Buchbesprechungen
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CHRISTINA SCHWARZ, Die Landfrauenbewegung in Deutschland. Zur Geschichte einer
Frauenorganisation unter besonderer Berücksichtigung der Jahre 1898 bis 1933. Mainz: Ge
sellschaft für Volkskunde in Rheinland-Pfalz, 1990. 430 S. m. 66 Abb. u. Anh. (Studien zur
Volkskultur in Rheinland Pfalz, Bd. 9).
Die Dissertation von Christina Schwarz „Die Landfrauenbewegung in Deutschland“
stellt den Versuch dar, „die Geschichte der ländlichen Frauenbewegung als einen Teil der ge
samten deutschen Frauenbewegung nachzuzeichnen“ (S. XV). Sie will damit eine Lücke
schließen, da die Erforschung weiblicher Organisationsformen im ländlichen Bereich bis
her kaum Berücksichtigung fand. Die über 400 Seiten starke Arbeit basiert auf einer sehr
umfangreichen Materialerhebung, bei der die Aufarbeitung der Lebenserinnerungen von Eli
sabet Boehm , der Gründerin landwirtschaftlicher Hausfrauenvereine, besonders aufschluß
reich ist. Dieser Nachlaß „ermöglicht erstmalig einen genauen Einblick in die Biographie
der Gründerin und in bislang unbekannte Diskussionen und Standortbestimmungen inner
halb des Vereinslebens während der Anfangsjahre“ (S. 5). Der zeitliche Rahmen bewegt sich
zwischen 1898, dem Gründungsjahr, und der Eingliederung der Vereine in den Reichsnähr
stand. Es ist dies der Zeitraum, in dem die Arbeit des Reichsverbandes landwirtschaftlicher
Hausfrauenvereine wesentlich von der großagrarischen weiblichen Führungsschicht Ostel
biern bestimmt war. Erst 1948, als die Nachfolgeorganisation, der Deutsche Landfrauenver
band, gegründet wurde, änderte sich dann die Klientel. Die neuen gesellschaftspolitischen
Verhältnisse erforderten sowohl eine inhaltliche Neuorientierung als auch eine Umbenne-
nung des Vereins. Bei Vereinsgründung 1898 in Rastenburg war „prägendes und tragendes
Element der weiblichen Interessenvertretung auf dem Lande“, so Schwarz, „vorrangig jene
großagrarisch-protestantische, häufig adlige Führungsschicht, aus deren Kreis sich maßgeb
lich die Entscheidungsgremien des Reichsverbandes konstituierten“ (S. 322).
Es handelte sich also mitnichten um eine Bewegung von Landarbeiterinnen oder Bäue
rinnen, sondern von Großgrundbesitzerinnen, die auf die massiven wirtschaftlichen Pro
bleme auf dem Agrarsektor um die Jahrhundertwende reagierten. Ihre Ziele waren: bessere
und geeignetere Ausbildungsmöglichkeiten für Mädchen und Frauen, womit das Modell der
vom wahren Leben abgehobenen, nur Repräsentationszwecken dienenden großbürgerli
chen Frau in Frage gestellt wurde - hier machte sich sicherlich der Einfluß der bürgerli
chen Frauenbewegung bemerkbar -, ferner die Hebung von Gartenbau- und Geflügel
zuchterzeugnissen sowie die Schaffung verbesserter Absatzmöglichkeiten der Produkte und
nicht zuletzt die Anerkennung aller hauswirtschaftlichen Arbeit als Berufsarbeit.
Mit dem Beitritt in die überregionale Organisationsform der bürgerlichen Frauenverei
ne, den „Bund Deutscher Frauenvereine“, tat man sich jedoch schwer. Die Abschaffung des
Paragraphen 218, Frauenstimmrecht oder Simultanschule waren Forderungen, die den ari
stokratischen Damen als rotes Tuch erscheinen mußten. Obgleich sie parteipolitische Neu
tralität vorgaben, stellten sich namentlich die beiden Vorsitzenden, Elisabet Boehm und
Fürstin Therese Hohenlohe zu Waldenburg, einer aktiven konservativ orientierten politi
schen Propaganda zur Verfügung, die darin gipfelte, daß man sogar für die Deutschnationale
Volkspartei aufrief. Mit zunehmend stärker werdenden antisemitischen Tendenzen stand
man den neuen Machthabern so nah, daß die Eingliederung der Vereine in den Reichsnähr
stand 1934 völlig reibungslos erfolgen konnte. Die Rolle der Landfrauen im Nationalsozia
lismus spart die Autorin aus und wendet sich dann direkt der Entwicklung nach dem Zwei
ten Weltkrieg zu, was mir recht problematisch erscheint. Die Fülle des Materials, das die
Verfasserin bearbeitet hat, droht die Leser manchmal zu erdrücken, auch der rote Faden ist