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Full Text: Zeitschrift für Volkskunde, 88.1992

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Die Umbenennung der Vergangenheit 
Geschichtlicher Hintergrund 
Das Ausradieren der stalinistischen Vergangenheit aus der städtischen Architex- 
tUr der früheren DDR ist ein Ergebnis des Zusammenbruchs der DDR. Doch 
Deutschland im allgemeinen und Berlin insbesondere können eine lange Geschichte 
te von Straßenumbenennungen vorweisen, die mit den grundsätzlichen politischen 
Einschnitten in der Geschichte des deutschen Nationalstaates korrespondieren 
ü nd die auch den derzeitigen öffentlichen Diskurs über die Umbenennung der sta- 
Enistischen Vergangenheit überschatten und, wenn auch unbewußt, beeinflussen. 
Daher folgt ein kurzer Überblick über die Entwicklung des Berliner Stadt-Textes. 5 
Das Kaiserreich: 1813 erfolgte ein königlicher Erlaß, demzufolge die Straßenna 
men i n c j en ö ama Eg en d re i preußischen Residenzstädten Potsdam, Charlottenburg 
u nd Berlin in staatliche Zuständigkeit übergingen. Der Erlaß, der von seiten des 
Preußischen Staates eine Anerkennung des repäsentativen Stellenwerts von Stra 
ßennamen war, führte dazu, daß die städtischen Behörden auf ihre jeweiligen Stadt- 
Texte so gut wie keinen Einfluß hatten. Im 19. Jahrhundert entwickelte sich der 
Berliner Stadt-Text rapide; gemäß den ideologischen Grundsätzen zunächst der 
preußischen, und nach 1871 der kaiserreichlichen Ordnung. Der Text bestand aus 
Elementen des preußisch-militaristischen und des dynastischen Narrativs und um- 
a hte im wesentlichen preußische Siege und Sieger sowie den Ruhm des Herrscher 
hauses. Nach Gründung des Kaiserreiches wurden dem Text auch wichtige gesamt- 
nationale Bestandteile beigefügt, hauptsächlich die Normen deutscher Geschichts- 
Uj ad Kulturhelden. 
Die Weimarer Republik: In der Hauptstadt Deutschlands schlug sich der Über 
gang von der monarchischen zur republikanischen Herrschaftsform in keinen 
s P e ktakulären Straßenumbenennungen nieder. Das Thema der Umbenennungen 
u 'urde erst 1921 in der Stadtverordnetenversammlung zum Gegenstand konti 
nuierlicher Auseinandersetzungen zwischen den radikalen Linken und der konser 
vativen Rechten. 6 Gleichwohl waren die Behörden — der von der SPD regierte 
P r eußische Staat — darauf bedacht, keine unnötigen Konflikte heraufzubeschwö- 
mn. Der preußische Staat begnügte sich mit der Verewigung republikanischer 
taatsmänner wie Friedrich Ebert und Gustav Stresemann. Der Übergang von der 
°narchie zur Republik fand seinen proklamativen Ausdruck mit der 1926 erfolg- 
ten Umbenennung des ,Königplatz 4 , der Platz vor dem Reichstag (benannt 1864), 
ln ,Platz der Republik 4 . 
Das Dritte Reich: Die Nationalsozialisten, sich der beschwörenden und demon 
strativen Kraft der Symbole durchaus bewußt, agierten entschlossen, um den Berli- 
ner Stadt-Text nach ihren ideologischen Grundsätzen umzuformen. Alle Spuren 
Eine historische Untersuchung des Berliner Stadt-Textes ist nachzulesen in meinem Buch: Von 
Wilhelmsplatz zu Thälmannplatz. Politische Symbole im öffentlichen Leben der DDR, Gerlin 
gen 1991. 
Siehe meinen Beitrag „What is to be Remembered? The Struggle over Street Names in Berlin 
^^~1930“, in: Tel Aviver Jahrbuch für deutsche Geschichte 17, 1988, S 241—259.
	        
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