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Full Text: Zeitschrift für Volkskunde, 88.1992

Maoz Azaryahu 
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der verhaßten Weimarer Republik wurden bereits 1933 getilgt. Der nationalsoziali 
stische Mythos wurde ein wichtiger Bestandteil des Stadt-Textes, repräsentiert 
durch Namen wie Adolf Hitler, Horst Wessel und von vielen weniger bekannten 
NS-Märtyrern und Helden. 
1945—1947: Nach Zusammenbruch des sogenannten Dritten Reiches, war De 
mokratie*, in der Bedeutung von Antinazismus und Antimilitarismus, das feder 
führende ideologische Prinzip und dementsprechend sollte der Stadt-Text entnazi 
fiziert werden. 7 Das Ausradieren prominenter nationalsozialistischer Bestandteile 
erfolgte beinahe unmittelbar, und wurde vom' Magistrat, den die Sowjets nomi 
niert hatten, koordiniert. Die moderate Herangehensweise zielte auf ein Wieder 
einfuhren der Situation vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten, während 
radikale Kreise in der SPD und der KPD gerne alle militaristischen und dynasti 
schen Elemente aus dem Stadt-Text entfernen wollten, und damit zu Ende führen, 
was die Weimarer Republik nicht gewagt hatte. Einer Liste Anfang 1946 ist zu ent 
nehmen, daß insgesamt 1745 der vorhandenen Straßen und Plätze umbenannt wer 
den sollten, um der neuen, demokratischen Gestalt Deutschlands gerecht zu wer 
den. Tatsächlich aber erfolgten bis 1947 insgesamt nur 40 Umbenennungen. 
Die DDR: Der sich immer mehr zuspitzende Konflikt zwischen der SED und 
den anderen Parteien im Berliner Magistrat führte schließlich am 30. November 
1948 zur administrativen Teilung der Stadt. Der Sowjetische Sektor (Ostberlin) 
wurde eine selbständige kommunale Einheit, und die Einheitssozialisten konnten 
ungehindert, ohne Einspruch der anderen Parteien,,ihren* Teil des Stadt-Textes ge 
mäß ihrer ideologischen Grundsätze und politischen Bedürfnisse neu gestalten. 
Die SED sorgte dafür, daß der Ostberliner Stadt-Text dem Staatsmythos der DDR 
(gegründet am 7. Oktober 1949) entsprach. 1949 kamen die Namen von Thälmann 
und Stalin (letzterer verschwand 1961) hinzu; 1950 von Lenin, und 1951 wurden 
im Laufe von sieben Wochen 159 preußische* Namen ausradiert. In späteren Jah 
ren wurden hochgestellte Persönlichkeiten aus Staat und Partei sowie kommunisti 
sche Politiker auf den Straßenschildern verewigt. Die letzte Umbenennung erfolg 
te im Juni 1989, als zwei weniger bekannte Helden der Französischen Revolution, 
Babeuf und Timbaud, mit Straßennamen geehrt wurden. 
Berlin-Ost 1990—1991: Der Zusammenbruch der DDR und die Wiedervereini 
gung Deutschlands und Berlins riefen im ehemaligen Osten eine Reihe von Umbe 
nennungen hervor. Im folgenden werden einige symbolanalytische Aspekte dieser 
Umbenennungen behandelt. Die historische Rolle Berlins verleiht den Entschei 
dungen eine gesamtdeutsche Relevanz. Die Debatten und Entscheidungen sollten 
7 Zu den damals in Berlin, Leipzig, Wien und Hamburg vorgenommenen Änderungen des Stadt- 
Textes, siehe meinen Beitrag „Renaming the Past: Changes in City-Texts in Germany and Austria 
1945—1947“, in: History and Memory 2,2, 1990, S. 32—54. Zur ,verpaßten Gelegenheit 1 in Berlin, 
siehe J. Karwelat: „Ein Berliner Stadtplan von 1946 - seiner Zeit voraus“, in: Sackgassen. Keine 
Wendemöglichkeit für Berliner Straßennamen, hrsg. von der Berliner Geschichtswerkstatt, Berlin 
1988.
	        
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