935 aus dem Schwarzwald in Rüstungsunterneh 
men dienstverpflichteten Arbeitsmigranten gerade nicht die beabsichtigte Wirkung eines 
Heimatsymbols erzielte, sondern zu gesteigerter Ablehnung durch ihre Umwelt führte. Dar 
auf aufbauend stellt in einer Befragung von ehemaligen Mitarbeitern der Schwarzwälder, in 
Hamburg gebliebenen bzw. in den Schwarzwald zurückgekehrten Schwaben Andreas Kuntz 
stereotype gegenseitige Vorwurfshaltungen von Norddeutschen versus Süddeutschen her 
aus. Die ökonomisch bedingte Zuwanderung ostpreußischer Fischer nach Büsum, ihre Inte 
gration bzw. kulturelle Eigenständigkeit untersucht Jörgen Bracker anhand von Archivaus 
wertungen und Gesprächen. Waltraut Kokot berichtet über ethnische Gruppen in Thessalo 
niki und thematisiert dabei die Schwierigkeiten ethnologischer Feldforschung in Großstäd 
ten. Ebenfalls in der Mittelmeerregion arbeitet Thomas Hauschild das Fremde im Span 
nungsverhältnis von Magie, Medizin und katholischem Heiligenkult in Süditalien heraus. 
Erika Dettmar beschreibt die gegenseitige Wahrnehmung von Afrikanern und Ansässigen in 
Hamburg. Max Matter berichtet über die Re-Migration türkischer Gastarbeiter in ihre Hei 
mat und deren Probleme bei einer Eingliederung in das dortige gesellschaftliche System. Be 
atrix Pfleiderer schließlich skizziert Fremdheit als strukturbedingtes Phänomen im weibli 
chen Lebenszyklus in Nordindien. 
Insgesamt belegen beide Titel die ganze Breite gegenwärtiger Forschungsansätze und 
-methoden. Deutlich wird auch, daß der Diskurs der Volkskunde und der Völkerkunde auf 
einander zugeht. Vor allem der erstgenannte Band bietet durch seine Konzentration auf Hes 
sen eine weitgehende inhaltliche Geschlossenheit, die der zweite Band vermissen läßt. Lei 
der umfassen zudem beide Werke eine Reihe von Beiträgen, die die inhaltliche Konzeption 
der Bände auf das Problem der Fremdheit sprengen und auf die hier nicht eingegangen wor 
den ist. 
Bochum Alwin Müller-Jerina
	        
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