Buchbesprechungen
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Fragen anhand von praxisnahen Fallbeispielen behandeln. In seinem einleitenden Kapitel
„Mündliches Erfragen von Geschichte“ geht der Herausgeber von der These aus, daß ver
schieden gelagerte Gründe dazu geführt haben, daß die „Oral History“ während der letzten
Jahre in den Brennpunkt wissenschaftstheoretischer Diskussionen gerückt ist. Der „Oral
History“ kam hierbei zumeist eine wissenschaftstheoretische und methodische Rechtferti
gungsrolle zu. Die vorliegende Publikation belegt demgegenüber eindrücklich das „Münd
liche Erfragen von Geschichte“ als eine reflektierte Methode historischen Forschens und
Arbeitens, deren theoretische Reflexion in einem ständigen Bezug zur Praxis steht. Vorlän
der thematisiert die vier Kardinalprobleme der mündlichen Geschichtsforschung: die Pro
blematik ihrer Anwendbarkeit, die Problematik der Quantifizierung von „Oral History“-
Interviews, das Problemfeld „Gedächtnis- und Erinnerungsprozeß“ sowie die Problemlage
der Auswertung von „Oral History“-Informationen. Die folgenden Fallbeispiele sind kom
primierte Reflexionen des praktischen Umgangs mit der Methode. Karen Hagemann thema
tisiert anhand praktischer Beispiele „Oral History und historische Frauenforschung“, Peter
Knoch behandelt das Verhältnis zwischen Schreiben und Erzählen, Waltraud Holl „Ge
schichtsbewußtsein und Oral History“, Herwart Vorländer das „Oral History-Projekt Ge
samtdeutsche Volkspartei“, Margot L. Philipp stellt eine „Musikethnologische Feldfor
schung“ vor, Barry A. Lanman und Donald A. Ritchie analysieren „Trends der Oral History
in den Vereinigten Staaten“ und Frieder Stöckle bietet einen anschaulichen Einstieg „Zum
praktischen Umgang mit Oral History“. Die Einzelaufsätze sind kritische Reflexionen von
durchgeführten und ausgewerteten „Oral History “-Projekterfahrungen. Der besondere
Wert der Publikation liegt in seiner hilfreichen Anleitung zum praktischen Umgang mit der
„Oral History“ (vgl. S. 131 ff.).
Minden Volker Rodekamp
HANS-JÖRG UTHER (Hrsg.), Märchen in unserer Zeit. Zu den Erscheinungsformen eines
populären Erzählgenres. München: Diederichs, 1990. 192 S. m. Abb.
Wie lebendig „Märchen in unserer Zeit“ sind, zeigen die vielgestaltigen Vorträge, die aus
einem Kolloquium der Lauenburgischen Akademie für Wissenschaft und Kultur (6./7. 4.
1989) hervorgegangen sind. Einerseits sind die Befürchtungen der Sammler und Editoren
des letzten Jahrhunderts, wie sie H.-J. Uther im Vorwort ansprach, eingetreten, denn der ab
solute Bestand an Stoffen und Erzählungen ist in Mitteleuropa kaum mehr Veränderungen
unterworfen. Andererseits erfreuen sich die Märchen mit ihren teilweise alten Stoffen bester
Gesundheit, die in Gestaltungen, Deutungen und Darbietungen ihren Niederschlag findet.
Die drei großen Abschnitte des Bandes umreißen daher zugleich das Erscheinungsbild der
Märchen in der Öffentlichkeit.
Dementsprechend gehören die meisten Beiträge zum Thema „Vermittlung und Vermark
tung“. L. Röhrich („Wandlungen des Märchens in den modernen Bildmedien. Comics und
Cartoons“) zeigte, daß bei diesem Gestaltungsprozeß nur 12 der bekanntesten Märchen ver
wendet werden, die, in ihren Grundkonstellationen variiert, die gewünschte Aussage trans
portieren. Zum Thema „Die ,Bremer Stadtmusikanten 1 in Bremen“ („Zum Weiterleben ei-