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Full Text: Zeitschrift für Volkskunde, 88.1992

Buchbesprechungen 
145 
Karl Ditt, Raum und Volkstum, Die Kulturpolitik des Provinzialverbandes Nordrhein- 
Westfalen 1923-1945. Münster: Aschendorffsche Verlagsbuchhandlung, 1988. 455 S. (Ver 
öffentlichungen des Provinzialinstituts für Westfälische Landes- und Volksforschung des 
Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe, Bd. 26). 
Die von Karl Ditt vorgelegte Studie ist eine Auseinandersetzung und kritische Reflexion 
über die Kulturpolitik in der Provinz Westfalen während der Weimarer Republik und der 
Zeit des Nationalsozialismus. Der Autor formuliert sein erkenntnisleitendes Interesse wie 
folgt: „Die Untersuchung kulturpolitischer Konzeptionen und Maßnahmen ist gerade für 
die Weimarer Republik und das Dritte Reich ein lohnendes Thema, vollzog sich doch in die 
sem Bereich ein Wandel von einem staatlich garantierten Pluralismus kultureller Aktivitä 
ten zu einer weitgehenden Indoktrinierung der Bevölkerung. Diese Indoktrinierung war of 
fenbar so effektiv, daß das Dritte Reich nicht von innen, sondern von außen gestürzt wurde. 
Die Herkunft und Vermittlung der Grundwerte dieser Kulturpolitik und ihr Wandel zwi 
schen der Weimarer Republik und dem Dritten Reich sollen am Beispiel einer regionalen 
Selbstverwaltungsorganisation, des Provinzialverbandes Westfalen, untersucht werden“ 
(S. 14f.). Die so formulierte Aufgabe hat der Autor — dies sei bereits hier vorweggenommen 
— in beeindruckender Weise gelöst. Die Leitfrage der Arbeit thematisiert die Entstehung 
und Veränderung der provinziellen Kulturpolitik besonders in der Zeit des Nationalsozialis 
mus; ein Forschungsfeld, das bis dahin weitgehend unbearbeitet war. Als Grundlage der Un 
tersuchung hat der Autor auf die nahezu vollständig überlieferten Akten des Provinzialver 
bandes Westfalen, seiner Kulturverwaltung, einzelner Einrichtungen und früherer Verwal 
tungsbeamter zurückgreifen können. 
In den beiden Hauptteilen stellt der Autor die Kulturpolitik in der Weimarer Republik 
der des Dritten Reiches kritisch-vergleichend gegenüber. Die Abschnitte werden jeweils mit 
Reflexionen über die jeweiligen geistesgeschichtlich-politischen Grundlagen eingeleitet, auf 
denen der Aufbau und die Durchsetzung der kulturpolitischen Zielsetzungen in der Praxis 
basieren. Anhand der wesentlichen Arbeitsbereiche der Kulturpraxis werden Inhalte, For 
men und Wirkungen der sich verändernden Politik deutlich. 
War die Grundlage der Kulturpolitik des Provinzialverbandes Westfalen in den 20er Jah 
ren weitgehend neoromantischen Denkvorstellungen verhaftet und beschränkte sich folge 
richtig auf die Pflege der regionalen kulturellen Überlieferungen, so sah man vorrangig ge 
nuine Aufgabenfelder im Heimatschutz und der Volkstumspflege, der wissenschaftlichen 
Landesforschung, der Forschung der bildenden Kunst sowie der Naturkunde und des Na 
turschutzes. 
Nach 1933 wurde der Provinzialverband gleichgeschaltet und die Kulturpolitik entspre 
chend der nationalsozialistischen Ideologie neu organisiert. In dieser Zeit nahm die Kultur 
politik des Provinzialverbandes weniger die Rolle des Widerstandes als die der Anpassung 
und der Unterordnung unter die durch die Nationalsozialisten geschaffenen Bedingungen 
e m. Der Autor kommt aufgrund seiner ausgezeichneten Materialkenntnis zu dem Ergebnis, 
daß die Kulturpolitik des Provinzialverbandes letztlich sich zu einer Variante der NS- 
Kulturpolitik entwickelt hat (vgl. S. 391 f.). Der Autor arbeitet allerdings gleichfalls heraus, 
daß wissenschaftliche Standards, die seit den 20er Jahren erreicht waren, nicht aufgegeben 
Wurden. Karl Ditt qualifiziert dies tendenziell als eine partielle Abschottung der Kulturpoli 
tik des Provinzialverbandes gegenüber einer rein nationalsozialistischen Instrumentalisie- 
rung.
	        
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